Cynora: Warum der deutsche OLED-Pionier dicht macht

Weltweit führende OLED-Entwicklung bei einem deutschen Start-up, davon träumten alle. Die Realität sah dann doch anders aus. Eine Analyse des Cynora-Endes.

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(Bild: Samsung)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Bei Cynora, dem OLED-Pionier aus Bruchsal, gehen die Lichter aus. Gegenüber der regionalen Tageszeitung Badische Neueste Nachrichten hat Firmengründer Michael Bächle die Entlassung sämtlicher Mitarbeiter inzwischen bestätigt. Verkauft wurde nicht das Bruchsaler Unternehmen, sondern dessen Patente zur OLED-Technik. Davon hatte Cynora in den vergangenen Jahren rund 700 Stück gesammelt.

Die noch junge Firma 20 Kilometer nördlich von Karlsruhe trat 2016 an, den OLED-Markt zu revolutionieren. Sie wollte die interne Energieeffizienz von organischen Leuchtstoffen von 25 Prozent auf stolze 100 Prozent erhöhen. Dies sollte mit speziellen phosphoreszierender Emittern (PHOLEDs) gelingen, mit der die elektrische Energie in der organischen Schicht komplett in lichtemittierende Teilchen umgewandelt werden sollte.

An dem Prinzip der sogenannten thermisch aktivierten verzögerten Fluoreszenz, kurz TADF, wird seit Jahren weltweit geforscht. TADF soll die hohe Effizienz von Phosphoreszenz mit der langen Lebensdauer von Fluoreszenz kombinieren. Im Zentrum der Entwicklung stand dabei die blaue Leuchtschicht. Sie ist der kritische Bestandteil von OLEDs, denn die Effizienz der blauen Schicht ist besonders mau und ihre Lebensdauer begrenzt.

Mehr zur TADF-Technik von Cynora im c't-Artikel Blaue Wucht: Stromsparende und höher auflösende OLEDs dank TADF.

Lichterzeugung im OLED

Die Lichterzeugung im OLED läuft folgendermaßen ab: Bei der Elektronen-Loch-Rekombination im Emissionslayer werden angeregte Singulett- und Triplett-Zustände gebildet, und zwar im Verhältnis 1:3. Rein fluoreszierende OLED-Emitter verwenden ausschließlich die Singulett-Excitonen, wodurch alle Tripletts und damit drei Viertel der Excitonen bei der Lichterzeugung verloren gehen – die interne Quanteneffizienz (IQE) beträgt nur 25 Prozent.

In PHOLEDs sorgen seltene Metalle dafür, dass durch spezielle Wechselwirkungen sowohl Singuletts als auch spinsymmetrische Triplett-Zustände und damit 100 Prozent aller Excitonen zur Lichterzeugung genutzt werden können. Bei TADF rücken die Singulett- und Triplett-Zustände durch ein spezielles Moleküldesign näher aneinander. Hierdurch können die Tripletts per Wärmezufuhr – sie liegt im Bereich der Umgebungstemperatur – in den Singulett-Zustand überführt werden und so 100 Prozent der Excitonen zur Lichterzeugung beitragen.

Im Jahr 2008 gründeten Mitarbeiter des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) Cynora. Zunächst erhielt das Start-up KfW-Förderung und finanzielle Unterstützung von der Münchener MIG Capital und der Schweizer Early Stage Venture Wecken & Cie. Im Jahr 2017 investierten dann auch die beiden großen OLED-Hersteller Samsung und LG Display 25 Millionen Euro in die Bruchsaler Firma.

Das verlieh Cynora weltweite Beachtung und spielte neue Fördergelder ein. So konnte das Unternehmen weiter forschen und im Oktober 2019 für mehrere Millionen Euro einen neuen Reinraum installieren. Im Mai 2019 wechselte die Führungsspitze: Adam Kablanian trat als CEO an, CTO wurde ein Jahr später Dr. Jan Richter.

2019 konnte Cynora einen neuen Reinraum in Betrieb nehmen.

(Bild: Cynora)

Im Januar 2021 kündigt Cynora das branchenweit erste Test-Kit für tiefgrüne Emitter mit TADF-Technik für OLED-Displays an. Allerdings hatte das Unternehmen noch Ende 2018 versprochen, dass es tiefblaue OLED-Emitter entwickeln werde. Damit verfehlte das Unternehmen sein selbst gesetzte Ziel. Stattdessen sprach man nun vom „Helligkeits-Booster” für OLEDs der nächsten Generation.

Das erste Entwicklungskit für TADF-Emitter leuchtet tiefgrün statt blau.

(Bild: Cynora)

Die grünen OLED-Schichten sind jedoch nicht das eigentliche Problem, ihre Effizienz und Lebensdauer sind bereits jetzt akzeptabel. Samsung nutzt beispielsweise in seinen brandneuen QD-OLED-Panels zusätzlich zur blauen Leuchtschicht einen grünen OLED-Stack, um ausreichend Displayhelligkeit zu erzielen. Allein mit den blauen OLED-Schichten im QD-OLED, deren Licht per Quantenpunkte in grünes und rotes Licht gewandelt wird, ließ sich die versprochene hohe Leuchtdichte offenbar nicht realisieren.

Weil die Lichteffizienz der blau leuchtenden Schichten so gering ist, müssen die blauen Subpixel im OLED-Display deutlich größer sein als die roten und grünen. Mit effizienteren Emittern ließe sich die Pixeldichte erhöhen und die Leistungsaufnahme von Mobilgeräten verbessern. Für faltbare Displays sind die effizienteren OLEDs deshalb besonders interessant, weil dann der Akku kleiner dimensioniert werden könnte, die Geräte also dünner wären.

Weil die blaue Leuchtschicht den elektrischen Strom weniger effizient in Licht umwandelt, sind die blauen Subpixel größer als die roten und grünen Subpixel.

(Bild: c't)

Für Displayhersteller wie Samsung und LG dürften zwar Cynoras Patente interessant sein, das Unternehmen mit seinen 120 Leuten aber nicht. So stand Cynora laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seit 2021 zum Verkauf; was auch unsere Quellen bestätigten. Offenbar waren die Geldreserven aufgebraucht und die Technik noch nicht so weit gediehen, dass man mit ihr Umsätze erzielen oder neue Investitionen reinholen konnte. Die im Januar angekündigten Testkits für energieeffizientn grüne TADF-Emitter konnten es nicht reißen.

Ursprüngliches ZIel der Entwicklungen bei Cynora war ein tiefblauer Emitter. Dies hat das Bruchsaler Startup nicht ereicht.

(Bild: Cynora)

Die in einigen Medien genannten 300 Millionen US-Dollar für das Patentportfolio halten Experten allerdings für entschieden zu hoch gegriffen. Samsung ist über seine Venture Investment Corporation mit 10 Millionen beteiligt, LG Displays mit 15 Millionen; beide sind also bereits involviert. Dass eines der Unternehmen nun die zigfache Summe auf den Tisch legt, obwohl Cynora den versprochenen tiefblauen Emitter nicht ansatzweise Richtung Produktionsreife schieben konnte, scheint sehr unwahrscheinlich.

Experten halten es dagegen für realistisch, dass sich beispielsweise Samsung die Patente sichert, um sie vor Konkurrenten wie UDC zu schützen. Zumal Samsungs Displaysparte nach dem Verkauf beziehungsweise der Umwandlung sämtlicher LCD-Fabriken inzwischen komplett auf die OLED-Technik setzt. Man weiß ja nie: Vielleicht wird irgendwann doch noch mal etwas aus TADF.

(uk)