25 Jahre "Tony Hawk’s Pro Skater": Bretter, die die Welt bedeuten

Seite 2: Vom Raser zum Trickser

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Ursprünglich sollte das schnell in "Tony Hawk’s Pro Skater" umbenannte Spiel genau wie "Top Skater" ein Bergab-Rennspiel werden: Die Skater rasen dann die lineare Piste hinab, während sie auf dem Weg zum Ziel coole Tricks zünden. Es stellte sich aber schnell heraus, dass coole Tricks zu machen deutlich unterhaltsamer war, als einfach nur von A nach B zu zischen. Also wurde der Spielfokus komplett umgekrempelt. Von den neun Strecken im finalen Spiel drehen sich konsequenterweise nur noch zwei um Abwärtsrennen.

Die Entwicklung dauerte laut Neversoft etwa ein Jahr und war für alle Beteiligten sehr lohnenswert. Tony war eng in den Designprozess involviert und gab den Entwicklern nicht nur wertvolle Tipps zum Skateboarding und der dazugehörigen Kultur, sondern auch kontinuierliches Feedback auf Basis von aktuellen Builds, die er auf seiner gemoddeten PlayStation spielen konnte.

Worum geht es im Spiel? Man wählt einen von zehn Skatern aus (bzw. zwölf, wenn man die beiden freispielbaren Bonusfiguren dazuzählt), und rollt und olliet und kickflippt durch neun nach und nach freigeschaltete Levels. Diese Personen kamen auf Empfehlung von Tony Hawk ins Spiel, und sie repräsentierten die damalige Crème de la Crème der Skaterwelt: Namen wie Bucky Lasek, Bob Burnquist, Rune Glifberg oder Elissa Steamer, die erste weibliche Profiskaterin überhaupt, hatten in der Szene einen exzellenten Klang. Jede einzelne Figur verfügt über unterschiedliche Werte in den Bereichen Sprunghöhe, Geschwindigkeit oder Balance, aber tatsächlich unterscheiden sich die zehn vor allem optisch voneinander.

Es ist auch erlaubt, das eigene Skateboard mit unterschiedlichen Designs und Rollenfarben zu individualisieren, außerdem darf man in drei Stufen die Steifheit der Achsen einstellen. Das macht in der Praxis zwar ehrlicherweise keinen riesigen Unterschied, erlaubt aber ein bisschen zusätzliche Individualisierung. Kurios: Bei allen Skatern wurde ihr damaliges Alter genannt – nur bei Elissa Steamer heißt es da "undisclosed".

Die meisten Levels orientieren sich zwar an realen Lokalitäten, wurden aber von Neversoft erschaffen. Lediglich der siebte Abschnitt "Burnside" basiert auf einem echten Skatepark in Portland im US-Bundesstaat Oregon. Zwei Strecken ("Mall" und "Downhill Jam") entspringen noch dem ursprünglichen Designplan von Abwärts-Pisten mit klarem Endpunkt. Andere wie "School" und vor allem "San Francisco" sind erstaunlich groß und fühlen sich fast schon openworldig an.

Der Großteil aber besteht aus kompakten und übersichtlichen Skateparks mit vielen Bowls, Halfpipes, Quarterpipes, Rails, Gaps und allem anderen, was Skatern ihr Hobby so vergnüglich macht und die Arbeit von Notärzten nicht langweilig werden lässt. Es warten sogar drei Wettbewerbe, in Chicago, Portland und New Mexico, in denen man (im Falle von New Mexico umgeben von um Fluchthilfe bittenden Außerirdischen) drei Runden lang so viele coole Tricks wie nur möglich sicher stehen muss, um jeweils die Goldmedaille mit nach Hause nehmen zu dürfen.

Das Spielprinzip bleibt immer gleich: In jedem Level wartet ein Zwei-Minuten-Zeitlimit, innerhalb dessen man so viele Punkte wie möglich machen und idealerweise auch noch ein paar Aufgaben erfüllen muss. Aufgaben wie das Knacken von unterschiedlich hohen Highscores, das Aufsammeln der gelb leuchtenden Riesenbuchstaben "SKATE", das Finden von geheimen Videokassetten oder das Zerstören einer Anzahl von bestimmten Dingen wie Kisten oder Hinweisschildern. Erfüllt man genug Vorgaben, werden weitere Levels und Board-Designs freigeschaltet. Außerdem warten noch die beiden Bonusfiguren Officer Dick und Private Carrera sowie cool geschnittene Trickvideos aller Skater, die man zum Abschluss der jeweiligen Kampagnen angezeigt bekommt. Sowie als Superbonus auch noch ein Video mit zum Teil extrem schmerzhaft aussehenden "Bails" (also Stürzen) der Profiskater.

