40 Jahre Kultfilm "The Last Starfighter": Rendern, bis die Cray kocht

Seite 2: Der Monster-Rechner mit der Couch

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Der von Digital Productions betriebene Cray X-MP/22300 Supercomputer war nicht nur von der Leistung her monströs. Mit seinen zwei 64-Bit-Prozessoren bot er eine Leistung von 400 MFLOPS bzw. 200 MIPS bei einem Datendurchsatz von 100 MByte/s. Eine Cray X-MP war in wahrsten Sinne raumfüllend: Die Recheneinheiten steckten in einem mannshohen Turm, der von einem Kühlsystem umgeben war, das gleichzeitig als Sitzecke (!) diente. Das I/O-Subsystem stand mit leichtem Abstand in gleicher Höhe daneben.

Um die rohe Kraft des Supercomputers zu bändigen, waren zusätzliche Stromverteiler-Schränke und Kühleinheiten nötig. Je nach Ausbaustufe kostete ein Cray X-MP zwischen 10 bis 16 Millionen US-Dollar – inflationsbereinigt wären die Beträge heute dreimal so hoch. Heute steht jedem Mittelklasse-Smartphone ein Vielfaches an Leistung zur Verfügung.

Einige Monate lang schien alles nach Plan zu gehen. Es war Visual Effects Coordinator Jeffrey A. Okun, der als Erster bemerkte, wie heftig sich Digital Productions mit "The Last Starfighter" ĂĽbernommen hatte. Allein der "Gunstar", das zentrale Raumschiff des Films, bestand aus 600.000 Polygonen. Kamen weitere Elemente zur Szene hinzu, musste der Cray pro Einzelbild ĂĽber eine Million Polygone verdauen.

Sechs Monate vor dem Kinostart rechnete Okun den Verantwortlichen vor, dass es beim aktuellen Tempo 17 Monate dauern würde, um die Effekte fertigzustellen. Dem entgeisterten Produzenten Gary Adelson schlug er vor, die digitalen Effekte durch klassische Miniaturen zu ersetzen. Kommt nicht in Frage, antwortete Adelson: "Go back and make it work" – sorge dafür, dass es klappt. Dafür mussten viele Kompromisse geschlossen werden.

Highlights aus "The Last Starfighter" (8 Bilder)

Die Beta-Einheit von Alex hat leichte Anpassungsprobleme.
(Bild: Universal Studios)

Durch Vereinfachung der Modelle und Verzicht auf einige Effekte gelang es tatsächlich, die Render-Zeiten zu reduzieren. Dauerte die Entstehung eines Einzelbilds zunächst bis zu 40 Minuten, hatte Digital Productions den Prozess gegen Ende der Produktion den Vorgang auf zweieinhalb Minuten optimiert.

In der heißen Phase vor dem Kinostart renderte die Cray 62 Tage lang 24 Stunden durch. Mitarbeiter saßen rund um die Uhr auf der Sitzbank, um bei Problemen sofort eingreifen zu können. Glücklicherweise waren die Ergebnisse die Qual wert.

Vor "The Last Starfighter" wurden Weltraumschlachten mit an Stangen fixierten Raumschiffmodellen gedreht, die in mehreren Durchläufen bei unterschiedlicher Beleuchtung abgefilmt wurden. Das Modell blieb dabei an Ort und Stelle; was sich bewegte, war die computergesteuerte Kamera (Motion Control). Kamen in einer Szene mehrere Raumschiffe vor, wurden diese getrennt gefilmt und mühsam in einem Optischen Printer zusammengefügt.

Die "Scene Simulation" von Digital Productions konnte hingegen alles in einem Durchgang rendern: Raumschiffe, Asteroiden, sogar das Sternenfeld im Hintergrund. Nur die Explosionen waren analog. Um die digitalen Bilder auf Film zu belichten, hatte das Studio ebenfalls ein eigenes, später preisgekröntes System entwickelt.

Raytracing war zur Zeit von "The Last Starfighter" noch viel zu langwierig; für fotorealistische Beleuchtung musste also viel gemogelt werden. Interaktives Licht war grundsätzlich kein Problem. Sollte ein Objekt jedoch Schatten werfen, verdoppelte das sofort die Renderzeit.

Eine Schlüsselszene des Films, in der das Kampfschiff von Alex durch die Höhlen eines löchrigen Asteroiden fliegt, zeigt alle Stärken und Schwächen der damaligen Technik: Einerseits sind die Höhlenwände viel zu glatt -- einer der zuvor erwähnten Kompromisse. Andererseits beleuchten die Triebwerke des Gunstar überzeugend die umliegenden Wände.

