Das Ende des billigen Heliums – und warum das ein Problem ist

Helium ist für viele Technologien von zentraler Bedeutung, seien es Kernspintomographen oder die Halbleiterproduktion. Das Problem: Die Herstellung schrumpft.

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(Bild: Sarah Rogers / MITTR)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Amy Nordrum
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Das MRT-Gerät an der Mississippi State University (MSU) im gleichnamigen US-Bundesstaat nutzt drei starke Magneten dazu, um Physikern zu zeigen, wie Atome Bindungen eingehen. Chemiker und Biologen nutzen die Kernspintomographie, um neue Polymere zu entwickeln und zu untersuchen, wie Bakterien an Oberflächen binden. Eine wertvolle Anlage also. Damit das alles funktioniert, wird ein bestimmtes Element benötigt, das auch ständig knapp wird: Helium. Die MSU zahlt alle zwölf Wochen 5000 bis 6000 US-Dollar, um den Stoff in seiner Flüssigvariante nachzufüllen, die nötig ist, um die supraleitende Spule im Inneren der MRT-Magneten auf minus 269 °C zu kühlen.

"Das ist bei weitem die größte Ausgabe, die wir hier haben", verrät Nicholas Fitzkee, Direktor des Zentrums. "Der Preis, der unsere Benutzungsgebühren bestimmt, ist von Erwerb von flüssigem Helium abhängig – und dessen Kosten haben sich im letzten Jahr ziemlich genau verdoppelt." Helium ist ein hervorragender Wärmeleiter. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, bei denen die meisten anderen Materialien festfrieren würden, bleibt Helium flüssig. Das macht es zu einem perfekten Kühlmittel für alles, was sehr kalt gehalten werden muss.

Flüssiges Helium ist daher für alle technischen Verfahren unverzichtbar, die supraleitende Magnete verwenden, einschließlich Kernspintomographen und sogar verschiedener Fusionsreaktoren. Helium kühlt auch Teilchenbeschleuniger, Quantencomputer und die Infrarotdetektoren des James-Webb-Weltraumteleskops. Als Gas leitet der Stoff Wärme von Silizium ab, um Schäden in Halbleiterfabriken zu verhindern. "Es ist ein entscheidendes Element für unsere Zukunft", sagt Richard Clarke, ein im Vereinigten Königreich ansässiger Experte für die Suche nach Heliumressourcen und Mitherausgeber des Buches "The Future of Helium as a natural ressource". Und in der Tat hat die Europäische Union Helium auf ihre Liste der kritischen Rohstoffe für 2023 gesetzt, ähnlich sieht man es in Kanada.

In der Geschichte des technischen Fortschritts hat Helium immer wieder eine entscheidende Rolle gespielt, obwohl das Angebot stets knapp ist. Doch wie wird sich die Nachfrage in Zukunft verändern? Einige Länder haben bereits in der Vergangenheit erstaunlich extreme Maßnahmen ergriffen, um eine kontinuierliche Heliumversorgung sicherzustellen. Ein Beispiel: Schon im Juni 1975 schrieb der Westinghouse-Ingenieur H. Richard Howland in der damaligen Ausgabe der MIT Technology Review über ein umstrittenes US-Programm, bei dem Helium jahrzehntelang gehortet werden sollte. Auch heute ist das Element erstaunlich selten. Die weltweite Versorgung hängt in erster Linie von nur drei Ländern – den USA, Katar und Algerien – und weniger als 15 Unternehmen ab.

Da es nur so wenige Quellen gibt, reagiert der Heliummarkt besonders empfindlich auf Störungen. Wenn eine Produktionsanlage ausfällt oder ein Krieg ausbricht, kann das Element plötzlich knapp werden. Und wie MRT-Zentrumsdirektor Fitzkee feststellen musste, ist der Heliumpreis in den letzten Jahren rapide gestiegen, was Krankenhäuser und Forschungseinrichtungen in Bedrängnis brachte. Laut Phil Kornbluth, Helium-Experte und Branchenberater, hat es auf dem weltweiten Markt seit 2006 mindestens vier Engpässe gegeben. Gleichzeitig hat sich der Preis für Helium seit 2020 fast verdoppelt, von 7,57 Dollar pro Kubikmeter auf einen historischen Höchststand von 14 Dollar im Jahr 2023, so die United States Geological Survey (USGS).

Einige Forschungslabors, darunter auch das von Fitzkee, installieren daher Recycling-Systeme für Helium. Die Hersteller von Kernspintomographen arbeitet derweil an der nächsten Generation von bildgebenden Systemen, die weniger Helium brauchen. Doch viele Hightech-Industrien der Welt – darunter die Computerindustrie und die Luft- und Raumfahrt – werden in Zukunft wahrscheinlich noch mehr Helium benötigen als heute. "Letztlich wird Helium immer teurer", sagt Ankesh Siddhantakar von der University of Waterloo, derzeit an einem Doktortitel in industrieller Ökologie arbeitend. "Die Ära des billigen Heliums ist wahrscheinlich vorbei."