Der Weg zu dieser Belohnung ist dankbarerweise ein unkomplizierter: Über die vier Haupttasten des Playstation-Controllers darf man springen ("Ollie"), das Board wirbeln ("Flip Trick"), es greifen ("Grab Trick"), auf Geländern bzw. Objekträndern rutschen ("Grind") sowie Haltemanöver an vertikalen Kanten ("Lip Trick") ausführen – so einfach ist das. Hat man in der Halfpipe genug Schwung gesammelt, kann man in der Luft auch noch Kombinationen aus allen Tricks ausführen. Außerdem füllt man mit erfolgreichen Stunts eine Spezialanzeige, über die sich besonders beeindruckende Supertricks wie Tony Hawks berühmter "900" ausführen lassen.

Falls es bislang noch nicht deutlich genug rübergekommen sein sollte: "Tony Hawk’s Pro Skater" ist nicht mal ansatzweise eine Skateboarding-Simulation, sondern ein reines Arcade-Game: Hier schüttelt man die härtesten Tricks der Welt locker aus dem Ärmel, während man ständig aus etlichen Metern Höhe auf sämtliche Körperteile fällt, was nur mit ein paar für Sekundenbruchteile zu sehenden roten Pixeln quittiert wird.

Und wie es sich für ein ordentliches Arcade-Game gehört, darf man natürlich auch dieses zu zweit (im Splitscreen) spielen, und das gleich in drei Varianten: In "Graffiti" geht’s darum, über möglichst fette Tricks so viele Teile des Levels in der eigenen Farbe einzupinseln. In "Trick Attack" gewinnt derjenige, der den insgesamt höchsten Score einfährt. Und "HORSE" war sowieso der beste Modus: Ein Spieler legt einen Trick vor, der andere muss ihn überbieten – falls das nicht klappt, erhält er einen Buchstaben. Wer als erster das Wort "HORSE" zusammen hat, der verliert. Wobei da bei uns immer "BOHLEN" stand …

Technisch war das Spiel für die damalige Zeit sehr bemerkenswert. Nicht, weil es so überragend gut ausgesehen hätte. Es waren die spektakulären Animationen der Skater, die das Ganze zu einem optischen Leckerbissen machten. Was umso erstaunlicher ist, wenn man bedenkt, dass all die Bewegungen handgemacht sind, auf Basis von Videos (größtenteils von Tony Hawk persönlich), die sich das Grafikteam wieder und wieder anschaute. Anfangs wurde noch überlegt, alle Bewegungen per Motion Capturing aufzuzeichnen. Es gab sogar ein Presseevent, bei dem Journalisten während der Produktion des Spiels zu einer MoCap-Aufnahme eingeladen wurden, in der Tony Hawk in einem entsprechenden Anzug Tricks vorführen durfte. Das dabei entstandene Material wurde aber schlussendlich nie verwendet, das Ganze war ein reiner Publicity-Stunt von Activision.

Und dann natürlich noch der Soundtrack. "Police Truck" von den Dead Kennedys. "Superman" von Goldfinger, "Committed" von Unsane, "Cyco Vision" von Suicidal Tendencies – ein Alternative- und Punk-Kracher nach dem anderen. Wenn sich Spieler heute an "Tony Hawk’s Pro Skater" zurückerinnern, dann geschieht das meist über den einen oder anderen Song, der sich damals unverrückbar im Gedächtnis festgebrannt hat.

Kein Wunder also, dass "Tony Hawk’s Pro Skater" nicht nur bei den Spieletestern der damaligen Zeit ganz hervorragend ankam, sondern vor allem auch bei den Spielern. Ein spektakulärer Millionenseller, der zu einer der erfolgreichsten Sportspielserien aller Zeiten führen sollte. Spielt man ihn heute wieder, sieht er natürlich ziemlich grobklotzig aus, die Steuerung ist etwas hakelig, das Trick-Repertoire noch ziemlich eingeschränkt. Aber mit diesem Spiel kam der Funsport im Massenmarkt an, es verwandelte Tony Hawk von einem leicht obskuren Profisportler zum Medien-Superstar.

Und es gab selbst mir die Zuversicht, mich nach etlichen, sehr viel Selbstvertrauen spendenden Runden mal aufs Skateboard zu trauen. Nur sehr kurz, und danach auch nie wieder. Aber immerhin!

(dahe)