"Doom 2": Wie John Romeros "blutig gepfählter Kopf" zur Indizierung beitrug

Seite 2: Warum "Doom 2" indiziert wurde

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Hielt man im 15. Level namens "Industrial Zone" die Augen sehr genau auf, entdeckte man einen geheimen Ausgang, der zu der folgenden Nachricht führte: "Congratulations, you've found the secret level! Looks like it's been built by humans, rather than demons. You wonder who the inmates of this corner of Hell will be." Direkt danach landete man im ersten von zwei Bonuslevels namens "Wolfenstein" – der, wie der Name schon verspricht, nicht nur vom Aufbau her dem ersten Level von "Wolfenstein 3D" entspricht, sondern mit seinem flachen Aufbau, den simplen Texturen, der Nazi-Symbolik und den blauen SS-Schergen als Gegner auch genauso aussieht.

Beendet man diesen kurzen Abschnitt nicht auf regulärem Wege, sondern bemüht auch hier das Pfadfinder-Gen, landet man direkt im zweiten Bonuslevel namens "Grosse", der seinerseits auf dem finalen Level des ersten Kapitels von "Wolfenstein 3D" basiert. Hier erwartet all jene, die mit der Geschichte von id Software vertraut sind, eine sehr spezielle Überraschung. Denn ganz zum Schluss gibt es vier am Galgen baumelnde Billy Blazes zu sehen, den Helden der "Commander Keen"-Serie, die allesamt blutig vom Strick geschossen werden müssen, damit sich der Levelendschalter offenbart. Nach dem Weggang von Keen-Chefdesigner Tom Hall hatten die verbliebenen id-Gründer wohl kein allzu großes Interesse mehr an diesem speziellen Erbe…

Wer sich "Doom 2" hierzulande gekauft hat, in der obligatorischen Big Box des deutschen Vertriebs CDV, der hat von alldem nichts mitbekommen – denn beide Bonuslevels fehlten in der hiesigen Fassung komplett. Und zwar so komplett, dass das Spiel sang- und klanglos abstürze, wenn man versuchte, sich über die Eingabe des Cheatcodes "IDCLEV31" bzw. "IDCLEV32" direkt dorthin zu beamen. Die Levels waren in der hierzulande erhältlichen Fassung schlicht nicht vorhanden.

Aber auch diese Schnitte änderten nichts daran, dass auch "Doom 2", genau wie sein Vorgänger, von der damaligen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften am 14. Dezember 1994 im vereinfachten Verfahren in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen wurde. Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BZKJ), die Nachfolgeorganisation der damaligen BPjS hat uns auf Nachfrage die damalige Indizierungsbegründung zukommen lassen:

"Doom II setzt mit einer spekulativen, effektheischenden Aufbereitung blutiger Gemetzelszenen im wesentlichen auf ein beim potentiellen Nutzer vermutetes voyeuristisches bzw. sadistisches Interesse. Da sich der Spieler im stetigen Kampf um das eigene Überleben befindet, wird er gefühlsmäßig intensiv in das Spielgeschehen einbezogen. Die Art der Steuerung verlangt stetige Konzentration, schnelle und zuverlässige Reizaufnahme, sowie mittelmäßig bis hohe Leistungen im Bereich der Feinmotorik. Eine kritische kognitive Bewertung des aggressiven Spielinhaltes [und] -kontextes ist dem Spieler aufgrund einer derart hohen psycho-physischen Beanspruchung nicht möglich. Das Töten wird, der hohen Leistungsmotivation insbesondere männlicher Heranwachsender entgegenkommend, spielerisch eingeübt und zum sportlichen Vergnügen verniedlicht. [...] Die jugendgefährdende Wirkung der Computerspiele ist [...] darin zu sehen, daß der Programmablauf die Spieler ausschließlich zu einem reflexartig ausgeführten, instinktiven "Abschießen" und zum "Zerstückeln" der gegnerischen Figuren auffordert. Hier werden Verhaltensweisen trainiert, die die körperliche Integrität und Unversehrtheit anderer negieren. Hemmschwellen, die jeder Tötungs- und Verletzungshandlung entgegenstehen, werden auf diese Weise abgebaut."

Erst knapp 17 Jahre später durfte "Doom 2" in Deutschland wieder freie Luft atmen: In der Entscheidung Nr. 5848 vom 4. August 2011 wurde das Spiel auf Antrag der id-Software-Mutterfirma ZeniMax aus der Liste der jugendgefährdenden Medien gestrichen, unter anderem mit dieser Begründung: "Bereits kurz nach der ursprünglichen Veröffentlichung von "Doom II – Hell on Earth" seien andere Titel erschienen, die in Spielweise und Darstellungsform ganz neue technische Maßstäbe gesetzt hätten. Die Grafik von 'Doom II – Hell on Earth' habe somit bereits vor Jahren als veraltet gegolten und sei spätestens nach den heutigen Maßstäben antiquiert. Darstellungen erfolgten in deutlich sichtbaren Pixeln, was die dargestellten Objekte nur schwer erkennbar mache. Die Auflösung des Spiels sei ins-
gesamt deutlich schlechter als z.B. diejenige heutiger Mobiltelefone."

Weiter heißt es in der Begründung: "Sowohl die Rahmenhandlung wie auch die Darstellungsform wiesen keinen Realitätsbezug auf. Dies werde durch die grob pixelige und aus heutiger Sicht antiquiert wirkende Grafik unterstrichen. Allenfalls könne „Doom II – Hell on Earth“ heute als comic-hafte Darstellung verstanden werden. Dies gelte auch im Hinblick auf die Gewalthandlungen, die weder selbstzweckhaft noch detailliert seien. Auf die besonders ausführliche Darstellung von 'Tötungsszenen' werde ebenso verzichtet wie auf das virtuelle Töten als bloßer Reflex. Im Vordergrund stehe nicht das Töten, sondern das Erreichen des rettenden Ausgangs eines jeden Levels."

Mittlerweile ist "Doom 2" von der USK offiziell ab 16 Jahren freigegeben und kann praktisch überall gespielt werden: PC, Xbox Series, PlayStation 5, Nintendo Switch – wenn es mit Nullen und Einsen umgehen kann, dann gibt es "Doom 2" darauf. Und es zu spielen, lohnt sich auch heute noch. Es mag nicht mehr der große Innovator wie noch sein Vorgänger gewesen sein, aber es brachte den Ego-Shooter mit Anlauf in den Massenmarkt, es machte über das DWANGO-System das Shooter-Spielen über das Internet salonfähig. Und es verriet einem schon im ASCII-Bildschirm, der angezeigt wurde, wenn man das Spiel verließ, weswegen man eigentlich direkt weiterspielen sollte: "All your friends think DOOM II is great."

(dahe)