Aus Pulvern werden Nanofäden

Forscher an der University of Texas wollen die Handhabung wichtiger Ausgangsstoffe für High-Tech-Produkte künftig deutlich erleichtern.

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Forscher an der University of Texas wollen die Handhabung wichtiger Ausgangsstoffe für High-Tech-Produkte künftig deutlich erleichtern.

Egal ob Batterie-Elektroden, supraleitende Kabel oder Katalysatoren für Brennstoffzellen – viele wichtige Technologien basieren auf pulverförmigen Materialien. Diese sind jedoch meist sehr schwierig in der Handhabung. Wissenschaftler der University of Texas haben deshalb nun erstmals Kohlenstoff-Nanoröhrchen verwendet, um aus Pulvern Fäden zu spinnen.

"Pulver sind sehr wichtige funktionelle Materialien, da sie über eine große Oberfläche verfügen", sagt Ray Baughman, der das McDiarmid-Institut für Nanotechnologie der University of Texas in Dallas leitet. In Lithium-Ionen-Batterien beispielsweise nutze man diese Eigenschaft aus, um die Speicherkapazität der Akkus zu vergrößern. "Das Problem ist, dass Pulver ohne eine äußere Form sehr schwer zu verwenden sind", sagt Baughman. Typischerweise werden pulverförmige Materialien deshalb über Bindemittel zusammengehalten, die aber zusätzliches Gewicht und Volumen mit sich bringen. Oder sie werden in einem aufwendigen und komplizierten Prozess gesintert.

Das könnte schon bald nicht mehr nötig sein. Denn laut Baughmann kann die von ihm und seiner Arbeitsgruppe entwickelte Technik auf ein breites Spektrum von Materialien angewandt werden. "Aus beinahe jeder Art von Pulver kann man ein Garn machen, mit dem man Nähen, Stricken oder Flechten kann, sagt Baughman.

Die Wissenschaftler haben ihre Methode jetzt in der Fachzeitschrift "Science" vorgestellt: Zunächst ließen sie aus der Dampfphase eine Art Wald von Nanoröhrchen auf einem Substrat wachsen. Dann zogen sie diesen Wald mit einer Rolle von der Unterlage ab. Dabei erhielten die Forscher ein längliches, elastisches Band ans Kohlenstoff-Nanoröhrchen.

Das Produktionsverfahren für diese Art Nanoröhrchen-Folie hatten der US-Chemiker und seine Kollegen bereits 2005 durch Zufall entdeckt: Sie nahmen einen Post-it-Notizzettel und strichen mit dem klebrig beschichteten Ende über den Rand eines Nanotube-Waldes. Einige Röhrchen blieben hängen und zogen durch Berührung benachbarte mit sich, mit denen sie auch ohne Bindemittel verklebten. Dabei bildete sich eine transparente Folie aus.

Mit dem patentierten Verfahren konnten die Wissenschaftler nicht nur Garn aus Nanoröhrchen spinnen. Aus aufeinandergestapelten Folien erhält man zudem ein ungemein reißfestes Material, das es mit Mylar und Kevlar – bekannt aus schusssicheren Westen – aufnehmen kann und dünne Stahl- und Aluminiumbleche gar übertrifft. 2009 konnten Baughman und Kollegen dann zeigen, dass sich das Material auch als künstlicher Muskel einsetzen lässt: Setzt man Fäden aus diesem Material unter elektrische Spannung, verkürzen sich die Fasern, weil sich die Röhrchen gegenseitig abstoßen.

Jetzt kamen die Wissenschaftler auf die Idee, das vielseitige Material mit Pulver zu besprühen. Das Pulver lagert sich fest zwischen den Wänden der Nanoröhrchen ein – selbst in einer Waschmaschine blieb das zu Testen eingebrachte Titandioxid fest darin haften. Dabei kann die präparierte Folie enorm viel Material aufnehmen: Bis zu 99 Prozent des Gewichts gehen auf Kosten des Pulvers. Dreht man die Folie an beiden Enden auf, erhält man ein Garn, das sich problemlos weiter verarbeiten lässt.

Um die Leistungsfähigkeit ihres Verfahrens zu demonstrieren, produzierten die Wissenschaftler ein Gewebe, das überwiegend Lithiumeisenphosphat enthält. Das Material kann als leistungsfähige Elektrode in Lithium-Ionen-Akkus eingesetzt werden. Beeindruckend ist auch eine Folie, die die Wissenschaftler während des Spinnens mit Bor und Magnesium-Partikeln beluden. Danach heizten sie das Garn für 30 Minuten auf 750 Grad Celsius auf, damit sich Magnesiumborid bilden konnte. Die anschließenden Leitfähigkeitsmessungen ergaben, dass der Faden, heruntergekühlt auf 39 Kelvin, tatsächlich supraleitend wurde, also jeden elektrischen Widerstand verlor.

Jetzt wollen die Forscher das Verfahren optimieren. Dazu experimentieren sie nicht nur mit verschiedenen Materialen, sondern auch mit unterschiedlichen Techniken, um das Pulver auf die Folie zu bringen. Auch an eine Kommerzialisierung der Folien ist bereits gedacht: Baughmans Arbeitsgruppe arbeitet unter anderem mit den Chemie-Unternehmen Lintech und Nanocomp zusammen. (wst)