Helium ist das zweite Element im Periodensystem, das nur zwei Protonen (und damit zwei Elektronen) hat. Dank der einfachen Struktur gehören Heliumatome zu den kleinsten und leichtesten Atomen, gleich nach Wasserstoff. Sie sind äußerst stabil und reagieren nicht so leicht mit anderen Stoffen, wodurch sie sich leicht in industrielle oder chemische Prozesse einbinden lassen. Eine wichtige Verwendung von flüssigem Helium war in den vergangenen Jahren die Kühlung besagter Magnete in Kernspintomographen, die Ärzten bei der Untersuchung von Organen, Muskeln und Blutgefäßen helfen. Doch die Kosten für Helium sind so stark gestiegen und das Angebot ist so unbeständig, dass Krankenhäuser nach anderen Möglichkeiten suchen. Hersteller von MRT-Geräten wie Philips und GE HealthCare bieten inzwischen Scanner an, die viel weniger Helium benötigen als frühere Generationen. Das könnte helfen – auch wenn es Jahre dauert, die rund 50.000 bereits installierten MRT-Systeme umzurüsten.

Auch andere Branchen finden Wege, Helium zu umgehen. Schweißereien nutzen bei einigen Aufträgen inzwischen Argon oder gar Wasserstoff als Ersatz, während Chemiker bei der Gaschromatografie, einem Verfahren zur Trennung von chemischen Gemischen, auf Wasserstoff umgestiegen sind. Für die meisten Anwendungen gibt es jedoch keine gute Alternative zu Helium. Hinzu kommt: Das Element ist viel schwieriger zu recyceln, wenn es als Gas verwendet wird. In Halbleiterfabriken beispielsweise leitet Heliumgas die Wärme um das Silizium herum ab, um Schäden zu vermeiden, und schützt es vor unerwünschten Reaktionen. Angesichts der steigenden Nachfrage nach Rechentechnik, die zum Teil durch den Boom der künstlichen Intelligenz angetrieben wird, investieren die USA in großem Umfang in den Bau neuer Fabriken, was die Nachfrage nach Helium wahrscheinlich noch steigern wird. "Es steht außer Frage, dass die Chipherstellung in den nächsten Jahren die größte Anwendung sein wird, wenn sie es nicht schon heute ist", sagt Kornbluth.

Insgesamt erwartet die Heliumindustrie laut Kornbluth in den nächsten Jahren ein Wachstum im niedrigen einstelligen Bereich. Das klingt nicht viel, hat aber enorme Auswirkungen. Auf längere Sicht prognostiziert Helium-Geschichtsschreiber Clarke, dass die meisten Industriezweige die Verwendung von Helium für nicht lebensnotwendige Zwecke auslaufen lassen werden. Stattdessen werden sie es hauptsächlich für die Tieftemperaturkühlung oder in Fällen, in denen es keine Alternative gibt, verwenden. Dazu gehören etwa besagte Quantencomputer, Halbleiterfabriken, Teilchenbeschleuniger und bestimmte Fusionsreaktoren, aber auch Raketen und Glasfaserkabel.

"Aus Kostengründen müssen all diese neuen Technologien diesen Aspekt berücksichtigen", sagt Clarke. Angesichts seiner Bedeutung für so viele Industriezweige ist Siddhantakar der Meinung, dass Helium für diejenigen, die über die Verwaltung strategischer Ressourcen nachdenken, einen höheren Stellenwert haben sollte. In einer kürzlich durchgeführten Analyse stellte er fest, dass die globalen Lieferketten für Helium, Lithium und Magnesium ähnlichen Risiken ausgesetzt sind. "Helium ist ein Schlüsselfaktor für kritische Anwendungen, und das ist einer der Punkte, die meiner Meinung nach besser verstanden und gewürdigt werden müssen", sagt Siddhantakar. Eine schwierige Ressource: Das Helium, das wir heute nutzen, entstand vor Millionen von Jahren durch den Zerfall radioaktiver Stoffe und ist seither in Gesteinen unter der Erdoberfläche eingeschlossen.

Das Element wird normalerweise zusammen mit Erdgas aus diesen unterirdischen Lagerstätten gewonnen, wie John Mattill schon in einem Artikel in der MIT-Technology-Review-Ausgabe vom Januar 1986 erläuterte: "Helium kann vor der Verbrennung leicht aus dem Gas abgetrennt werden, aber je niedriger die Heliumkonzentration ist, desto höher sind die Kosten dafür." Im Allgemeinen musste die Heliumkonzentration mindestens 0,3 Prozent betragen, damit sich die Gasunternehmen damit befassten. Solche Konzentrationen gibt es nur in einer Handvoll Länder, darunter die USA, Katar, Algerien, Kanada und Südafrika. Der Grund für die Heliumknappheit ist also nicht ein Mangel an Helium, sondern die Unfähigkeit der Produzenten in diesen wenigen Ländern, es rechtzeitig an die Kunden in der ganzen Welt zu liefern. Dafür kann es eine Reihe von Gründen geben.

