Chemie-Nobelpreis für schlaue Rezeptoren

Den diesjährigen Nobelpreis für Chemie erhalten die US-Forscher Robert J. Lefkowitz und Brian Kobilka. Sie werden für die Entdeckung einer wichtigen Rezeptorfamilie ausgezeichnet, die zum wichtigsten Ziel der Medikamentenentwicklung geworden sind.

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  • Veronika Szentpetery-Kessler

Den diesjährigen Nobelpreis für Chemie erhalten die US-Forscher Robert J. Lefkowitz und Brian Kobilka. Sie werden für die Entdeckung einer wichtigen Rezeptorfamilie ausgezeichnet, die zum wichtigsten Ziel der Medikamentenentwicklung geworden sind.

Wir Menschen nehmen unsere Umwelt mit Hilfe von Sinnesorganen wahr. Dass auch Zellen etwas Ähnliches haben müssen, mit denen sie Umweltreize erkennen, haben Wissenschaftler schon lange geahnt. So war etwa bekannt, dass Hormone wie Adrenalin, das den Blutdruck steigert und das Herz schneller schlagen lässt, für diese Wirkungen nicht in die Zellen eindringt. Es musste also Andockstellen geben, doch die wurden erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts von Robert Lefkowitz (Howard Hughes Medical Institute) und Brian Kobilka (Stanford University School of Medicine) entdeckt.

Robert Lefkowitz begann 1968, mit Hilfe von radioaktiv markierten Hormonen, diesen Zellrezeptoren nachzuspüren. Mit dieser Methode entdeckte er unter anderem den Adrenalin-Rezeptor. Seinem Team gelang es zudem, das Sensormolekül aus der Zellmembran herauszulösen und aufzuklären, wie es arbeitet. Den nächsten großen Meilenstein erreichte das Team in den 1980-er Jahren, als der neue Mitarbeiter Brian Kobilka das Gen des Adrenalin-Rezeptors entdeckte. Dessen DNA-Bauplan, so stellte der Wissenschaftler verwundert fest, ähnelte stark dem eines Rezeptors von lichtempfindlichen Zellen im Auge.

Robert Lefkowitz

(Bild: Nobelpreis-Stiftung)

Lefkowitz und Kobilka fanden heraus, dass beide Zellrezeptoren Mitglieder einer großen Molekülfamilie waren, die trotz eines ähnlichen Bauplans gänzlich verschiedene Aufgaben haben. In Fachkreisen sind sie heute unter dem kryptisch klingenden Namen „G-Protein gekoppelte Rezeptoren“ oder kurz GPCR bekannt.

Sie heißen so, weil sie innerhalb der Zellen eine Reaktionskaskade auslösen, an dessen Anfang stets das sogenannte G-Protein mit diversen Partnermolekülen steht. Die in der Zellmembran sitzenden Rezeptoren kann man sich dabei wie eine Telefonschaltzentrale vorstellen: Je nachdem wer draußen anruft, lösen sie drinnen unterschiedliche Reaktionen aus.

Brian Kobilka

(Bild: Nobelpreis-Stiftung)

Weitere Mitglieder der Familie sind unter anderem Andockstellen für das Glückshormon Serotonin, den Botenstoff Histamin und den Neurotransmitter Dopamin – sowie für Geschmacksrezeptoren auf der Zunge und Geruchsrezeptoren in der Nase.

Die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren ermöglichen aber auch so komplexe Reaktionen wie das Fliehen in Gefahrensituationen, für das viele Reaktionen gleichzeitig erfolgen müssen: Das Blut wird mit den Energielieferanten Zucker und Fett geflutet, die Durchblutung der Muskeln und die Herzfrequenz erhöht, und die gerade völlig unwichtig gewordene Verdauung auf ein Minimum heruntergefahren. Wie die Wissenschaft heute weiß, beruhen zahlreiche weitere Reaktionen des Körpers auf GPCR.

Kobilka entwickelte außerdem in einer mühevollen Kleinarbeit von 20 Jahren eine Methode für die Strukturaufklärung der Zellrezeptoren. Die genaue Kenntnis ihre Aufbaus und ihrer Reaktionspartner hatte eine enorme medizinische Bedeutung. Denn mit diesem Wissen konnten Medikamente entwickelt werden, die nur an bestimmten GPCR andocken und sie entweder aktivieren oder blockieren. Dadurch wurde es möglich, krankhafte Vorgänge im Körper, an denen GPCR beteiligt waren, zu lindern oder sogar zu verhindern.

Heute hat mehr als die Hälfte aller Medikamente diese Rezeptormoleküle zum Ziel: So binden etwa Beta-Blocker an Herzzellen, um das Andocken der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin zu verhindern und die Schlagfrequenz niedrig zu halten. Antihistaminika wiederum verdrängen Histamin und verhindern damit Entzündungsreaktionen etwa bei Allergien.

Wie gut übrigens die Geheimhaltung des Nobelpreiskommitees funktioniert, illustrierte der telefonisch zur Pressekonferenz zugeschaltete Lefkowitz mit einer Anekdote. Auf die Frage des schwedischen Fernsehens, wo ihn der Anruf des Nobelpreiskommitees erreicht habe, antwortete er: „Ich habe ihn gar nicht gehört, weil ich wie immer mit Ohrstöpseln geschlafen habe. Mein Frau hat mich dann mit ihrem Ellenbogen geweckt.“

(vsz)