Bytes aus dem Orbit

Mit preisgünstigen Minisatelliten wollen Unternehmen das Internet auch in entlegene Gebiete bringen. Die Technik und die nötigen Frequenzen sind vorhanden, und auch die Transportkosten sinken. Für Entwicklungsländer könnte das einen großen Sprung nach vorn bedeuten.

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Von
  • Christian Buck

Mit preisgünstigen Minisatelliten wollen Unternehmen das Internet auch in entlegene Gebiete bringen. Die Technik und die nötigen Frequenzen sind vorhanden, und auch die Transportkosten sinken. Für Entwicklungsländer könnte das einen großen Sprung nach vorn bedeuten.

Wenn Elon Musk von einem allumfassenden Internet träumt, blickt er gen Himmel. Die Vorstellung des Gründers des Weltraum-Unternehmens SpaceX: Ein Schwarm von 4000 Mikrosatelliten soll die Erde umkreisen und schnellen Internetzugang aus dem All in jedem Winkel der Welt ermöglichen. Kostenpunkt für das ambitionierte Projekt: schätzungsweise zehn Milliarden Dollar.

Als Geldgeber stehen Google und der US-Finanzinvestor Fidelity bereit, die im Januar rund eine Milliarde Dollar in SpaceX investiert haben. Daneben arbeitet Google auch am Projekt "Loon" für die Internetversorgung von entlegenen Gebieten: Heliumballons mit angehängter Elektronik sollen das Web aus der Stratosphäre zu den Nutzern bringen. Hunderte dieser schwebenden Internetzugänge hat Google bereits aufsteigen lassen. Demnächst will das Unternehmen sie an Mobilfunk-Provider vermieten, die damit ihre Netze erweitern können.

Beim neuerlichen Wettlauf um die Vernetzung der Welt sind Google, Fidelity und SpaceX aber keineswegs allein: Auch Facebook will wenig erschlossene Gebiete wie Entwicklungsländer preiswert an das weltweite Datennetz anschließen und setzt dafür auf eine Kombination aus Satelliten und hoch fliegenden Drohnen. Letztere sollen rund 20 Kilometer über der Erde schweben und Geräte am Boden mit den Satelliten verbinden. Auch das US-Unternehmen OneWeb will mithilfe einer Flotte von 648 Satelliten schnelle Datenverbindungen in abgelegene Gebiete bringen. Warum aber wollen die Unternehmen Flotten nutzen statt die inzwischen längst existierenden geostationären Kommunikationssatelliten? Zum einen zwingt sie der Preis dazu: Einen tonnenschweren Riesen wie den KA-SAT von Eutelsat in einen geostationären Orbit zu schießen, kostet allein schon rund 400 Millionen Euro.

Dank der Miniaturisierung der Satellitentechnik und relativ preiswerten Raketen sollen die Kosten jedoch drastisch sinken. "Kleine Satelliten lassen sich heute zu vergleichsweise günstigen Kosten ins All bringen", berichtet Martin Buscher von der TU Berlin. Dort entwickeln Forscher winzige "Nanosatelliten", die zwischen einem und 15 Kilogramm wiegen und in eine Handtasche passen. "Der größte Kostentreiber ist das Gewicht des Satelliten. Kleine Satelliten können nicht nur von einer eigens dafür vorgesehenen Rakete ins All gebracht werden, sondern sogar huckepack mit einem großen Satelliten mitfliegen und damit kostengünstig ohnehin geplante Raktenstarts mitnutzen."

Hinzu kommt ein niedriger Orbit, der die Kosten noch einmal senkt: Ab einer Höhe von etwa 600 Kilometern ist die Reibung der Atmosphäre so gering, dass sie mehr als zehn Jahre in ihrer Umlaufbahn bleiben. Die OneWeb-Satelliten sollen beispielsweise nur rund 130 Kilogramm wiegen, in Serienfertigung etwa 350000 Dollar pro Stück kosten und in nur rund 1200 Kilometern über der Erde kreisen. Insgesamt schätzt OneWeb die Kosten für sein Projekt auf 1,5 bis 2 Milliarden Dollar.

