Das Experiment: Neun Tage ohne Smartphone

Halten es heutige Schüler und Studenten überhaupt noch ohne Smartphone aus? Und wie fühlen sie sich dabei? Ron Srigley unterrichtet an einem College in den USA und hat es ausprobiert.

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(Bild: Selman Design)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Ron Srigley

Vor ein paar Jahren habe ich ein Experiment in einem Philosophiekurs durchgeführt. Meine Studenten hatten in einer Zwischenprüfung ziemlich schlecht abgeschnitten, und ich hatte das Gefühl, dass ihr ständiger Gebrauch von Handys und Laptops im Unterricht daran mitschuldig war. Also bot ich ihnen Extrapunkte an, wenn sie neun Tage lang ihre ­Geräte bei mir abgeben und über ihre Erfahrung schreiben würden. Zwölf Schüler – etwa ein Drittel der Klasse – nahmen das Angebot an. Was sie schrieben, war bemerkenswert. Die Industrie erzählt uns gern, Mobiltelefone und soziale Medien würden Gemeinschaften aufbauen, die Kommunika­tion fördern, unsere Effizienz steigern und unser ganzes Leben verbessern. Tatsächlich fühlten sich die meisten Schüler ohne Handy zunächst verloren, desorientiert, frustriert, verängstigt. Aber nach zwei Wochen änderte sich das. Nun meinten sie, dass ihre Smartphones in Wirklichkeit ihre Beziehungen zu ­anderen Menschen behindern, ihr Leben beeinträchtigen und sie irgendwie von der "realen" Welt abschneiden.

"Ob Sie es glauben oder nicht: Ich musste auf einen Fremden zugehen und fragen, wie spät es ist. Das hat mich ehrlich gesagt eine Menge Mut und Selbstüberwindung gekostet", schrieb Janet. (Alle Namen sind Pseudonyme.) Sie hatte das Gefühl, von anderen deshalb für "seltsam"gehalten zu werden. Schließlich habe jeder ein Handy, wozu müsse man da nach der Zeit fragen?

Auch Emily fiel auf, dass sie ihr Mobiltelefon oft zur Abschottung benutzt hatte: Wenn sie Fremden in einem Flur oder auf der Straße begegnete, zückte sie es regelmäßig, um Augenkontakt zu vermeiden. Zudem hat sie beobachtet, dass viele Leute ihre Handys in unangenehmen Situationen benutzen – "etwa auf einer Party, wo niemand mit ihnen spricht".

James hat ähnliche Erfahrungen gemacht: "Eines der schlimmsten und trotzdem häufigsten Dinge, die Menschen heutzutage tun, ist es, ihr Handy während eines persönlichen Gesprächs zu benutzen. Das ist sehr unhöflich und inakzeptabel. Trotzdem muss auch ich mich schuldig bekennen, weil es die Norm ist."

Direkten menschlichen Kontakt empfanden diese jungen Menschen bestenfalls als unhöflich und schlimmstenfalls als verschroben. Doch während des Experiments merkten sie, welchen Preis sie für ihre persönlichen Schutzzonen zahlen mussten: Zehn der zwölf Versuchsteilnehmer sagten, dass ­Handys ihre Fähigkeit zu menschlichen Beziehungen beeinträchtigten.

(jle)