BĂĽrosoftware im Alltagstest

Microsofts riesiger Marktanteil im Bürosoftware-Geschäft scheint unantastbar. Doch mit der neuen Version 3.0 von OpenOffice könnte sich das ändern. Das kostenlose Paket, das für Windows, Linux und Mac OS X zum Download angeboten wird, hat erstmals das Potenzial, viele Anwender zum Umstieg zu bewegen. Unser Praxistest offenbart Stärken und Schwächen der beiden Konkurrenten.

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Von
  • Ralf Nebelo
Inhaltsverzeichnis

Mit identischen Programmversionen für Windows, Linux und Mac OS X bietet das neue OpenOffice maximale Flexibilität: Sind in einer Firma alle drei Betriebssysteme vertreten, nutzen die Mitarbeiter mit Writer, Calc und Co. trotzdem die gleichen Anwendungen und bearbeiten problemlos gemeinsam Dokumente. Wer beruflich und privat auf unterschiedliche Plattformen setzt, muss ebenfalls nicht umdenken, falls er überall das freie Büropaket einrichtet. Dagegen unterscheiden sich die aktuellen Versionen von Microsoft Office für Windows und Mac OS X in einigen Bereichen stark [1], Linux wird traditionell ignoriert.

Mit den beiden Testkandidaten treffen auch zwei ganz verschiedene Bedienkonzepte aufeinander: Die Ribbons von Microsoft Office treten gegen die Menüs von OpenOffice an. Es geht also auch um die Frage, ob die vor anderthalb Jahren revolutionär neue Oberfläche von Office 2007 wirklich die Usability-Vorteile bringt, die die mutige Abkehr vom selbst geschaffenen Bedienstandard rechtfertigen sollten. Oder erweist sich das alte Menükonzept, an dem die ärgsten MS-Konkurrenten OpenOffice und das kommerzielle StarOffice festhalten, doch als der bessere Weg?

Der Erscheinungstermin von OpenOffice 3.0 könnte sich in diesem Zusammenhang als strategisch günstig erweisen. Noch wägen viele Anwender die Vor- und Nachteile eines Umstiegs von Office 2003 auf die Nachfolgeversion 2007 ab. Aufgrund der völlig überarbeiteten Bedienoberfläche des Marktführers verlangt dieser Schritt viel Umdenken – warum nicht stattdessen einen Versuch mit der kostenlosen Alternative wagen?

Im Praxistest haben wir die Gebrauchstauglichkeit der beiden Kandidaten geprüft. In einem zum Testlabor umfunktionierten Konferenzraum des Verlags bearbeiteten vier Tester typische Büroaufgaben, einmal mit OpenOffice 3.0 und einmal mit Microsoft Office 2007. Unsere Freiwilligen hatten grundlegende Kenntnisse über Büroanwendungen, hatten bisher aber noch keine Erfahrungen mit der Betaversion von OpenOffice 3.0 oder mit der aktuellen Microsoft-Office-Version gesammelt. Ihnen steht ein Rechner mit 2 GByte Arbeitsspeicher und einem Intel-Core2Duo-6400-Prozessor mit 2,13 GHz zur Verfügung, auf dem Windows Vista SP1 eingerichtet ist. Die Testaufgaben beschränken sich auf die beiden meistgenutzten Komponenten, die Textverarbeitung und die Tabellenkalkulation, sowie auf deren Zusammenspiel.

Dieser Test anhand von Alltagsszenarien beleuchtet keine Highend-Features wie XML-basierte Dokumentformate, Pivot-Tabellen oder die Teamarbeit über Netzwerkgrenzen hinweg. Unser Interesse gilt hier verstärkt der Usability und der Hilfefunktion beider Büro-Suiten – denn was nützen die mächtigsten Funktionen, wenn man sie gar nicht erst findet oder nicht richtig bedienen kann? Einen systematischen Vergleich von Profi-Funktionen liefert der Artikel auf Seite 146 in c't 22/08.

Die Tabelle auf Seite 144 in c't 22/08 zeigt den Zeitbedarf der Tester, getrennt nach Einzelaufgaben. Den Testverlauf dokumentieren Videoaufzeichnungen vom Geschehen auf dem Bildschirm sowie Notizen der beiden Protokollanten. Das Ergebnis offenbart Highlights beider Kandidaten – aber auch erschreckende funktionale und bedientechnische Defizite.

