Aufruhr im zweiten Leben

Nutzer der virtuellen 3D-Welt Second Life protestieren lautstark gegen die zunehmenden technischen Probleme. Schuld ist offenbar der große Erfolg – und die schlechte Planung beim Betreiber Linden Lab.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Wade Roush
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Die Chefs von Second Life, der komplexen, boomenden und in den Medien vielfach gehypeten virtuellen 3D-Welt im Internet, haben seit mehreren Wochen ein PR-Problem: Das System wird von diversen technischen Störungen geplagt, und die Nutzer beschweren sich inzwischen mit starker Stimme.

Das Hauptproblem: Die virtuelle Welt wächst so schnell, dass die Ressourcen des Betreibers Linden Lab nicht mehr mithalten können – die Entwickler schaffen es nicht mehr, alte Fehler in der Software zu beheben und gleichzeitig neue Versionen herauszubringen. Bei einem virtuellen Nutzertreffen in Second Life versuchte die Firma deshalb nun, die Nutzer zu beruhigen und um Geduld zu bitten.

"Wir arbeiten daran, die Bugs zu beheben und schrittweise Verbesserungen einzuführen", sagte Technologiechef Cory Ondrejka. Seit 2003 bietet Linden Lab aus San Francisco den Dienst schon an – der beispiellose Hype um Second Life ist aber keine zwei Jahre alt. In einem offenen Brief hatten die Mitglieder zuvor ihrer Wut Luft gemacht.

Linden Lab hat offenbar das Problem, die alte Version vernünftig weiter zu betreiben, während man an Second Life 2.0 werkelt: "Wir arbeiten tatsächlich an den Grundlagen einer Architektur der nächsten Generation, die uns die Skalierung erheblich erleichtern wird", so Ondrejka.

30.000 Nutzer tummeln sich inzwischen zeitgleich in Second Life – Vertreter Dutzender großer Firmen, die sich Werbeerfolge erhoffen, inklusive. Doch je mehr neue Mitglieder ihr virtuelles Land erwerben, sich Häuser für ihre Avatare einrichten oder an Geschäften in der 3D-Welt teilnehmen, desto stärker hakt es im Second-Life-Server-Grid. Laut Ondrejka platziert man inzwischen mehr als 120 neue Server pro Woche.

Die Nutzer glauben hingegen nicht daran, dass das schon ausreicht. Beschwerden über Beschwerden finden sich in Second-Life-Foren und Blogs. Second-Life-Veteranen beschweren sich über ständige Verlangsamungen und Zusammenbrüche, verlorene Gegenstände, nicht ausgelieferte Botschaften, fehlerhafte Suchfunktionen und abgebrochene Einkäufe – bei gleichzeitig immer schlechterem Kundensupport durch Linden Lab.

Die Unzufriedenheit gipfelte im besagten offenen Brief, der Ende April Linden Lab dazu aufforderte, erst einmal alle Fehler zu bereinigen, bevor neue große Funktion wie der lange angekündigte Sprachchat eingeführt werden. Mehr als 3000 Second Life-Nutzer haben den Brief inzwischen unterschrieben.

"Die Leute haben das Gefühl, von Linden Lab allein gelassen zu werden. Immerhin zahlen sie ziemlich viel Geld für ein Produkt, das manchmal keineswegs akzeptabel ist. Gleichzeitig kommuniziert die Firma einfach nicht mehr mit ihren Kunden", schreibt etwa ein Unterzeichner aus Großbritannien, der als IT-Manager arbeitet und regelmäßiger Nutzer ist.

Technikchef Ondrejka verbrachte denn auch die meiste Zeit des einstündigen virtuellen Krisentreffens damit, die Fragen der Second-Life-Bewohner nach den Wurzeln der Probleme zu beantworten und zu erläutern, wie sein Programmierteam sie beheben will. Wie der Technikchef beschrieb, gibt es die meisten Probleme mit bislang unbekannten Fehlern in der letzten Version der Simulation und ihrer Viewer-Software, die sich die Kunden auf ihre Rechner laden. "Diese Bugs beheben wir schnell", meint Ondrejka. Doch die Firma hat noch ein größeres Problem: Die gesamte Software-Architektur war offenkundig nicht dafür vorgesehen, so viele Nutzer und Transaktionen zu unterstützen.