Möglicher Supraleiter mit veränderter Rezeptur

Zwei chinesische Forschungsteams haben unabhängig voneinander ein Material hergestellt, das bei -23 Grad Celsius möglicherweise supraleitend wird.

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Rundes Podest, über dessen Mitte ein Bröckchen Metall schwebt

LK-99 schwebt auf einem Magneten - angeblich.

(Bild: Screenshot aus dem Video der südkoreanischen Forschenden.)

Lesezeit: 3 Min.

Als koreanische Forschende im August 2023 verkündeten, sie hätten ein neues Material entdeckt, das bei Zimmertemperatur supraleitend ist, also keinen elektrischen Widerstand hat, erzeugten sie eine riesige Aufmerksamkeitswelle. Denn bisher müssen Supraleiter – zum Beispiel für Hochleistungs-Magnete – aufwendig mit Helium oder mindestens mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden. Die Entdeckung eines solchen Materials wäre also ein riesiger technischer Durchbruch gewesen. Weltweit versuchten Forschende das Material namens LK-99 selbst herzustellen, und die Messungen der Koreaner zu bestätigen. Allerdings erwiesen sich die Hoffnungen als verfrüht – die Messungen und Beobachtungen, die zunächst nach Supraleitung aussahen, ließen sich auch anders interpretieren.

Jetzt könnte das Material jedoch eine kleine Renaissance erleben. Denn zwei chinesische Forschungsgruppen, die ursprünglich die LK99-Ergebnisse reproduzieren wollten, haben einen Teil der Kupfer-Atome in dem Material durch Schwefel ersetzt. Der Physiker André Cote, der sich bereits intensiv mit LK99 beschäftigt hat, spekuliert auf X, dass die neuen Messungen belegen würden, dass auch schon die ersten LK99-Proben beim Herstellen mit Schwefel verunreinigt waren.

In einem gemeinsamen Preprint-Paper schreiben die chinesischen Forschenden, ihr Material zeige "einen möglichen Meißner-Effekt" bei Temperaturen bis -23 Grad Celsius und magnetischen Feldstärken bis 25 Oerstedt – noch nicht ganz Raumtemperatur, aber ziemlich nah dran, allerdings ist die kritische Feldstärke vergleichsweise klein.

Der Meißner-Ochsenfeld-Effekt ist ein wichtiges Indiz für Supraleitung: Bringt man Supraleiter in magnetische Felder, dringen diese nur bis auf eine dünne Schicht an der Oberfläche in sogenannte Typ-I-Supraleiter ein. Das magnetische Feld wird aus dem Supraleiter heraus gedrängt – das Material weist eine negative magnetische Suszeptibilität auf. Bei Typ-II-Supraleitern wird die Sache komplizierter, dort "frieren" die magnetischen Feldlinien in Form von quantisierten Flussschläuchen im Supraleiter in einer fixen Position ein. Ein Effekt, der zum Beispiel für Schwebebahnen genutzt werden kann.

Könnte also der Meißner-Ochsenfeld-Effekt bei dem neuen Material eindeutig nachgewiesen werden, wäre die Sache klar: Es wäre ein Supraleiter. Die Forschenden formulierten ihr Paper diesmal allerdings bedeutend vorsichtiger als ihre koreanischen Kollegen Ende Juli 2023, denn die gemessenen Effekte sind recht schwach. Sie vermuten, das läge daran, dass nur in einem kleinen Teil der pulverförmigen Probe die Schwefel-Atome in der richtigen Position sind. Nur in diesem Teil des – dadurch verzerrten – Kristallgitters würden sich daher die für die Supraleitung notwendigen Cooper-Paare bilden. "Wir denken, dass es immer noch eine große Chance gibt, Supraleitung bei Raumtemperatur zu beobachten", schreiben sie. "Die Signale in unserer Probe sind noch extrem schwach, daher müssen wir uns bemühen, um skalierbare Proben mit mehr aktiven Komponenten zu synthetisieren." Mit weiteren Ergebnissen rechnen sie in ein bis zwei Monaten.

(wst)