Aufgabe 1: Zu Beginn sollen unsere Testanwender einen Text öffnen, die automatische Silbentrennung aktivieren und eine Rechtschreib- und Grammatikprüfung durchführen. Das mit Fehlern gespickte Dokument, das wir aus Teilen des in [2] verwendeten Testmaterials zusammengestellt haben, enthält 66 Schnitzer der Kategorien Tippfehler, neue Rechtschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung sowie Zeichensetzung und Grammatik.

Kann das simple Öffnen einer Datei schon Probleme bereiten? In OpenOffice Writer sieht es zunächst nicht so aus. Hier kommen alle Tester mit nur zwei Mausklicks aus, um den seit Ewigkeiten standardisierten Befehl Datei/Öffnen aufzurufen. Da der folgende Dialog aber sämtliche Dateien im Dokumente-Ordner anzeigt und nicht nur die Writer-Dateien, öffnen zwei Teilnehmer versehentlich zunächst ein namensgleiches Word-Dokument. Das passiert in Microsoft Word dank eines feiner eingestellten Dateifilters zwar nicht, hier scheitern die Teilnehmer aber durchweg daran, den Öffnen-Befehl innerhalb der Multifunktionsleiste überhaupt zu finden. Ein Tester klickt schließlich zufällig an der richtigen Stelle, die anderen drei bemühen die Programm-Hilfe und erfahren, dass es sich bei dem „bunten Blümchen“ (O-Ton eines Teilnehmers) links oben nicht um ein Deko-Element handelt, sondern um die Überreste des einstigen Datei-Menüs.

Die Silbentrennung zu aktivieren erscheint auf den ersten Blick trivial, entpuppt sich im Test jedoch ebenfalls als Hürde – diesmal sogar in beiden Office-Paketen. In Word besteht das Problem wieder darin, den Befehl zu finden. Drei der vier Tester klicken ziellos durch sämtliche Befehlsregister der Multifunktionsleiste, ehe sie sich schließlich an die Hilfe wenden. Die liefert unter dem Stichwort „Silbentrennung“ aber nicht etwa die erwartete Info über das Aktivieren der Funktion, sondern nur über deren Beseitigung. Immerhin enthält der Eintrag einen Hinweis auf den Fundort des zuständigen Befehls, die Registerkarte Seitenlayout, wo sich die Silbentrennung dann problemlos – und in allen Fällen korrekt – mit einem einzigen Mausklick für das gesamte Dokument einschalten lässt.

Auch in der Menüoberfläche von OpenOffice Writer ist die Silbentrennung so gut versteckt, dass drei der vier Tester sie nur nach umfangreichen Recherchen in der Programm-Hilfe aufspüren. Die führen schließlich zu der Erkenntnis, dass sich eine automatische Trennung ausschließlich über das Ändern der Absatzformate erreichen lässt. Ein simples Ein- und Ausschalten wie in Word ist im Textprogramm von OpenOffice nicht möglich. Immerhin: Auch Writer trennt alle Wörter richtig.

Bei der Rechtschreib- und Grammatikprüfung erweisen sich beide Kandidaten als intuitiv genug, um alle vier Testpersonen relativ schnell den gesuchten Befehl finden zu lassen. Die Logik der ähnlich aufgebauten Dialoge mit Schaltflächen zum Ignorieren und Ändern erschließt sich sofort – im Gegensatz zu der Sinnhaftigkeit mancher Korrekturvorschläge. Hier tut sich insbesondere Writer mit kreativen Wortschöpfungen hervor. So finden sich unter den Verbesserungsvorschlägen für den unterringelten „Wollappen“ neben der korrekten Version mit drei L auch so nette Sprachexperimente wie „Wohllappen“, „Wollalpen“ oder „Polpappen“, was durchweg für Heiterkeit sorgt.

