Quantenchips vom Fließband

Lange Zeit waren Quantencomputer ein wissenschaftliches Kuriosum, doch sie nähern sich einem Punkt, ab dem sie wirklich nützlich werden. Intel produziert jetzt einen Quantenchip, der auf einem normalen Prozessor basiert.

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Von
  • Will Knight
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Intel hat mit der Produktion von Chips für Quantencomputer begonnen. Die neue Hardware ist noch zu empfindlich, um viel echte Arbeit zu leisten, aber sie liefert ein starkes Signal dafür, dass die Technologie Anwendungen in der realen Welt näher kommt. "Wir bringen Quantencomputer aus dem akademischen Raum in den Halbleiter-Raum", sagt Jim Clarke, Leiter für Quanten-Hardware bei Intel.

Konventionelle Computer speichern und bearbeiten Daten über binäre Einsen und Nullen. Quantencomputer dagegen arbeiten mit Quanten-Bits oder Qubits und nutzen Quanten-Phänomene, um Daten in mehr als einem Zustand gleichzeitig abzubilden. Dadurch sind Berechnungen auf eine vollkommen neuartige Weise möglich, und manche parallelen Berechnungen dauern nur so lang wie sonst eine einzige.

Quantentechnik

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Lange Zeit waren Quantencomputer ein wissenschaftliches Kuriosum, und noch immer gibt es gewaltige Herausforderungen bei der zuverlässigen Handhabung mit Quanten-Informationen. Zunehmend aber stellt sich das Gefühl ein, dass die Technologie innerhalb von ein paar Jahren den Forschungslaboren entwachsen könnte.

Der Quanten-Chip von Intel arbeitet mit supraleitenden Qubits. Dieser Ansatz basiert auf einem bestehenden Schaltkreis-Design, nutzt aber ein vollkommen anderes elektronisches Phänomen, das nur bei sehr niedrigen Temperaturen funktioniert. Der Chip, der 17 Qubits steuern kann, wurde in den vergangenen 18 Monaten von Forschern in einem Labor in Oregon entwickelt und wird in einer Intel-Fabrik in Arizona produziert.

Partner bei dieser Arbeit war QuTech, ein Spin-Off der Universität Delft in den Niederlanden, das auf Quantencomputer spezialisiert ist. QuTech hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte in Richtung stabilerer Qubits gemacht. Im Jahr 2015 hat Intel 50 Millionen Dollar in das Unternehmen investiert.

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Die Intel-Forscher adaptierten das bestehende Design für einen "Flip Chip"-Prozessor von Intel so, dass es die Feinheiten der Quanten-Verarbeitung unterstützt. Die Chips müssen also bei extrem niedrigen Temperaturen funktionieren und unempfindlich gegenüber Funk-Interferenzen sein. Die Qubits sind nur bei extremer Kälte stabil, also modifizierten die Forscher die Materialien, das Schaltkreis-Design und die Verbindungen zwischen Komponenten.

Intel ist nicht das einzige Unternehmen, das an praxisgerechten Quantencomputern arbeitet. Auch Google, IBM, Microsoft und andere wetteifern darum, die die erste Quanten-Maschine zu entwickeln, die reale Aufgaben übernehmen kann.

Intel ist relativ spät dabei, doch das Unternehmen setzt darauf, dass seine Fertigungserfahrung ihm dabei helfen kann, zu den Konkurrenzen aufzuschließen oder sie zu überholen. Laut Clarke hat Intel im Jahr 2014 entschieden, sich auf Quantencomputer zu konzentrieren, und war dabei der Ansicht, den Fortschritt mit bestehenden Produktionsmethoden beschleunigen zu können. "Intel ist der einzige Mitspieler, der über fortschrittliche Technologien für Produktion und Packaging verfügt", sagt Clarke.

Die Fähigkeiten von Quanten-Chips werden besser, so dass sie irgendwann einen Punkt erreichen dürften, ab dem bestimmte Berechnungen mit ihnen weitaus schneller werden. Sofort zu spüren wäre das in Bereichen wie Chemie oder Materialwissenschaft, in denen extrem komplexe molekulare Modellierungen möglich würden. Ebenso könnten die neuen Möglichkeiten eine Reihe von neuen Ideen entstehen lassen.

Zuletzt gab es die Hoffnung, dass Quantencomputer für schnelleres Maschinenlernen genutzt werden könnten. Mehrere neue Algorithmen für Quanten-Maschinenlernen wurden vorgestellt, haben allerdings sämtlich noch bedeutende Probleme zu lösen.

Intel beschäftigt sich außer mit Hardware auch mit Algorithmen, sagt Jim Held, Leiter neue Technologien in den Intel Labs. "Wir sehen die Möglichkeit von bedeutenden Fortschritten mit hybriden Algorithmen, die das Beste der klassischen Fähigkeiten mit den Stärken von Quantencomputern vereinen", erklärt er.

Hartmut Neven, Leiter des Quantencomputer-Projekts bei Google, hat angekündigt, dass sein Unternehmen bis zum nächsten Jahr ein System mit 49 Qubits bauen wird. Eine solche Maschine könnte Berechnungen vornehmen, die sich auf einem konventionellen Supercomputer nicht mehr simulieren lassen. Von da an wäre die so genannte Quanten-Überlegenheit erreicht.

(sma)