"Es handelt sich um ein sehr globales Business, und jedes Mal, wenn irgendwo ein Krieg ausbricht, wirkt sich das auch auf das Heliumgeschäft aus", sagt Kornbluth. Eine weitere Herausforderung ist, dass Heliumatome so leicht sind, dass die Schwerkraft der Erde sie nicht festhalten kann. Sie neigen also dazu, einfach davonzuschweben, selbst wenn sie in speziell dafür vorgesehenen Tanks sitzen. Laut einer neuen Analyse, die Siddhantakar auf dem "International Round Table on Materials Criticality" vorstellte, gehen bis zu 50 Prozent des von uns gewonnenen Heliums verloren, bevor es verwendet werden kann.

In Anbetracht dessen müssen Länder, die viel Helium benötigen – darunter Kanada, China, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Japan, Mexiko, Südkorea und das Vereinigte Königreich –, ständig daran arbeiten, eine zuverlässige Versorgung zu gewährleisten. Die USA sind einer der größten Verbraucher, aber auch ein führender Produzent. Jahrzehntelang war der globale Heliummarkt eng mit der US-Regierung vernetzt, die 1961 begann, Helium für militärische Zwecke in Texas zu lagern. Howland schrieb 1975: "Die ursprüngliche Begründung für das Bundesprogramm zur Lagerung von Helium bestand darin, es bis zu einem späteren Zeitpunkt zu lagern, wenn es wichtiger und weniger verfügbar sein würde."

Die USA haben jedoch nach und nach einen Großteil ihrer Bestände verkauft und versteigern nun den Rest, wobei der endgültige Verkauf in den nächsten Monaten ansteht. Die Folgen sind noch nicht absehbar, aber es scheint wahrscheinlich, dass staatliche Organisationen wie die NASA in Zukunft mehr für Helium bezahlen müssen. Wie Christopher Thomas Freeburn schon 1997 in einem Artikel mit dem Titel "Rettet das Helium" schrieb: "Durch die Abschaffung der Reserve hat sich die US-Bundesregierung ... der Gnade des Marktes unterworfen." Die Kunden auf der ganzen Welt sind immer noch in hohem Maße von den USA und Katar abhängig, die zusammen mehr als 75 Prozent des weltweit verbrauchten Heliums produzieren. Aber die USA haben in den letzten zehn Jahren deutlich weniger produziert und exportiert, während die Nachfrage der US-Verbraucher um 40 Prozent gestiegen ist, so Robert Goodin von der USGS.

In dem Bestreben, die Lücke zu schließen, beginnen nun neue Länder mit der Produktion von Helium, und eine Reihe von Unternehmen erkunden potenzielle Projekte in aller Welt. Im vergangenen Jahr wurden in Kanada vier Heliumanlagen eröffnet, in Südafrika eine Anlage in Betrieb genommen. Russland wird demnächst eine riesige neue Fabrik in Betrieb nehmen, die China mit Helium versorgen wird – und damit Algerien den Platz streitig machen. "Russland wird bereits 2025 zum drittgrößten Produzenten aufsteigen und in den nächsten fünf Jahren ein Viertel des weltweiten Angebots liefern", sagt Kornbluth.

Qatargas in Katar eröffnet daneben eine vierte Anlage, die – zusammen mit der neuen Anlage in Russland – das weltweite Heliumangebot in den nächsten Jahren um etwa 50 Prozent erhöhen dürfte. Einige Unternehmen erwägen auch Standorte, an denen sie Helium gewinnen könnten, ohne es als Nebenprodukt von Erdgas zu behandeln. Helium One erkundet derzeit mehrere solcher Quellen in Tansania. Bereits 1975 beschrieb Howland den Heliummarkt als "ein Beispiel für die Fehlstarts, Ineffizienzen und wirtschaftlichen Fallstricke, die wir vermeiden müssen, um unsere erschöpflichen Ressourcen sinnvoll zu nutzen". Er sagte auch voraus, dass die USA einen Großteil ihrer bekannten Heliumreserven bis zur Jahrhundertwende aufbrauchen würden. Laut einer aktuellen USGS-Analyse verfügen die USA jedoch noch über genügend Helium in den Erdgasreserven, um noch 150 Jahre zu überleben. "Wie bei vielen anderen Dingen wird es auch bei dieser Ressource auf die nachhaltige Bewirtschaftung ankommen", sagt Siddhantakar.

(bsc)