Bei den Korrekturergebnissen gibt es dann nichts mehr zu lachen. Liegen Word und Writer bei den 13 Tippfehlern mit jeweils zwölf Korrekturen noch auf erfreulich hohem Niveau, so fallen beide in der Kategorie „Neue Rechtschreibung“ deutlich ab: Von ebenfalls 13 Fehlern kann das OpenOffice-Textprogramm nur noch sechs berichtigen, die Microsoft-Konkurrenz gerade mal vier. Auch bei der Getrennt- und Zusammenschreibung trägt Writer einen hauchdünnen Teilsieg davon, indem es allerdings nur einen von zehn Fehlern ausmerzt. Das Word-Korrektorat findet hier gar nichts zu bemängeln. Bei den 15 Fehlern in Sachen Groß- und Kleinschreibung und den sechs Zeichensetzungsfehlern holt das Microsoft-Programm dann aber mit jeweils drei Korrekturen wieder auf.

Den knappen Gesamtsieg beschert Word die Grammatikprüfung, die vier von neun Fehlern beseitigt. Da auch der neuesten OpenOffice-Version dieses wichtige Korrekturinstrument fehlt, gehen ihr sämtliche Grammatikfehler durch die Lappen. Mit Gesamtquoten von 39 (Word) beziehungsweise 33 (Writer) Prozent liegen die Korrekturergebnisse insgesamt auf einem enttäuschend niedrigen Niveau.

Aufgabe 2: Unsere Testanwender sollen einige Einstellungen der Absatzformatvorlage „Standard“ ändern, und zwar Schriftart, Schriftgröße und Absatzausrichtung. Zusätzlich soll der Formatvorlage ein Tabulator hinzugefügt werden.

In Writer muss sich kein Tester sehr lange mit dem Ändern der Standard-Formatvorlage aufhalten. Ein kurzer Blick genügt allen, um den Befehl Formatvorlagen im Format-Menü zu finden und das zugehörige Dialogfeld zu öffnen. Dass sich der Ändern-Befehl nur im Kontextmenü der markierten Formatvorlage und nicht als Schaltfläche auf dem Dialogfeld findet, bringt den Arbeitsfluss stets nur für kurze Zeit ins Stocken. Die eigentlichen Einstellarbeiten in Sachen Schriftart, Absatzausrichtung und Tabulatorposition werden dann aber dank des nachfolgenden und sehr übersichtlich gestalteten Dialogs durchweg schnell und sicher erledigt.

Mit Word tun sich die Tester bei dieser grundlegenden Aufgabe wesentlich schwerer. Zwar konzentrieren alle ihre Suche schon nach relativ kurzer Zeit auf das Start-Register. Hier erweist sich der Befehl „Formatvorlagen ändern“ aber als zeitraubende Sackgasse, da man damit nur das Aussehen des gesamten Dokuments, nicht aber eine einzelne Absatzformatvorlage ändern kann. Dass es sich bei dem Katalogelement links neben dem genannten Befehl um das Äquivalent des Writer’schen Formatvorlagendialogs handelt, erkennt nur eine Testerin auf Anhieb. Die übrigen müssen dazu erst die Hilfe zu Rate ziehen. Die führt schließlich auf die Spur des Ändern-Dialogs, der ein bequemes Ändern von Schriftart und Absatzausrichtung erlaubt. Dass man sich durch einen Klick auf die Format-Schaltfläche des Dialogs Zugang zu den Tabulatoreinstellungen verschafft, erfährt ein Teilnehmer erst durch einen erneuten Aufruf der Hilfe, in der der Begriff „Tabulator“ aber gar nicht vorkommt – die Word-Hilfe kennt nur „Tabstopps“. Eine Testperson kapituliert an dieser Stelle und bricht die Aufgabe mit nicht zitierfähigen Bemerkungen ab.

Aufgabe 3: Die Tester gestalten ein Briefdokument, dessen Aussehen den hierzulande üblichen Regeln entsprechen soll. Wir erwarten längst nicht alle Elemente eines DIN-5008-Musterbriefs, sondern lediglich einen Textblock mit Absenderinformationen im Briefkopf oben rechts, ein Firmenlogo oben links sowie eine im Fensterkuvert sichtbare Absenderzeile – alles halbwegs passend und nach dem Vorbild eines ausgedruckten Ansichtsexemplars positioniert. Dazu sollten unsere Test-Anwender auf die Hilfe einer geeigneten Dokumentvorlage beziehungsweise eines Assistenten zurückgreifen.

