Bodyoids: Zukunft der Organtransplantation und ihre ethischen Herausforderungen
Wenn Menschen Transplantate benötigen, wird es oft schwierig. Könnten neuartige Methoden zur Organgewinnung helfen – und wenn ja, wie ethisch sind sie?

(Bild: Marko Aliaksandr/Shutterstock.com)
Kürzlich veröffentlichte die US-Ausgabe von MIT Technology Review ein Essay über sogenannte Bodyoids – lebende Körper, die weder denken noch Schmerz empfinden können. In dem Beitrag argumentiert ein Trio von Wissenschaftlern, dass Fortschritte in der Biotechnologie es uns bald ermöglichen könnten, menschliche Ersatzkörper zu schaffen, die sowohl für die Forschung als auch für Spenderorgane verwendet werden könnten.
"Bodyoids": Eine gruselige Idee
Wenn Sie an dieser Stelle eine Gänsehaut bekommen, sind Sie nicht allein. Es ist eine durchaus gruselige Idee, die direkt aus der Horror-Science-Fiction-Ecke stammen könnte. Auch die drei Forscher sind sich dessen bewusst, glauben aber dennoch, dass der Einsatz von Bodyoids "die ethischen Grenzen der meisten Menschen nicht überschreiten" würde. Das ist eine streitbare Meinung. Wie dem auch sei, es besteht kein Zweifel, dass neueste Entwicklungen aus Wissenschaft und Biotechnologie uns der potenziellen Realität solcher Ersatzteilkörper näher bringen. Und die Idee hat bereits erste ethische Debatten und Kontroversen ausgelöst.
Eines der Hauptargumente für Bodyoids ist, dass sie, wie bereits erwähnt, passende menschliche Organe liefern könnten. Es herrscht ein enormer Mangel an Transplantationsmaterial. In den USA allein warten mehr als 100.000 Menschen darauf – und jeden Tag sterben 17 Menschen auf der Warteliste. Derzeit arbeiten Forscher auch noch an anderen möglichen Lösungen für das Problem. Ein Ansatz ist die Verwendung gentechnisch veränderter Tierorgane, die sogenannte Xenotransplantation. Diese halten sich normalerweise nicht lange im menschlichen Körper – unser Immunsystem stößt sie als "fremd" ab. Einige Unternehmen züchten jedoch bereits Schweine mit einer Reihe von Genveränderungen, die ihre Organe für den menschlichen Körper akzeptabler machen.
Wie weit die Transplantation von Tierorganen ist
Eine Handvoll echter Menschen hat bereits genmanipulierte Schweineorgane erhalten. David Bennett Sr. war der erste Mensch, der 2022 ein genmanipuliertes Schweineherz erhielt, und Richard Slayman war der erste, der Anfang 2024 eine Niere bekam. Leider starben beide Männer etwa zwei Monate nach ihrer Operation. Towana Looney, die dritte lebende Person, die eine gentechnisch veränderte Schweineniere erhalten hat, geht es dagegen gut. Sie wurde Ende November des vergangenen Jahres operiert. "Ich bin voller Energie. Ich habe einen Appetit, den ich seit acht Jahren nicht mehr hatte", sagte sie damals. "Ich kann meine Hand auf diese Niere legen und spüren, wie sie brummt." Im Februar kehrte sie aus der Klinik nach Hause zurück.
Zumindest ein Unternehmen verfolgt einen Ansatz, der bereits der Bodyoids-Vision folgt. Renewal Bio, ein Biotech-Unternehmen mit Sitz in Israel, hofft, "embryonale Versionen von Menschen" für Ersatzorgane züchten zu können. Die Idee basiert auf den Fortschritten in der Entwicklung sogenannter synthetischer Embryonen. Schon allein der Begriff ist in der Forschung umstritten. Embryonen entstehen aus der Vereinigung einer Eizelle und einer Samenzelle. Aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten seit Langem an Möglichkeiten, diese stattdessen mithilfe von Stammzellen zu erzeugen. Unter den richtigen Bedingungen können sich diese Zellen in Strukturen teilen, die einem typischen Embryo sehr ähnlich sehen.
Noch weiß man nicht, ob sich diese embryoähnlichen Strukturen wie gewünscht weiterentwickeln. Aber sie werden bereits verwendet, um zu versuchen, Affen und Kühe damit schwanger werden zu lassen. Das Thema synthetische menschliche Embryonen ist noch nicht auf der Agenda. Momentan ist es in den USA so, dass natürliche Embryonen höchstens 14 Tage lang im Labor gezüchtet werden dürfen. Sollte das Gleiche für künstliche gelten?
Wann ein Embryo ein Embryo ist
Die Existenz synthetischer Embryonen stellt unser Verständnis davon, was ein menschlicher Embryo überhaupt ist, infrage. "Handelt es sich dabei um etwas, das nur durch die Verschmelzung von Spermien und Eizellen entsteht?", fragte Naomi Moris, Entwicklungsbiologin am Crick Institute in London bereits vor einigen Jahren. "Hat es etwas mit den Zelltypen zu tun, die es besitzt, oder mit der [Form] der Struktur?"
Die Autoren des Bodyoids-Essays weisen weiterhin darauf hin, dass diese auch dazu beitragen könnten, die wissenschaftliche und medizinische Forschung zu beschleunigen. Gegenwärtig müssen die meisten Arzneimittelforschungen an Labortieren durchgeführt werden, bevor klinische Versuche beginnen können. Aber Tiere reagieren möglicherweise nicht auf die gleiche Weise wie Menschen, und die Mehrzahl der Behandlungen, die bei Mäusen sehr vielversprechend aussehen, schlagen beim Menschen fehl. Eine solche Forschung fühlt sich wie eine Verschwendung von Tierleben – und Zeit – an.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten auch an Lösungen für dieses Problem. Dazu gehört der Ansatz "Organ on a Chip", winzige Zellansammlungen auf einem kleinen Stück Polymer, die Organen in Originalgröße ähneln und zum Testen der Wirkung von Medikamenten verwendet werden können. Andere Forscher schaffen für den gleichen Zweck digitale Abbilder menschlicher Organe. Solche digitalen Zwillinge lassen sich umfassend modellieren und können möglicherweise für klinische Versuche "in silico" verwendet werden.
Biotechnologie schreitet voran
Solche Ansätze erscheinen auf den ersten Blick ethischer als die Durchführung von Experimenten an einem menschlichen Körper, der ohne die Fähigkeit zu denken oder Schmerzen zu empfinden geschaffen wurde. Manch einer mag dabei sogar an den Roman "Tender Is the Flesh" von Agustina Bazterrica denken, in dem Menschen für den Verzehr gezüchtet werden. In dem Buch werden ihnen die Stimmbänder entfernt, damit die anderen sie nicht schreien hören müssen. Das ist echter Grusel.
Wenn es um die Biotechnologie in der realen Welt geht, verschiebt sich jedoch unser Gefühl dafür, was "akzeptabel" ist. Die In-vitro-Fertilisation (IVF) wurde beispielsweise anfangs verteufelt, als sie zum ersten Mal entwickelt wurde. Ihre Gegnerinnen und Gegner behaupteten, sie sei "unnatürlich", eine "gefährliche Beleidigung" oder "die größte Gefahr seit der Atombombe".
Es wird geschätzt, dass inzwischen mehr als zwölf Millionen Menschen durch IVF geboren wurden. Louise Brown kam vor 46 Jahren als das erste "Retortenbaby" zur Welt. Man fragt sich, wie man wohl in 46 Jahren über Bodyoids denken wird.
Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.
(vza)