42? Wie Computer drei wichtige Fragen über das Universum klären könnten​

Mit Künstlicher Intelligenz, Supercomputern und der Cloud entlocken Astronomen rasant wachsenden Datenmengen die größten Geheimnisse des Universums.​

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Galaxie

(Bild: Festa/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Tatyana Woodall
Inhaltsverzeichnis

Zunehmend setzen Observatorien Supercomputing, Cloud Computing und Deep Learning ein, um die wachsende Menge an Forschungsdaten in der Weltraumwissenschaft auszuwerten. Hier sind einige Beispiele dafür, wie diese Technologien die Art und Weise, wie Astronomen den Weltraum erforschen, verändern.

Als Postdoktorand in den USA begann der Astrophysiker Eliu Huerta darüber nachzudenken, wie Technologie zu weiteren Durchbrüchen in seinem Fachgebiet beitragen könnte. 2015 tat sich eine neue Möglichkeit dafür auf, als Forscher mit dem Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory (LIGO) zum ersten Mal Gravitationswellen entdeckten. Seitdem zeichnen Wissenschaftler diese schwer zu fassenden Wellen auf und versuchen, so viel wie möglich über sie zu erfahren. Sie haben sogar Dutzende weiterer Gravitationswellensignale entdeckt, und die Fortschritte in der Datenverarbeitung helfen ihnen dabei, mit den wachsenden Datenbergen Schritt zu halten.

Huerta selbst suchte zunächst nach Gravitationswellen, indem er die von Detektoren gesammelten Daten mit einem Katalog potenzieller Wellenformen abglich. Für diese mühsame Methode wollte er einen besseren Weg finden. Anfang dieses Jahres programmierte Huerta, der inzwischen als Computerwissenschaftler am Argonne National Laboratory in der Nähe von Chicago arbeitet, ein Künstliches-Intelligenz-Ensemble, das die LIGO-Daten eines ganzen Monats in nur sieben Minuten verarbeitet.

Seine Algorithmen, die auf speziellen, GPU genannten Prozessoren laufen, kombinieren Fortschritte in der künstlichen Intelligenz und im verteilten Rechnen. Mit Hilfe von separaten Computern oder Netzwerken, die als ein einziges System agieren, kann Huerta Orte mit hoher Gravitationsdichte wie schwarze Löcher identifizieren, die beim Verschmelzen Wellen erzeugen. Huertas Sammlung von KI-Modellen ist quelloffen, es kann sie also jeder nutzen. "Nicht alle haben Zugang zu einem Supercomputer", sagt der Forscher. "Das wird die Hürden für die Forscher senken, KI zu nutzen".

Trotz aller Fortschritte in der Astronomie ist die Integration von Cloud Computing in diesem Forschungsgebiet nur langsam vorangekommen. Das Vera C. Rubin-Observatorium, das derzeit in Chile gebaut wird, wird die erste astronomische Einrichtung ihrer Größe mit einer Cloud-basierten Dateneinrichtung sein. Wenn das Observatorium 2024 seinen Betrieb aufnimmt, werden die von seinem Teleskop erfassten Daten in das Projekt "Legacy Survey of Space and Time" (LSST) einfließen.

In Rahmen von LSST wird ein Katalog erstellt, der tausendmal größer ist als alle bisherigen Durchmusterungen des Nachthimmels. Frühere Suchen wurden fast immer heruntergeladen und lokal gespeichert, was es den Astronomen erschwerte, auf die Arbeit ihrer Kollegen zuzugreifen. "Wir erstellen eine Karte des gesamten Himmels", sagt Hsin-Fang Chiang vom Rubin-Datenverwaltungsteam. Dabei bauen die Wissenschaftler "einen riesigen Datensatz auf, der für viele verschiedene Arten von Wissenschaft in der Astronomie nützlich sein wird". Astronomin Chiang ist stolz darauf, dass ihre Arbeit die Kollaboration zwischen Forschenden verbessern wird.

Im Rahmen des auf zehn Jahre angelegten Projekts werden 500 Petabyte an Daten und Bildern in die Cloud eingespeist, um den Astronomen bei der Beantwortung von Fragen zur Struktur und Entwicklung des Universums zu helfen. "Für jede Position am Himmel werden wir mehr als 800 Bilder haben", sagt Chiang. "Man kann sogar sehen, was in der Vergangenheit passiert ist. Besonders bei Supernovas oder Dingen, die sich stark verändern, ist das sehr interessant."

Das Rubin-Observatorium wird jede Nacht 20 Terabyte an Daten verarbeiten und speichern, während es die Milchstraße und andere Gebiete kartiert. Astronomen, die an dem Projekt beteiligt sind, können diese Daten über einen Webbrowser abrufen und analysieren. Schließlich sollen die Bilder, die das Teleskop jede Nacht aufnimmt, zu einer Online-Datenbank von Sternen, Galaxien und anderen Himmelskörpern zusammengefügt werden.

Fortschritte in der Computertechnik könnten den Astronomen helfen, die kosmische Uhr gleichsam zurückzudrehen. Anfang dieses Jahres haben japanische Astronomen mit Hilfe des Supercomputers ATERUI II, der auf astronomische Simulationen spezialisiert ist, rekonstruiert, wie das Universum zu Beginn des Urknalls ausgesehen haben könnte.

ATERUI II hilft den Forschern bei der Untersuchung der kosmischen Inflation, jener Theorie, die besagt, dass sich das frühe Universum von einem Moment auf den anderen exponentiell ausdehnte. Die Astronomen sind sich einig, dass diese Ausdehnung extreme Schwankungen in der Materiedichte hinterlassen hätte, die sich sowohl auf die Verteilung der Galaxien als auch auf deren Entwicklung ausgewirkt hätten.

Durch den Vergleich von 4.000 Simulationen des frühen Universums – alle mit unterschiedlichen Dichteschwankungen – mit der Realität konnten die Wissenschaftler die Zeit zurückspulen und die Frage stellen, warum einige Orte im Universum voller kosmischer Aktivität sind, während andere quasi unfruchtbar sind.

Masato Shirasaki vom Nationalen Astronomischen Observatorium von Japan ist überzeugt, dass diese Frage ohne die Simulationen kaum zu beantworten wäre. Das Projekt erfordert eine riesigen Datenspeicher von etwa zehn Terabyte, was gut 22.000 TV-Episoden der Fantasy-Serie Game of Thrones entspricht.

Shirasakis Team erstellte ein Modell, wie sich das Universum vermutlich entwickelt hat, und wendete es auf jede Simulation an, um herauszufinden, welches Ergebnis dem heutigen Aussehen am nächsten kommt. Diese Methode erleichterte es, die Physik der kosmischen Inflation zu erforschen.

In den nächsten Jahren könnten Shirasakis Methoden dazu beitragen, die Beobachtungszeit zu verkürzen, die für künftige Projekte wie SPHEREx benötigt wird. SPHEREx ist eine für 2024 geplante zweijährige Mission mit einer Raumsonde, die die Erde umkreist und fast 300 Millionen Galaxien am Himmel betrachtet. Mit diesen Fortschritten in der Datenverarbeitung wird unser Verständnis des Universums Stück für Stück erweitert.

(vsz)