Mit einer Dokumentvorlage, die den postalischen und gestalterischen Anforderungen des jeweiligen Landes entspricht, könnte alles so einfach sein: Blindtexte und Logo-Platzhalter austauschen und fertig! Doch das ist Wunschdenken. Die Tester stellen verwundert fest, dass dem neuesten OpenOffice-Paket zwar Vorlagen für Bildschirmpräsentationen beiliegen, aber keine einzige Briefvorlage. Bei Microsoft Office sieht es nicht viel besser aus. Zwar hält Word in der Rubrik „Installierte Vorlagen“ einige Musterbriefe parat, diese sind aber durchweg nach amerikanischen Vorgaben gestaltet und entsprechen nicht einmal annähernd dem Aufbau eines DIN-Briefes. Das Gleiche gilt für die zahllosen weiteren Vorlagen auf Microsoft Office Online, für die das Dialogfeld netterweise eine Vorschau bereitstellt.

OpenOffice gleicht den Mangel an mitgelieferten Vorlagen durch einen Assistenten aus, mit dem der Anwender ein personalisiertes Briefdokument respektive eine Vorlage erstellen kann. Allerdings muss man wissen, dass es diesen Briefassistenten überhaupt gibt und wo man ihn findet. Für diese Informationen müssen drei der vier Testpersonen, die nach der Vorlagenpleite schon kurz davorstehen, die Aufgabe abzubrechen, wieder die Programm-Hilfe bemühen. Und die kooperiert in diesem Fall komplikationslos nach Eintippen des Suchbegriffs „Brief“.

Einmal gefunden, zeigt sich der Writer-Briefassistent als effektives Hilfsmittel. Er bietet den Testern mit dem „Geschäftsbrief“ ein annähernd DIN-konformes Design, lässt sie die gewünschten Briefelemente wählen und die Absenderdaten angeben. Aus denen generiert der Assistent automatisch eine zielgenau im Kuvertfenster platzierte Absenderzeile sowie den Absenderblock im Kopf des Briefs. Die notwendigen Nacharbeiten beschränken sich auf den Austausch des Platzhalterlogos, was allen Beteiligten schnell und ohne Hilfe über den Befehl Einfügen/Bild/Aus Datei gelingt. In zwei Fällen rutscht das Logo allerdings hinter andere Elemente des als komplexe Tabelle realisierten Briefkopfs, wo es dauerhaft verborgen bleibt.

Bei Microsoft Office entscheiden sich drei Tester für die nächstbeste Briefvorlage, die ihnen minimale Ähnlichkeit mit dem vorliegenden Musterbrief zu haben scheint. Anschließend beseitigen sie zunächst etliche der Inhaltssteuerelemente, die in allen Microsoft-Vorlagen neuerdings als Platzhalter dienen, um danach Absenderblock und Absenderzeile von Hand an den mutmaßlich richtigen Stellen zu positionieren und mit Inhalten zu füllen. Die vierte Testerin entscheidet sich nach Sichtung des wenig zielführenden Angebots selbstbewusst gegen die Benutzung einer Vorlage. Sie öffnet ein leeres Dokument und positioniert darin Briefkopfelemente und Absenderzeile ebenfalls nach Augenmaß. Das Einfügen des Firmenlogos gelingt allen Testern intuitiv per Grafik-Befehl, der im Einfügen-Register von Word zu finden ist.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 22/2008.

[1] Dieter Brors, Drei Schritte vor, zwei zurĂĽck, Microsoft Office 2008 fĂĽr Mac OS X, c't 5/08, S. 142

[2] André Kramer, Von roten Kringellinien, Vorzüge und Schwächen verschiedener Rechtschreibkorrekturhilfen, c't 23/07, S. 142

Soft-Link

"Das Office-Duell"
Artikel zum Thema "Das Office-Duell" finden Sie in der c't 22/2008:
BĂĽrosoftware im Alltagstest S. 136
Funktionen fĂĽr Profis, Arbeitsgruppen und Programmierer S. 146

(dwi)