40 Jahre Blue Thunder – Das fliegende Auge

Seite 2: Der Hubschrauber

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Lange sucht man nach einem passenden Hubschrauber. Die meisten Modelle sind rund und stromlinienförmig. Schließlich entscheidet man sich für die längliche Gazelle des französischen Herstellers Aérospatiale und baut deren Cockpit um. Männlicher, kriegerischer – wie ein Insekt. Man recherchiert, was so eine fliegende Waffe können sollte, und bringt allerlei Anbauten an. Da Blue Thunder regulär fliegen können soll, muss jede Änderung von der Luftfahrtbehörde genehmigt werden. Und damit man ein Backup hat, falls Blue Thunder ausfällt, baut man zwei identische Modelle. Die Hubschrauber sind so vollgestopft mit Technik (und in der Regel mit einem Kameramann), dass sie sich nur träge fliegen lassen; kein Vergleich zu den wendigen Bell Rangers, mit denen Murphy sonst unterwegs ist.

Die Polizei unterstützt die Dreharbeiten (zumal im Laufe der Drehbuch-Entwicklung das LAPD die Guten und die Bundespolizei die Bösen werden). Sie stellt sogar die sich noch im Bau befindende und somit noch nicht genutzte Zentrale der Air Support Division zur Verfügung, das Piper Tech, das C. Erwin Piper Technical Center. Sitz vieler Behörden und der größte Hubschrauber-Landeplatz der Welt auf einem Dach. Als sehr nützlich erweist sich dort die Heli-Garage mit Werkstatt. Die Crew baut daneben ein Set für die Büros der Hubschrauber-Einheit auf. Der Blick auf das pulsierende Nachtleben von Los Angeles ist geschummelt: statt Fenster wird eine Leinwand mit einer Projektion aufgespannt.

Nur eines möchte das LAPD nicht: dass sein Name mit dem Film in Verbindung gebracht wird. Daher heißt die Flugstaffel im Film "Astro Division"; in Anlehnung an ASTRO, Air Support to Regular Operations, die Unterstützung der Polizei-Arbeit auf dem Boden, wie sie im Film demonstriert wird.

Für die Macher des Films steht Glaubwürdigkeit an oberster Stelle. An Computer-Tricks ist ohnehin noch nicht zu denken. Nahezu alle Flug-Szenen sind echt; sie werden in der Luft gedreht. Es gibt feste Kameras, die an einem Hubschrauber montiert sind; manches wird vom Boden aus gefilmt; selten verwendet man Plastikmodelle.

Aber meistens wird von Kameras aus einem weiteren Hubschrauber aufgenommen. Komplexe Szenen wie eine Verfolgungsjagd in der Luft werden von sechs bis acht Kameras gleichzeitig eingefangen. Keine Tricks: Die Hubschrauber brausen tatsächlich nur wenige Zentimeter über dem Boden unter Brücken hindurch und an Wolkenkratzern vorbei. Nur beim Aufprall eines Polizei-Hubschraubers gegen einen Pfeiler hilft man nach: Die Maschine ist aus Holz und wird gezogen. Und der Looping ist gemogelt: In dieser Szene wird ein ferngesteuertes Modell verwendet.

Die Hubschrauber müssen aus Sicherheitsgründen in einer Höhe von mindestens 1.000 Fuß (300 Meter) über Los Angeles fliegen. In Szenen, bei denen sie sehr niedrig schweben, 50 Fuß (ca. 15 m), muss der Bereich abgesperrt werden; im Film zu sehen sind nur Autos, die von der Crew gesteuert werden. Auch Stromleitungen werden stellenweise entfernt.

In Downtown darf die Crew nur sonntags drehen, wenn die Straßen leer sind. Das führt zu Zeitdruck, zumal im Winter gedreht wird, während die Tage kürzer sind: Im Dezember hat Los Angeles 7 Sonnenstunden, nur halb soviel wie im Sommer.

Die längsten Szenen finden entlang des kilometerlangen Beton-Kanals statt (der auch in "Terminator 2" Schauplatz ist) sowie um noch unbewohnte Wolkenkratzer, von denen Anfang der Achtzigerjahre in Downtown Los Angeles viele errichtet werden. Das Finale ist auf einem verlassenen Fabrikgelände; und die Villa der Stadträtin steht auf dem Gelände von Warner (sie dient auch als Haus von Murtaugh in "Lethal Weapon").

An einer Stelle meinen es die Macher zu echt: Eine kurze Live-Schalte über den Tod der Stadträtin soll vor einem Krankenhaus gedreht werden. Sie erhalten keine Genehmigung, doch Badham stört das nicht. Er gibt seinem Assistenten über Funk durch: "Sag dem Krankenhaus-Chef, wo er sich hinscheren kann. Ich drehe hier und bin weg, bevor er merkt, was los ist." Der Assistent schluckend: "Ich stehe hier neben dem Krankenhaus-Chef. Er hat alles gehört, was Du gesagt hast." Und Badham: "Dann beeilen wir uns mal."

Eine Szene, bei der Kates Wagen auf zwei Rädern durch eine enge Gasse jagt, fällt später heraus: Sie sieht zu sehr nach James Bond aus. (Übrigens: Auch Candy Clark steuert die meisten Szenen in ihrem Fahrzeug selbst.

Für die optischen Effekte stößt Hoyt Yeatman zum Team, der an zahllosen Blockbustern mitwirkt (was bei James Camerons "The Abyss" mit einem Oscar belohnt wird).

Besonders kompliziert sind die Nachtszenen. Damit Blue Thunder gut in der Dunkelheit zu sehen ist, probiert man, ihn durch einen zweiten Hubschrauber anzuleuchten. Das Ergebnis überzeugt nicht. So kommt man auf die Idee, an Blue Thunder selbst Lampen anzubringen, etwa an der Unterseite der Kufen, die ihn bestrahlen.

Am stärksten geschummelt wird bei den zwei F-16, die Blue Thunder abschießen sollen: Hier kommen zwei Modell-Baukästen von Tamiya zum Einsatz.

Aufwendig ist die Szene, bei der Blue Thunder mit einem Wärmesensor durch die Wände schaut und die im Raum befindlichen Personen als Umrisse darstellt. Die Schauspieler tragen weiße Anzüge und ein weißes Make-up und stehen auf einer schwarzen Bühne in der Größe des Büros. Die Aufnahmen werden durch konventionelle Videoeffekte verfremdet; und am Ende schaut es so aus, als wenn sie die Körperwärme reflektieren.

In einer der bekanntesten Szenen schießt Blue Thunder einen Polizeiwagen in zwei Hälften. Das Fahrzeug wird so präpariert, dass es während der Fahrt auseinanderbricht und der vordere Teil allein weiterfährt; dank zweier zusätzlicher, nicht zu sehender Räder.

Sogar die vielen Brathähnchen, die nach dem Beschuss der Imbiss-Bude durch die Luft wirbeln (und später von Obdachlosen eingesammelt werden), sind echt: Badham kann sie im Supermarkt für 2,50 Dollar bekommen, während Attrappen aus Gummi 20 Dollar gekostet hätten.

Mitten im Geschehen: Star Roy Scheider, der meistens tatsächlich im Helikopter sitzt – er lernt während der Produktion des Films fliegen –, übernimmt in einigen Szenen sogar das Steuer. Natürlich nicht während der Stunts. Hier verlässt sich John Badham auf Jim Gavin, der als Stunt-Koordinator, Luft-Regisseur und Pilot fungiert. Nur die nächtlichen Nahaufnahmen der Köpfe entstehen im Studio, damit man per Rückprojektion das leuchtende Los Angeles zeigen kann.