"Doom 2": Wie John Romeros "blutig gepfählter Kopf" zur Indizierung beitrug

Nur zehn Monate nach dem Erfolg von "Doom" setzte "Doom 2" noch einen obendrauf.​ Doch in Deutschland wurde das Spiel indiziert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 95 Kommentare lesen
Screenshot aus "Doom 2"

(Bild: id Software)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Paul Kautz
Inhaltsverzeichnis

Es ist 30 Jahre her, dass "Doom 2: Hell On Earth" in die Läden kam, und seiner Entwicklerfirma id Software damit endgültig die Weltherrschaft sicherte – zumindest für einige Zeit. Denn das Spiel war nicht nur eine kompetente Fortführung der im Jahr zuvor begonnenen "Doom"-Erfolgsgeschichte, sondern vor allem auch der Beweis dafür, dass die vorher so strikt getrennten Welten von Shareware und im regulären Handel vertriebenen Computerspielen problemlos verschmolzen werden konnten.

Betritt man den 30., finalen Level von "Doom 2: Hell On Earth" namens "Icon of Sin", bekommt man ein unverständliches Gemurmel zu hören. Jeder Fan von Judas Priest (oder vielen anderen Bands) weiß natürlich sofort, was da zu tun ist: Aufnehmen und rückwärts abspielen! Das ist auch in "Doom 2" die korrekte Vorgehensweise, um aus dem Kauderwelsch verständliche Worte zu machen – nur dass man in diesem Fall als Resultat das Folgende zu hören bekommt: "To Win The Game You Must Kill Me, John Romero!"

Sowas hört man auch nicht alle Tage. John Romero ist, wie jeder Fan von Shootern weiß, nicht nur einer der Gründer von id Software, sondern auch einer der Programmierer und Designer der frühen Erfolge dieses Unternehmens. Spiele wie "Commander Keen", "Wolfenstein 3D" oder "Doom" verdanken ihm und seinem Sinn für rasante Arcade-Unterhaltung einen wichtigen Teil ihrer Existenz. Aber wieso möchte er unbedingt getötet werden? Das liegt an den beiden id-Grafikern Adrian Carmack und Kevin Cloud, die ein Foto von Johns Kopf (aus einem Wired-Artikel über die Entwicklung von "Doom") eingescannt und als tatsächliche Trefferzone hinter dem eigentlichen Bossgegner dieses Levels (dem namensgebenden "Icon of Sin") versteckt haben. Der Witz war, dass man, wenn man den Boss mit Raketen eindeckte, eigentlich John Romero traf, dessen Gesicht in diesem Moment schmerzverzerrt dargestellt wurde.

"Doom 2" wird 30 Jahre (14 Bilder)

Die "Super Shotgun" ist die einzige neue Waffe des Spiels, die aber mächtig reinhaut.Einer der wichtigsten Kritikpunkte des Spiels: Es gibt jetzt viel mehr Gegner, was den Schwierigkeitsgrad deutlich nach oben schraubt. (Bild:

heise online

)

Adrian und Kevin fanden das saukomisch und wollten John eigentlich erst davon erzählen, nachdem das Spiel bereits draußen war. Aber wie er zu Protokoll gab, entdeckte er dieses Easter Egg durch puren Zufall schon vorher – und war darüber nicht etwa sauer, sondern begeistert davon. Genau genommen so begeistert, dass er den Witz noch weitersponn: Zusammen mit id-Hausmusiker Bobby Prince nahm er ein Sprachsample auf, das Bobby nach allen Regeln der Audiokunst veränderte und umdrehte, und setzte es als Begrüßungsbotschaft an den Beginn des finalen Levels.

Weniger lustig fand das die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die Romeros Schädel als "photorealistisch dargestellten blutig gepfählten Kopf eines Jünglings" in ihre Indizierungsbegründung aufnahm: "Der Versuch der Programmierer, 'Doom 2' an effektheischerischen Greuelszenarien nochmals zu überbieten, ist[..] zweifelsohne geglückt."

In seinem Herzen schien "Doom 2" dabei eigentlich nicht viel mehr als eine Sammlung von neuen Levels zu sein, wie es sie im Jahr 1 ND ("nach Doom") bereits tausendfach gab. Nur eben mit dem Unterschied, dass sie hier nicht von Fans gebaut wurden, sondern von id Software selbst kamen, zum allergrößten Teil designt von Sandy Petersen und American McGee. Aber sonst wirkte es eher wie ein Add-on zum Original statt wie ein Nachfolger: Es gab keine offensichtlichen technologischen Entwicklungen oder nennenswerte grafische Verbesserungen, die meisten Gegner sind vertraut, das Spielprinzip (durch Levels rennen, Gegner töten, farblich codierte Schlüssel finden) ist identisch. Was also rechtfertigt die "II" im Namen?

