Afrikas Grünstreifen

Seite 2: Wüstenbildung Einhalt gebieten

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Die Sahara sei vielmehr ein gesundes und wertvolles Ökosystem. Außerdem sei nicht ihr Sand die Ursache für die Wüstenbildung in der Sahelzone, verantwortlich seien vielmehr geringer Niederschlag, eine hohe Bevölkerungsdichte und unausgewogene Landwirtschaft. "Ein Gürtel von Bäumen kann Wüstenbildung nicht stoppen, besonders in einem Gebiet mit weniger als 400 Millimetern Niederschlag pro Jahr", sagt auch Reij. "Die durchschnittliche Überlebenschance eines jungen Baums in der Sahelzone liegt nur um die 20 Prozent."

Es war aber noch eine zweite Lektion zu lernen: Denn solch ein Plan funktioniert nur, wenn man die Menschen mit einbezieht sowie Rücksicht auf ihren Lebensstil und ihre Einkünfte nimmt. "Die grüne Mauer hätte durch zahlreiche Gegenden führen sollen, in der Landwirtschaft stark entwickelt und in vollem Gange ist", sagt Peter Fabricius, ein Analyst der Denkfabrik "Institute for Security Studies" (ISS) im südafrikanischen Pretoria.

Für den Agrarexperten Reij geht es daher weniger darum, massenhaft Bäume zu pflanzen, als vielmehr viele kleine, in den Dorfgemeinschaften verwurzelte Projekte zu unterstützen und existierende Baumbestände zu erhalten. Er selbst hatte ein Schlüsselerlebnis, als er 2004 mit seinem Kollegen Gray Tappan von U.S. Geological Survey in die Maradi-Region des Niger reiste. Weitgehend unbemerkt vom Westen hatten die Farmer dort Abertausende Hektar mit jungen Bäumen bestückt. In ihrer Studie berichten Reij und Tappan, "dass die Kleinbauern in diesem dicht besiedelten Teil des Nigers Baumsprösslinge, die spontan auf ihrem Farmland wuchsen, aufzogen und kultivierten."

Über eine Periode von 20 Jahren hatten sie Reij zufolge dem Land rund 200 Millionen neue Bäume hinzugefügt – "ohne einen einzigen selbst zu pflanzen". Die Bodenqualität stieg, die Ernten erhöhten sich. "Die Kleinbauern haben keine 'große grüne Mauer' geschaffen, sondern etwas Besseres: eine 'große grüne Landschaft'", sagt Reij und bekräftigt, dass nur so der Wüstenbildung Einhalt geboten werden könne. Das sieht Fabricius ähnlich: "Dabei geht der Idee der 'großen grünen Mauer' vielleicht ein wenig die ursprüngliche Romantik verloren, aber die Relevanz des Konzepts hat sich erhöht."

Mittlerweile hat die Afrikanische Union ihr Programm angepasst. Offiziell heißt es zwar immer noch "Great Green Wall". Aber die Verantwortlichen sprechen mittlerweile lieber von einem Mosaik als von einer Mauer. Außerdem geht die Initiative nun über die Sahelzone hinaus, insgesamt 21 afrikanische Staaten beteiligen sich. Die bisherigen Erfolge geben ihnen recht: Laut Projektkoordinator Tangem sind 15 Prozent der ursprünglich geplanten Bäume gepflanzt, etwa im Senegal und in Burkina Faso. Der Senegal habe zwölf Millionen Bäume auf einer Länge von 150 Kilometern und einer Fläche von 40.000 Hektar gepflanzt – vor allem einheimische Arten, die keine Bewässerung brauchen.

"Viele Tierarten, die verschwunden waren, kehren zurück – Antilopen, Hasen und seltene Vögel", sagt Tangem. Auch die Menschen profitieren: Aus den angepflanzten Akazien können sie die Substanz Arabicum gewinnen, die in Arznei und Süßgetränken verarbeitet wird. Insgesamt gibt es rund 30 derartige Projekte in mehr als 20 Partnerländern. Dazu gehören Initiativen für Öko-Tourismus in Mali, gegen Erosion in Nigeria oder für nachhaltige Wasserwirtschaft an den Ufern des Blauen Nils im Sudan. Die grüne Mauer mag als aberwitzige Idee eines gigantischen Baumkorridors begonnen haben. Inzwischen ist sie weit mehr: ein Mosaik aus nachhaltigen Umweltinitiativen südlich der Sahara. (bsc)