Missing Link: Die Blockchain-Illusion – Chris Dixons Web3-Vision hinterfragt

Der prominente Krypto-Risikokapitalgeber Chris Dixon liefert mit "Read Write Own" eine wenig überzeugende Bibel für Prediger von Blockchain-Lösungen.

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(Bild: wortwolken.com)

Lesezeit: 20 Min.
Inhaltsverzeichnis

heise online veröffentlicht diese Übersetzung des englischen Originals mit freundlicher Genehmigung der Autorin Molly White.

Wie viele andere Web3-Evangelisten hat auch Chris Dixon, General Partner von Andreessen Horowitz (a16z), einige Probleme mit dem Web ausgemacht. Er hat ein Buch geschrieben mit dem Titel Read Write Own.

In den vergangenen Jahren wurde das Web zunehmend von einer kleinen Gruppe mächtiger Unternehmen monopolisiert, die als "Big Tech" bekannt geworden sind. Ich werde ihm in diesem Punkt nicht widersprechen, obwohl die Rolle, die sein eigenes Unternehmen bei diesem Wandel gespielt hat, ein großer und völlig unerwähnter Elefant im Raum ist, der sich durch das ganze Buch zieht, in dem er immer wieder diese "Machtmakler" und "kapriziösen Torwächter" anprangert, die "Konkurrenten unterdrücken" und "unser Leben im Würgegriff halten …".

Alle Versuche, Alternativen zu schaffen, seien gescheitert, sagt er, bevor er einige Projekte beschreibt, die immer noch in Gebrauch sind, wie die Protokolle RSS und ActivityPub oder föderierte soziale Medienprojekte wie Mastodon. RSS ist tot, wiederholt er im Laufe des Buches immer wieder.

Es ist zutiefst seltsam, den Nachruf auf RSS als jemand zu lesen, die mehrmals täglich ihren Feed-Reader überprüft, um alles von Kryptowährungsnachrichten bis hin zu Ideen für das Abendessen zu erhalten, und die nur selten auf eine Website trifft, die keinen funktionierenden Feed anbietet.

[Zufälligerweise verfügt Dixons eigene Website über einen funktionierenden RSS-Feed. Vielleicht ist ihm das gar nicht bewusst, denn RSS ist so allgegenwärtig, dass viele Website- und Blog-Softwareprodukte es entweder standardmäßig einbauen oder mit einfachen Plug-ins leicht hinzufügen können.]

Und weiĂź Dixon irgendwie nicht, dass ein groĂźer Teil der florierenden Podcasting-Industrie auf RSS aufbaut, oder viele andere Anwendungen und Websites Funktionen auf RSS aufbauen, ohne dass ihre Nutzer es je erfahren?

[In einem dieser RSS-Podcasts hörte ich kürzlich Eric Silver über mächtige Technikunternehmen sprechen, die gegen RSS wettern, weil es nicht in das von ihnen angestrebte extraktive Geldmachermodell passt: "Sie sind so sauer, dass der RSS-Feed keine Daten sammelt! Sie hassen es!" Ich vermute, dass dies der wahre Grund ist, warum Dixon RSS in seinem Buch als "tot", "gescheitert", "verpufft", "dem Untergang geweiht" und "gefallen" bezeichnet.]

Eine Buchrezension von Molly White

Molly White

(Bild: 

Molly White

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Molly White beboachtet die Kryptowährungsszene, Web3 und Technik im Allgemeinen kritisch. Sie betreibt die Webseite Web3 is Going Just Great, wo sie Beispiele sammelt, wie Kryptowährungen und Web3 an ihren eigenen Versprechen scheitern. Außerdem publiziert White den Newsletter Citation Needed.

Wie auch immer, fürchtet Euch nicht, sagt Dixon, denn er hat die Lösung für die Big-Tech-Krankheit des Internet gefunden: Blockchains. "Während viele Leute ihr Potenzial erkennen – mich eingeschlossen – werden sie vom Establishment größtenteils ignoriert", beklagt sich ein Teilhaber einer der mächtigsten Wagniskapitalfirmen im Internetbereich. Wenn wir nun alle so freundlich wären, die letzten 15 Jahre seit der Einführung von Blockchains zu ignorieren – in denen unzählige Unternehmen herumgeirrt sind und versucht haben, irgendeinen möglichen Anwendungsfall jenseits manischer Spekulation, die einige Wenige auf Kosten Vieler bereichert hat, zu finden – hat er uns eine Idee zu verkaufen.

Und das meine ich wortwörtlich: Das Buch ist gespickt mit glühenden Verweisen auf Unternehmen, die a16z unterstützt hat, enthält aber keinerlei Offenlegungen.

Dixon schreibt, dass Blockchains die Grundlage für neue Plattformen bilden können, die nicht nur die Big-Tech-Monopole der gegenwärtigen Web-Ära verdrängen, sondern auch immun gegen die Anziehungskraft dessen sind, was er als "Attract-Extract-Cycle" bezeichnet: ein Muster bei Big-Tech-Unternehmen, bei dem sie die Nutzer zunächst mit großzügigen Angeboten anlocken und dann die Regeln ändern, um maximale Gewinne zu erzielen, sobald die Nutzer gebunden sind. [Ich bevorzuge den von Cory Doctorow geprägten Begriff "Enshittification".]

Diese Immunität, sagt Dixon in seinem Buch, wird eingebaut, weil Blockchains "zum ersten Mal unantastbare Regeln in Software etablieren können". Im gesamten Buch bezieht er sich auf "software-erzwungene", "starke Verpflichtungen" von Blockchains, wonach sie niemals Aspekte des Codes unter der Nase ihrer Nutzer ändern werden. Das Problem bei diesem Argument ist, dass es die Tatsache übersieht, dass Blockchains ihren Code ändern können und dies auch regelmäßig tun – etwas, das Dixon selbst an anderer Stelle einräumt, wenn er sich auf den Konsens der Gemeinschaft bezieht, um Softwareänderungen umzusetzen. Vielleicht glaubt er, dass der "Community-Konsens" irgendwie immer die Wünsche der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft widerspiegelt und dieser Governance-Mechanismus nie missbraucht werden kann oder wird, aber ein kurzer Blick auf einige von der Gemeinschaft verwaltete Blockchain-Projekte in den letzten Jahren sollte ausreichen, um jeden von diesem Irrtum zu befreien.

Dies ist nur einer von vielen Selbstwidersprüchen, an denen Dixon fröhlich vorbeigeht, während er die Tugenden jener Technik preist, von der er beschlossen hat, das Web zu "reparieren".