Big Data für alle

Eine von der DARPA für das US-Militär entwickelte Software könnte bald auch kleineren Unternehmen helfen, die Datenspuren ihrer Kunden so genau zu analysieren, wie es bislang nur Google oder Facebook können.

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Von
  • Lauren Cox

Eine von der DARPA für das US-Militär entwickelte Software könnte bald auch kleineren Unternehmen helfen, die Datenspuren ihrer Kunden so genau zu analysieren, wie es bislang nur Google oder Facebook können.

Für Facebook oder den Videodienst Netflix sind unsere Datenspuren eine wahre Fundgrube: Ausgeklügelte Algorithmen werten jeden Klick aus und spucken Personen oder Filme aus, die die Online-Dienste ihren Nutzern vorschlagen könnten. Bislang können sich aber nur große Unternehmen die Technologie hierfür leisten. Doch nun drängen neue Softwarewerkzeuge auf den Markt, die auch kleineren Firmen den Datenschatz ihrer Kunden zugänglich machen können. Sie ergänzen herkömmliche CRM-Systeme zur Kundenverwaltung um Verfahren, die Twitter-Nachrichten, Online-Foren und andere Schritte im Web auswerten.

Eine der Entwicklerschmieden, die „Big Data“ für alle nutzbar machen wollen, ist das Start-up Proximal Labs. Die Spezialisten um Gründer David Gutelius haben in verschiedenen von der DARPA – der Forschungsagentur des US-Verteidigungsministeriums – finanzierten Projekten Verfahren des Maschinenlernens weiterentwickelt, um Online-Inhalte zu analysieren. Als Testmaterial wurden unter anderem Intranet-Dokumente der US-Armee ausgewertet.

Der Ansatz von Gutelius und seinen Kollegen unterscheidet zwischen „expliziten“ und „impliziten“ Signalen: Während erstere die Bedeutung von Daten – beispielsweise anhand von Meinungen von Nutzern – darstellen, enthalten letztere Messungen, wie oft etwa eine Person in Online-Gesprächen erwähnt wird. Je mehr das Programm daraus über die Armee lernte, desto präziser wurden die Empfehlungen, die es abgab.

So habe zur Überraschung aller Beteiligten die Software an der Militärakademie in West Point einen Soldaten als Experten für Unkonventionelle Sprengvorrichtungen identifiziert, der zuvor kaum mit diesen gearbeitet zu haben schien, nennt Gutelius ein Beispiel. Als Unkonventionelle Sprengvorrichtungen (USBV) werden Sprengladungen bezeichnet, die in Alltagsgegenständen versteckt werden. In den Intranet-Dokumenten hatte das System entdeckt, dass US-Soldaten im Irak den als „Neal“ bezeichneten Mann für ziemlich kompetent hielten. Sein Talent war bis dahin höheren Diensträngen noch nicht aufgefallen.

Gutelius will das Verfahren nun für Unternehmen fruchtbar machen. So wie Google Anzeigen von diversen Autoherstellern einblendet, wenn man „Cabrio“ in einer Suchabfrage eingibt, könnte die Software von Proximal Labs etwa den am besten geeigneten Angestellten zur Beantwortung einer Kundenanfrage vorschlagen. Ebenso könnte sie anzeigen, dass ein Unternehmen Stammkunden nur bestimmte neue Produkte vorstellt. Angesichts dieser Aussichten hat Jive Software, ein Hersteller von Groupware, Proximal Labs im April übernommen. Die Technologie soll bis Juni in die Produkte von Jive Software integriert werden.

Noch vor einigen Jahren wäre es für kleinere und mittlere Unternehmen undenkbar gewesen, solch ein Analysesoftware anzuschaffen: Die nötige Rechenleistung konnten da nur Großunternehmen wie Google oder Yahoo stemmen. Vor allem das in den letzten Jahren entwickelte Open-Source-System „Apache Hadoop“ ermöglicht Start-ups wie Proximal Labs, mit Analyse-Software nun einen großen Markt anzugehen. Mit Hadoop lassen sich rechenintensive Prozesse auf einen Cluster von Computern verteilen und große Datenmengen auch ohne Superrechner bewältigen.

Auch die Konkurrenten von Jive Software haben zuletzt Entwickler von neuen Analyse-Programmen eingekauft. Kana, eine Hersteller von Kundenservice-Software, erwarb im April Overtone, das sich der Auswertung sozialer Netzdienste verschrieben hat. Einen Monat zuvor hatte bereits Salesforce.com eine ähnliche Firma, Radian6, übernommen.

Daten aus sozialen Medien machen allerdings nur einen kleinen Teil der digitalen Spuren aus, die für Unternehmen interessant sind. Emails oder Informationen aus Kundenmanagement-Systemen zu analysieren lohne sich ebenfalls, sagt Brian Roddy, Cheftechniker von Jive Software. „Dann können alle von ‚Big Data’ profitieren.“ (nbo)