Wenn man ganz ehrlich ist, ist es vor allem id Softwares Wunsch, aus dem auch 1994 noch unverändert revolutionären "Doom"-Grafiksystem so viel Geld wie nur möglich rauszuholen, indem sie ihrem Shareware-Erfolg ein ausschließlich im regulären Handel erhältlichen Teil 2 folgen ließen. Diese Vorgehensweise war für das kleine Unternehmen kein Neuland; auf das im Mai 1992 veröffentlichte Shareware-Shooterwunder "Wolfenstein 3D" folgte im September der über FormGen vertriebene kommerzielle Quasi-Nachfolger "Spear of Destiny".

Im Falle von "Doom 2" kam allerdings "GT Interactive" zum Einsatz: Ein Unternehmen, das es erst seit 1993 gab, und das aus der bereits seit 1984 existierenden Firma "GoodTimes Entertainment" hervorging, die man vor allem für den Vertrieb von Cartoon-Videokassetten kannte. Für "Doom 2" ging das Unternehmen in die Vollen, investierte mehrere Millionen Dollar ins Marketing und scheute keine Kosten, um die Veröffentlichung des Spiels so pompös wie nur möglich zu gestalten. Am "Doomsday" war es schließlich so weit, dem 10. Oktober 1994, und damit präzise zehn Monate nach dem Original. Die ursprüngliche Charge von 600.000 Exemplaren war innerhalb eines Monats ausverkauft, alles in allem sollte "Doom 2" etwa zwei Millionen Mal über die Ladentische der Welt wandern. Das machte es für viele Jahre zum erfolgreichsten Titel von id Software überhaupt machte.

Inhaltlich mag "Doom 2" keine so überwältigende Revolution wie noch sein Vorgänger gewesen sein, aber es wäre auch falsch, in ihm einfach nur eine weitere Levelsammlung zu sehen. Anders als in "Doom", dessen Levels eine wilde Mischung aus allen möglichen Themen waren, folgt der Aufbau der 30 Abschnitte in "Doom 2" (plus zwei Bonuslevels) übergeordneten Themen. Das Ende von "Doom" hatte ja schon angedeutet, dass die Mächte der Hölle die Erde überrannt hätten. Also findet ein Großteil von "Doom 2" jetzt auf der Erde statt, in Militäreinrichtungen und angedeuteten Städten, bevor es im finalen Drittel zurück in den Schlund der Hölle geht, um dem großen Übel ein für allemal die Flausen mit der Schrotflinte auszutreiben.

Bzw. mit der "Super Shotgun", denn diese doppelläufige Megawumme war die einzige neue Knarre im Waffenschrank von "Doom 2" – aber was für eine! Die "BFG 9000", die "Big Fucking Gun", wird wohl nie von ihrem Podest geschubst werden können, aber für viele Fans gilt die "Super Shotgun" als eine der besten Waffen der "Doom"-Historie überhaupt.

Darüber hinaus warten in "Doom 2" neue Designelemente wie brennende Fässer, das "Megasphere"-Upgrade (das Energie und Rüstung auf 200% hochkurbelt!) sowie sieben neue Gegner. Eigentlich sind nur drei, denn "Heavy Weapon Dude", "Hell Knight", "Arachnotron" und "Pain Elemental" sind veränderte Varianten von aus dem Vorgänger bekannten Höllenkreaturen. Die ganz neuen Figuren dagegen brachten nicht nur mehr Abwechslung, sondern auch interessante neue strategische Ansätze ins Spiel. Der flammende "Arch-Vile" zum Beispiel kann nicht nur aus der Distanz angreifen, sondern auch bereits erledigte Gegner wiederbeleben, was speziell auf den höheren Schwierigkeitsstufen für Panik sorgt. Der "Revenant" ist nicht nur irre schnell, sondern feuert auch zielsuchende Raketen. Und der schwerfällig grunzende "Mancubus" ballert mächtige Feuerbälle aus seinen beiden Armkanonen. Ganz exzellente Erweiterungen, und speziell im Fall des Mancubus aus dem "Doom"-Universum mittlerweile nicht mehr wegzudenken.