Covid-19: Nasentropfen-Lebendimpfstoff schützt Hamster vor einer Infektion​

Die nadelfreie Immunisierung soll eine Ansteckung schon in der Nasenschleimhaut verhindern. Eine Reaktivierung ist den Forschern zufolge genetisch unmöglich.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 120 Kommentare lesen
Goldhamster im Labor

Ein Goldhamster im Labor.

(Bild: TShaKopy / Shutterstock)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Corona-Impfstoffe haben viele schwere Erkrankungen und Todesfälle verhindert. Allerdings schützen die injizierten Totimpfstoffe nicht langanhaltend vor einer Infektion. Deshalb entwickeln Forschende um Thomas Klimkait an der Universität Basel einen Lebendimpfstoff, der als Nasentropfen verabreicht wird und so die Verteidigungslinie gegen die Sars-CoV-2-Viren schon in der Nasenschleimhaut ziehen soll, anstatt erst im Blut.

Auf diese Weise soll er eine Infektion von vornherein verhindern und auch die Weitergabe des Virus an andere unterbinden. Eine solche "sterile Immunität" gibt es gegen Covid-19 bisher nicht. Die Forscher haben sie nun in einer Tierversuch-Pilotstudie an 12 Hamstern demonstriert. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in einem Vorabdruck, der den Gutachterprozess noch durchläuft.

Tatsächlich erkrankte keiner der Versuchshamster, die Impf-Nasentropfen erhalten hatten, selbst nach anschließendem Kontakt mit einer hohen Dosis des Wildtyp-Virus. Zudem steckten sie auch keine ungeimpften Artgenossen an, mit denen sie einen Tag nach dem Verabreichen echter Coronaviren zusammengebracht wurden.

Der Baseler Impfstoff ist ein "Einzyklus-Lebendimpfstoff" mit abgewandelten Coronaviren. Diese können zwar in die Nasenschleimhaut eindringen, sich dort aber nicht vermehren. Dafür sorgen zwei genetische Eingriffe in ihr Erbgut. So haben die Wissenschaftler das sogenannte Envelope-Gen "E" herausgeschnitten. Ohne diese Bauanleitung für die Virushülle bauen infiltrierte Zellen keine kompletten Virenpartikel.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Google Ireland Limited) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Das Virus besitzt außerdem mindestens vier Gene, die eine Virusabwehr der befallenen Zellen hemmen. Also entfernten die Forschenden aus dem Impfvirus mehrere dieser Gene, mit dem Ziel, den Immunschutz besonders wirksam und langanhaltend zu machen. Alle anderen Viren-Bauteile stellen die Zellen durchaus her und präsentieren sie auf ihrer Oberfläche dem Immunsystem. Das lernt dadurch nicht nur wie bisher das Spike-Protein kennen, sondern auch viele weit weniger veränderliche Bestandteile.

Damit könnte der Impfstoff auch vor neuen Sars-CoV-2-Varianten schützen, da neue Mutationen besonders häufig das Spike-Protein betreffen.

Damit die Impfviren in die Schleimhaut eindringen können, brauchen sie aber selbst eine Hülle, also auch das E-Gen. Dafür schufen die Forscher besondere Produktionszellen, die das fehlende Gen im Zellkern besitzen und so den benötigten Hüllenbaustein produzieren. Weil die restlichen Virenbaupläne räumlich strikt getrennt abgelesen werden, nämlich außerhalb des Kerns im Zellplasma, "kann sich das Viruserbgut nicht wieder zur Ursprungsversion vervollständigen", betont Klimkait. Es kann also nicht wieder krankheitsauslösend werden, wie es beim Polio-Impfvirus passiert ist.

Ebenso wenig könnten die produzierten Impfviren das E-Gen aus einem Natur-Virus aufnehmen. "Wir bieten gar keine Überlappungstellen an, mit der das Virus so eine Reparatur hinkriegen könnte", so Klimkait weiter. Der Impfstoff-Kandidat zeigte sich zudem recht stabil und lässt sich bei Kühlschranktemperaturen aufbewahren.

