Das gute alte Silizium im topmodernen Quantenrechner

Traditionelle Halbleitermaterialien eignen sich bislang nicht für Quantencomputer. Die im Siliziumbereich vorhandenen Herstellungskapazitäten machen sie dennoch interessant.

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Von
  • Martin Giles
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Seit Jahrzehnten sind Mikrochips aus Silizium das Herz der IT-Industrie. Auf dem Weg hin zum Quantencomputer schien das Material aber aufs Abstellgleis geschoben werden zu müssen – hier seien eher, hieß es zumindest bislang, neue technische Grundstoffe gefragt. Doch womöglich ändert sich das bald durch neue wissenschaftliche Fortschritte.

Theoretisch ist Silizium ein guter Kandidat für die Rechenmaschinen der nächsten Generation. Es gibt bereits eine gigantische Infrastruktur, um Chips aus dem Material herzustellen. Es existieren zudem erste Verfahren, mit denen daraus auch Qubits, also Quantenbits, generiert werden können.

Qubits sind die grundlegenden Bausteine von Quantencomputern. Ein Qubit hat die Fähigkeit, zwei Schaltzustände (also 0 und 1) gleichzeitig einzunehmen, die sogenannte Superposition. So lassen sich Massenparallelrechner schaffen, die zumindest in der Theorie wesentlich schneller arbeiten als die mächtigsten konventionellen Computer.

Silizium-basierte Ansätze waren im Quantenbereich allerdings bislang vergleichsweise unbeliebt. Stattdessen werden insbesondere supraleitende Materialien wie auf extrem niedrige Temperaturen heruntergekühltes Aluminium verwendet. Silizium erlaubte bislang nur eine schwerfällige Kontrolle, wie Qubits generiert werden – zudem weiß noch niemand, ob solche Rechner ausreichend skalieren würden.

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Beim Chipriesen Intel hofft man nun, dass sogenannte Spin Qubits das Problem lösen. Die Grundidee dabei ist, winzige Mikrowellenimpulse einzusetzen, die den Elektronenspin in Siliziumkomponenten steuern und so wirksam Qubits generieren.

Es gibt zudem Fortschritte dabei, diesen Prozess effizienter zu gestalten. In einem kürzlich in "Nature" veröffentlichten Paper zeigen Forscher der Technischen Universität Delft in den Niederlanden und der University of Wisconsin-Madison in den USA, wie man eine Zwei-Qubit-Maschine basierend auf Spin Qubits so programmieren kann, dass sie verschiedene Algorithmen ausführt, die die Einsatzfähigkeit von Quantenrechnern belegen – etwa beim Durchsuchen einer Datenbank.

Thomas Watson, einer der Forscher, sagt, dass die Fortschritte seines Teams unter anderem darauf basieren, zentrale Bauelemente, die sogenannten Quantengatter, in der Maschine besser zu kalibrieren. Silizium-basierte Systeme könnten zudem erlauben, mehr Qubits auf einer kleineren Fläche unterzubringen als andere Ansätze. Je enger diese beieinanderliegen, umso einfacher ist es für sie, ihre Nachbarn zu beeinflussen, was die Rechenleistung weiter steigern kann.

Ein Forscherteam aus Wissenschaftlern der Princeton University, der Uni Konstanz und vom Joint Quantum Institute/NIST in Maryland will zudem entfernt voneinander liegende Qubits über Mikrowellenphotonen miteinander koppeln. Auch das erhöht die Computerpower.

Noch gibt es aber eine Reihe von Problemen, die zu lösen wären, damit Silizium-basierte Qubits in der Quantenszene wirklich ernst genommen werden. Doch das Potenzial ist vorhanden.

Sie halten ihren Quantenstatus länger als Qubits aus supraleitendem Material, was mehr einzelne Operationen am Stück erlaubt. Zudem arbeiten sie auch bei höheren Temperaturen, was die Hardwarekomplexität senkt.

Intel hofft außerdem, dass die aktuellen Fortschritte dazu führen könnten, dass Quantencomputer eines Tages mit Millionen Qubits ausgestattet sein werden, die ein kommerzielles System benötigt. Der Chipkonzern unterstützt deshalb externe Forscher und will demnächst Wafer produzieren, auf denen Tausende kleine Qubit-Arrays sitzen. Diese kommen aus einer Fabrik, in der sonst traditionelle Halbleiter hergestellt werden.

Allerdings ist der Chipriese nicht nur an Silizium-Quantenrechnern interessiert. Intel forscht parallel auch an Systemen auf Basis supraleitender Materialien – sicher ist sicher.

(bsc)