Die Kehrseite der Medaille: Die kleinen Satelliten umkreisen die Erde in etwa 100 Minuten, sodass der Kontakt zu ihnen nach kurzer Zeit wieder abbricht. Genau darum planen SpaceX, OneWeb und Co große Flotten mit Hunderten oder Tausenden künstlichen Himmelskörpern. Das bedeutet aber, dass die Bodenstationen die Satelliten nachverfolgen und Verbindungen – ähnlich wie beim Roaming für den Mobilfunk – immer wieder weitergereicht werden müssen (Handover), wobei es zu Aussetzern kommen kann. Demnach müssten geostationäre Satelliten – trotz der deutlich höheren Kosten – eigentlich die bessere Lösung sein. Denn sie decken theoretisch ein Drittel der Erdoberfläche ab oder könnten gezielt kleinere Gebiete stabil mit Internetzugängen versorgen.

Doch die Sache hat einen Haken: Sie sind für viele Netzdienste nicht geeignet, weil die Radiowellen wegen der großen Entfernungen zwischen Nutzer und Satellit zu lange brauchen. Die Verzögerung (Latenzzeit) der Datenpakete würde pro Strecke bei einigen Zehntelsekunden liegen, was für Telefonie, Onlinespiele oder Videokonferenzen zu viel sein kann. Bei Anbietern wie skyDSL, das den von Eutelsat betriebenen Satellit KA-SAT nutzt, sind Latenzen von etlichen Hundert Millisekunden keine Seltenheit. Damit sind selbst gemächliche Strategiespiele kaum möglich. Im niederen Orbit spielt die Verzögerung von wenigen Millisekunden hingegen keine spürbare Rolle.

Für die Datenübertragung zum Nutzer (Downlink) und zum Internet-Provider (Uplink) stehen verschiedene Frequenzbereiche zur Verfügung. Die werden von der Internationalen Fernmeldeunion ITU vergeben. Die größte Bandbreite für Internetdaten bieten das Ku- (K under) und das Ka-Band (K above) zwischen 12 und 18 GHz beziehungsweise 27 und 40 GHz, die aber auch für andere Dienste genutzt werden. Dank seiner 82 getrennten Spots für unterschiedliche Regionen auf der Erde erreicht der geostationäre KA-SAT auf dem Ka-Band beispielsweise eine Gesamt-Datenübertragungsrate von etwa 90 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s).

Sagenhafte 200 Gbit/s Download-Geschwindigkeit erhofft ein US-Start-up in einigen Jahren mit einer Flotte von Kommunikationssatelliten zu erreichen, die Daten per Laser empfangen und senden können. Bislang funktionieren vergleichbare Technologien allerdings nur im All oder auf sehr kurzen Distanzen. Eines der Hauptprobleme dabei ist, dass Wolken die Photonen blockieren. Wetterempfindlich zeigen sich jedoch auch die herkömmlichen Systeme wie der KA-SAT: "Je höher die Frequenz ist, desto größeren Einfluss hat aber auch das Wetter", erklärt Rainer Wansch, Abteilungsleiter Hochfrequenz- und SatKom-Systeme am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen. "Bei starkem Regen kann die Leistung um den Faktor 100 bis 1000 sinken."

Neben dem Wetter spielt allerdings auch die Nutzung eine wesentliche Rolle: Ähnlich wie bei einer Mobilfunkzelle müssen sich alle Geräte die verfügbare Bandbreite teilen, sodass Überlastung programmiert ist. Trotzdem macht die Satellitentechnik Sinn. Denn immerhin lebt selbst heute noch mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung über eine Stunde Fußmarsch vom nächsten Telefonanschluss entfernt. Vor allem diese Menschen würden von Internetanschlüssen enorm profitieren. (bsc)