Bremsklötze: Wie Politik und Wirtschaft den Breitbandausbau verzögern

Seite 5: Der Endgegner: FTTH

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Auch wenn politisch gerne von Glasfaseranschlüssen gesprochen wird: Die Kabel bis zu den Häusern zu verlegen, ist noch längst nicht das Finale. Ein Gebäude oder die darin befindlichen Wohneinheiten anzuschließen (Fachbegriffe: Fiber to the building, FTTB und Fiber to the home, FTTH), bleibt aber kompliziert.

Das liegt daran, dass bei Bestandsbauten immer auch Baumaßnahmen nötig sind: "In der ersten Ausbauwelle werden Eigentümern auch kostenlose Hausanschlüsse angeboten", berichtet die Haus-und-Grund-Justiziarin Inka-Marie Storm. "Davon zu unterscheiden ist aber der Ausbau der Gebäudeinfrastruktur. Dieser ist regelmäßig nicht kostenlos. Ist der Gebäudeausbau aufwendig, sind Gebäudeeigentümer tendenziell zurückhaltend." Sprich: Wo verlegtes Kupfer oder Koaxialkabel raus und Glasfaserkabel hineinsollen, drohen Dreck, Schmutz, Ärger mit Mietern und weitere Kosten.

Und die versuchen Vermieter zu vermeiden. "Grundsätzlich sind FTTB oder FTTH die technisch modernste Lösung und von daher auch sinnvoll und erstrebenswert", sagt Marko Rosteck von Deutsche Wohnen. "Aus unserer Sicht bieten jedoch auch Hybridsysteme schnelle Anschlüsse für unsere Mieterinnen." Hybridsysteme, das meint DSL oder Kabelanschlüsse – und gerade die sind noch auf Jahre hinaus ein Problem.

Denn theoretisch darf ein Vermieter Kosten für den Ausbau von neuer Inhouse-Verkabelung mit Glasfaser über Jahre auf seine Mieter umlegen lassen: Höchstens neun Jahre lang darf er bis zu 60 Euro jährlich pro Wohneinheit vom Anbieter auf die Mieter umlegen. Dieses Glasfaserbereitstellungsentgelt soll eigentlich dafür sorgen, dass Vermieter möglichst nicht auf Kosten sitzenbleiben.

Allerdings bleibt das in vielen Fällen graue Theorie: Denn bislang legen die Vermieter oft noch die Kosten für Kabelnetzbetreiber um, die ihrerseits auf eigene Kosten die Hausinfrastruktur mit Koaxialkabeln errichtet haben – im Gegenzug dafür müssen Mieter für Kabel-TV-Signal und Kabelbreitband über die Betriebskosten bezahlen. Bei einer Novelle des Telekommunikationsgesetzes wurde zwar beschlossen, dass ab Mitte 2024 Verträge von vor 2021 ohne Schadenersatz gekündigt werden können. Aber: "Diese Verträge haben regelmäßig Laufzeiten von sechs bis zehn Jahren und werden auch noch bis weit nach 2025 laufen", berichtet Haus und Grund-Justiziarin Storm. Und das Gesetz habe eine entscheidende Einschränkung: Das Recht zur Kündigung könne ausgeschlossen sein – worum sich die Kabelnetzbetreiber rechtzeitig gekümmert hätten.

Ein weiteres Problem, das die Wohnungswirtschaft betrifft, soll mittelfristig gelöst werden: Dass auch die Eigentümer regelmäßig nicht wissen, ob Glasfaser überhaupt in der Nähe anliegt, wie Marko Rosteck von Deutsche Wohnen berichtet, "weil beispielsweise aus Grundstückseigentümererklärungen nicht unbedingt der technische Standard hervorgeht".

Das soll mit dem sogenannten Gigabit-Grundbuch schrittweise anders werden. In einem zentralen Datenportal sollen alle relevanten Daten der Katasterämter und von TK-Unternehmen sowie zu Leerrohren, Mitverlegekapazitäten, zum Mobilfunkausbau und weiteren relevanten Daten wie Grundbuchauszügen verknüpft und verfügbar werden. Das Portal soll schrittweise erst ab 2023 starten, die Bundesnetzagentur wird es betreiben.

Es wird also noch dauern, bis aus dem Glasfaserausbau in der Fläche auch tatsächlich viele neue Glasfaseranschlüsse bei den Endnutzern entstehen. Von den 12,3 Millionen Glasfaseranschlüssen, die laut VATM theoretisch Ende 2022 verfügbar sein sollen, werden dann nur 3,8 Millionen auch tatsächlich aktiv sein. Minister Volker Wissings Ziel, bis 2025 bei 50 Prozent Glasfaseranschlüssen zu landen, wackelt nach einem Jahr im Amt bereits enorm. Ein Glück, dass er damit doch nur die Leitungen vor den Gebäuden gemeint haben will: Dieses Ziel nutzt zwar wenig, ist aber zumindest erreichbar.

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(jo)