Das ACGT des Lebens
Früher erforderte die DNA-Analyse mühsame Handarbeit, heute wird sie schnell und weitgehend automatisch von Computer-Technik ausgeführt. Doch noch immer sind 20 Prozent des menschlichen Erbguts nicht erfasst
- Antje Galuschka
DNA ist ein kettenförmiges Molekül, aufgebaut aus einheitlichen Elementen, den Nukleotiden. Jeder dieser Bausteine besteht aus einem Zuckermolekül, einer Phosphatgruppe und einer stickstoffhaltigen Verbindung, der Nukleobase, von denen es im DNA-Molekül vier verschiedene gibt: Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T). Weil diese Basen Paarungen miteinander eingehen (A mit T und C mit G), bilden zwei einzelne komplementäre DNA-Ketten die Struktur, die es 1953 als Doppelhelix zu Weltruhm brachte. Die Abfolge der vier DNA-Grundbausteine beeinflusst die Augenfarbe eines Menschen oder, ob er mal an Krebs erkranken könnte.
Die Lesetechnik beruht darauf, DNA zu vervielfältigen und in die Kopien Bausteine zu integrieren, die von Analysegeräten erkannt werden können. Bei der Reproduktion von DNA im Reagenzglas imitiert der Gen-Ingenieur die natürliche Erbgutvermehrung. Bei dieser trennt zunächst ein Enzym wie ein Reißverschluss-Zipper den DNA-Doppelstrang auf. Einzelne Nukleotide, die zu diesem Zweck in jeder Zelle vorhanden sind, lagern sich dann an die nun ungebundenen Bausteine der Einzelketten an - immer hübsch C zu G und A zu T. Das Enzym Polymerase verknüpft die neu hinzukommenden Nukleotide des wachsenden DNA-Fadens miteinander. Dieser Vorgang läuft so lange, bis die DNA auf ihrer ganzen Länge wieder zur Doppelhelix geworden ist.
Im Labor wird der Doppelstrang nicht durch ein Enzym, sondern durch Erhitzen auf 95 Grad aufgetrennt. In den Sequenzier-Cocktail kommt doppelsträngige DNA, dazu jede Menge freie Nukleotide, Polymerase zum Verbinden und so genannte Primer. Das sind kurze DNA-Stücke mit immer derselben Abfolge von A, C, G und T, die sich an der passenden Stelle der Einzelstränge anlagern und so den Startpunkt für die weitere Vervielfältigung durch Einzel-Nukleotide bilden; diese werden nach der Anlagerung an ihre jeweiligen Gegenstücke wieder durch Polymerase untereinander verbunden. Bis hierher ähnelt die Reaktion einer herkömmlichen Polymerase-Kettenreaktion, mit der im Labor DNA in gewünschten Mengen hergestellt werden kann. Das Raffinierte bei der Sequenzierreaktion ist die Verwendung von so genannten Stopp-Nukleotiden mit Farbstoffen, die durch Laserbestrahlung sichtbar gemacht werden können.
Von der Automatisierung der DNA-Sequenzierung profitierte das Human Genome Project (HGP), eine Kooperation internationaler Wissenschaftler, die das genetische Erbe des Menschen analysieren wollten. Die Forscher arbeiteten schon fast ein Jahrzehnt daran, als der Amerikaner Craig Venter 1998 verkündete, er werde die Genomsequenz innerhalb von drei Jahren entschlüsselt haben. Das Wettrennen endete unentschieden: Im Februar 2001 veröffentlichte das HGP seine Rohfassung des menschlichen Genoms in der Fachzeitschrift "Nature", Venters Unternehmen Celera gab seine Ergebnisse im selben Monat bei "Science" bekannt. Das HGP legte in diesem Oktober mit genaueren Daten nach. Doch tatsächlich hat bis heute etwa 20 Prozent der menschlichen DNA, die in einem Bereich mit besonders vielen kurzen und redundanten Sequenzen steckt, ihre Basenfolge noch nicht preisgegeben.
(Zusammenfassung aus Technology Review Nr. 12/2004) (sma)