Komplett "realistisch" wirken die computergenerierten Bilder allerdings nie: Als der Gunstar in einer Szene dramatisch an der Kamera vorbeifliegt, ist schwer zu übersehen, wie grob die darin sitzenden 3D-Modelle für Pilot und Schütze sind. Darüber hinaus ist jedes CGI-Einzelbild gestochen scharf -- Bewegungsunschärfe entwickelte Digital Productions erst später, simulierte Tiefenschärfe lag noch weiter in der Zukunft.

Trotz dieser Schwachstellen hat "The Last Starfighter" immer noch Charme. Realaufnahmen und Computergrafik sind gut genug integriert, dass Zuschauer auch heute noch mitgehen können. Als das futuristische Auto von Centauri über eine Absperrung hinwegfliegt und plötzlich Flügel bekommt, ist der Übergang von realem Fahrzeug zu CGI-Modell fast nahtlos.

Die Story ist mitreißend, die Effekte waren wegweisend -- warum wurde "The Last Starfighter" nur ein moderater Erfolg? Ursache dürfte eine Kombination aus schwachem Marketing und dem Erscheinungstermin gewesen sein. Der Sommer von 1984 gehörte "Ghostbusters", "Indiana Jones und der Tempel des Todes", "Gremlins" und "Karate Kid". Gegen diese Konkurrenz hatte "The Last Starfighter" trotz guter Kritiken keine Chance.

Immerhin wurde Digital Productions für die Effekte in "The Last Starfighter" und "2010: Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen" mit einem Academy-Award gewürdigt ("Scientific and Engineering Award for the Photo Realistic Simulation Of Motion Picture Photography By Means of Computer Generated Images"). Diese Technik-Oscars sind weniger bekannt als die Preise für Schauspieler, Regisseure etc., werden in der Filmbranche aber ebenso hoch eingeschätzt.

Für Digital Productions hatte der Erfolg einen hohen Preis -- und zwar wörtlich. Der Betrieb der Cray X-MP verschlang Unsummen, zumal das Studio den Supercomputer nur geleast hatte. Zu den Leasing-Zahlungen kamen monatliche Stromkosten in Höhe von 12.000 US-Dollar und Wartungskosten in Höhe von 50.000 US-Dollar.

Schließlich blieb Digital Productions nichts anderes übrig, als den Supercomputer komplett zu übernehmen -- für 17 Millionen US-Dollar. Auch dieser verzweifelte Schritt reichte nicht aus: Im Juni 1986 wurde Digital Productions in einer feindlichen Übernahme vom kanadischen Konkurrenten Omnibus Computer Graphics geschluckt. 1987 war auch Omnibus finanziell am Ende und das Studio wurde komplett aufgelöst.

Zu den gemischten Gefühlen gegenüber "The Last Starfighter" gehört auch, dass der Abspann des Films ein dazugehöriges Spiel verspricht, das sich jedoch nie materialisierte. Zwar hatte Atari eine Lizenz erworben und mit der Entwicklung begonnen. Fertiggestellt wurde das Spiel jedoch nie; überlebende Prototypen haben wenig Ähnlichkeit mit dem, was auf dem Arcade-Automaten im Film zu sehen ist.

2006 entwickelte Estil Vance, ein US-amerikanischer Fan, mit viel UnterstĂĽtzung Gleichgesinnter ein Freeware-Spiel fĂĽr Windows, das sich eng am im Film gezeigten Gameplay orientiert (YouTube-Playthrough). Vance konstruierte sogar einen passenden Arcade-Automaten dafĂĽr.

Im Laufe der Jahrzehnte war immer wieder von einem Sequel die Rede. Regisseur Nick Castle war jahrelang involviert; auch die überlebenden Hauptdarsteller erklärten sich zu einer Rückkehr bereit. Doch bisher lösten sich alle Pläne in Wunschdenken auf.

Vor drei Jahren schien wieder Bewegung in die Franchise zu kommen, als Drehbuchautor Gary Whitta ("Star Wars: Rogue One") auf YouTube ein Concept Reel für "The Last Starfighters" veröffentlichte, mit vielversprechenden Konzept-Illustrationen. Seitdem ist es jedoch wieder still geworden. Einige munkeln, die Rechtslage sei schwierig.

2023 erschien in den USA immerhin eine 4K-Blu-Ray von The Last Starfighter, die den Film in bestmöglicher Qualität wiedergibt. In Deutschland führt der Meilenstein der Computergrafik hingegen ein Schattendasein: Die bislang einzige digitale Veröffentlichung ist eine DVD von 2010, die längst vergriffen ist. Aber Fans wissen sich bekanntlich zu helfen.

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