Tatsächlich hat die Sicherheit der Methode – das sich die Impfviren nicht vermehren können – auch das Schweizer Bundesamt für Gesundheit überzeugt. "Wir haben die Bewilligung bekommen, das [Impf-] Virus aus dem Sicherheitslabor herauszunehmen, weil es gänzlich sicher ist. Damit können wir weitere Tier-Experimente in Labors machen, die keine Biosicherheitsstufe 3 haben", sagt Klimkait. Die Forscher haben ihre Methode zum Patent angemeldet und arbeiten gemeinsam mit dem Schweizer Startup RocketVax daran, den Impfstoff in die erste klinische Testphase zu bringen.

Darüber hinaus arbeitet Klimkaits Team daran, die neue Impfstrategie auch gegen andere virale Krankheiten anzuwenden. "Ich denke da vor allem an das Dengue- und das Chikungunyavirus, auf die wir in unseren Breitengraden warten, weil wir inzwischen die Tigermücken bei uns haben, die solche Viren übertragen", sagt der Virologe.

Im Vergleich zu anderen Lebendimpfstoff-Kandidaten seien die Entwickler des Basler Vakzins "beim Abschwächen des Virus einen Schritt weitergegangen, sodass sich das Virus überhaupt nicht mehr vermehren kann", sagt Emanuel Wyler vom Berliner Max Delbrück Center für Molekulare Medizin. "Trotzdem hat auch dieser Lebendimpfstoff-Kandidat im Tierversuch die Hamster sehr gut vor einer Erkrankung nach Infektion mit SARS-CoV-2 geschützt."

Denn wie stark man Viren abschwächt, sei immer Abwägungssache. Es darf nicht zu stark sein, da sie sonst möglicherweise eine zu geringe Impfwirkung haben. Entstanden schwächere Viren früher zufällig beim Kultivieren, setzt man inzwischen auf gezielte Beeinträchtigungsmethoden wie etwa gezielte Entfernung ganzer Gene wie beim Basler Impfstoff oder "Codon-Deoptimierung". Als Codon bezeichnet man jene Basentripletts im Erbgut, die Aminosäuren kodieren. Sie sind gleichsam Worte im Erbgut-Gesamttext.

Bei der Deoptimierung werden Tripletts an bestimmten Stellen so verändert, dass das Lesen der Worte deutlich erschwert wird. "Man kann es sich wie einen Text vorstellen, in dem jeder Buchstabe eine andere Größe, eine andere Schriftart, eine andere Farbe hat", sagt Wyler. Das Ziel: Die Impfviren sollen sich kaum vermehren, damit sie selbst keine Krankheit hervorrufen, aber trotzdem ausreichend immunisierend wirken.

Wyler arbeitet selbst, gemeinsam mit Wissenschaftlern der Berliner Charité und der Freien Universität Berlin, an einem per Nasenspray verabreichten Lebendimpfstoff gegen Covid-19. Dabei nutzen sie laut Wyler eine "leicht ausgefeiltere Methode", in der Codons paarweise verändert werden.

In Tierversuchen mit Hamstern erzeugte der Impfstoffkandidat eine stärkere Schleimhautimmunität und besseren Schutz vor einer Infektion sowie einem schweren Verlauf, als die zum Vergleich untersuchten, injizierten Totimpfstoffe wie BioNTech/Pfizers mRNA-Impfstoff und ein Spike-Antigen transportierender Adenovirus-Vektorimpfstoffkandidat der Charité. Das schreiben die Forscher im Fachblatt Nature Microbiology.

Den besten Schutz erzeugte eine doppelte Immunisierung mit dem Nasenspray-Impfstoff. Wurden die Hamster natürlichen Sars-CoV-2-Viren ausgesetzt, konnten sich diese in der Schleimhaut der Tiere nicht mehr vermehren. Derzeit bereiten die Forscher, ebenfalls gemeinsam mit RocketVax, eine erste klinische Studie mit Menschen vor.

Am weitesten vorangeschritten unter den Intranasal-Lebendimpfstoffen gegen Covid-19 ist der Kandidat von Codagenix. Das US-Unternehmen setzt auf einfache Codon-Deoptimierung und hat für das zweite Quartal Ergebnisse seiner finalen Phase-3-Studie angekündigt.

Bisher haben Indien und China je einen Intranasal-Impfstoff gegen Covid-19 zugelassen. Beide enthalten abgeschwächte Adenoviren, die zum Immunisieren eine Spike-Variante von Sars-CoV-2 in die Schleimhautzellen bringen. Daten zur Wirksamkeit dieser Impfstoffe sind bisher aber kaum verfügbar.

(vsz)