Außerirdisch praktisch

Mit der neuen Technik will die Nasa Minifabriken im All aufbauen. Astronauten könnten sich drucken, was ihnen im Alltag auf einer Raumstation fehlt.

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Von
  • Alexander Stirn

Das Leben als Astronaut kann frustrierend sein. Zum Beispiel, wenn man dringend einen Zwölfer-Maulschlüssel braucht – und einer der Kollegen das letzte Exemplar an Bord in eine dunkle Ecke hat entschweben lassen. Auf der Internationalen Raumstation ISS soll in solchen Fällen künftig niemand mehr auf die nächste Lieferung von der Erde warten müssen: Astronauten haben dort erstmals Werkzeuge im All gedruckt.

"Das war ein wirklich historischer Augenblick", sagt Niki Werkheiser, Projektleiterin für den 3D-Druck bei der US-Weltraumbehörde Nasa. "Seit Anbeginn der bemannten Raumfahrt mussten wir jedes benötigte Teil aufwendig ins All bringen. Manchmal vergingen Jahre, bis passende Transportmöglichkeiten verfügbar waren. Für Missionen in die Tiefen des Alls sind Nachlieferungen erst gar keine Option. "Können wir nun Druckdateien so schnell zum Raumschiff senden wie eine E-Mail, eröffnet das unbegrenzte Möglichkeiten – von kleinen Satellitenkomponenten bis hin zu kompletten Experimenten", sagt Werkheiser.

Dreizehn verschiedene Teile hat der ISS-Drucker während seiner Testphase ausgespuckt. Sie dienten hauptsächlich der Kalibrierung und sollten zeigen, wie stabil, steif und filigran gedruckte Objekte in der Schwerelosigkeit werden können. In irdischen 3D-Druckern werden die winzigen Plastiktröpfchen, aus denen sich die Objekte Schicht für Schicht zusammensetzen, in der Regel von der Gravitation an Ort und Stelle gehalten.

Im All muss die Oberflächenspannung diese Aufgabe übernehmen. Zudem dürfen die Tröpfchen zum Schutz der Astronauten weder herumschweben noch ausgasen. Unter den Druckobjekten waren auch Modelle gebräuchlicher Werkzeuge – allen voran ein gut elf Zentimeter langer Ratschenschlüssel. Innerhalb einer Woche sei er entworfen, von den Sicherheitsgremien der Nasa abgesegnet und dann zum ISS-Drucker übertragen worden, erzählt Werkheiser. Das Gerät war dann vier Stunden lang zugange.

Benutzen durfte die Crew den Ratschenschlüssel allerdings nicht. Wie alle Ausdrucke befindet auch er sich inzwischen auf der Erde – zum intensiven Studium. Ingenieure wollen wissen, wie sich die geschmolzenen Plastiktröpfchen in der Schwerelosigkeit miteinander zu Objektschichten verbinden.

Die Europäische Raumfahrtagentur Esa hat noch ehrgeizigere Pläne: Sie erwägt, Behausungen einer angedachten Mondbasis aus Staub zu drucken. In einem ersten Versuch verklumpten die Esa-Ingenieure vulkanischen Basalt, der Mondstaub zu 99,8 Prozent ähnelt, mithilfe einer flüssigen Tinte zu einem 1,5 Tonnen schweren Baustein. Ein komplettes Gebäude soll künftig in einer Woche entstehen.

Die texanische Systems and Materials Research Corporation (SMRC) arbeitet, gemeinsam mit der Nasa, an einem Drucker, der Pizza und andere Lebensmittel in der Schwerelosigkeit herstellen soll: Das heutige Weltraumessen, hauptsächlich gefriergetrocknete Gerichte, verdirbt nach einigen Jahren – zu schnell für ausgedehnte Reisen in die Tiefen des Alls.

SMRC verwandelt die grundlegenden Bestandteile des Essens (Kohlenhydrate, Proteine, Geschmacksstoffe) hingegen in langlebiges Pulver, das von einem Drucker den Vorlieben der Crew entsprechend angerührt und auf einer heißen Platte Schicht für Schicht angerichtet werden soll.

Bis zur ersten Weltraummahlzeit aus dem Drucker werden aber wohl noch einige Jahre vergehen. Die Wünsche der Raumfahrer sehen ohnehin etwas anders aus. Gefragt, welches Werkzeug nach Abschluss der Druckertests am dringendsten für die ISS-Crew produziert werden sollte, antwortete Astronaut Barry Wilmore: ein Rückenkratzer. Die Pläne sind umgehend zur ISS übertragen worden.

Ob er tatsächlich gefertigt wurde, verrät die Nasa nicht. Wilmore jedenfalls könnte ihn sich mittlerweile wieder im Supermarkt kaufen: Er ist zurück auf der Erde. (bsc)