Dauergequassel in der Luft

Gute Nachricht für Mobilfunk-Junkies: Mehrere Airlines wollen bald das Handy-Telefonieren erlauben. Nur teuer wird es sein.

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Die US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission prüft derzeit den Vorschlag, die Verbannung von Handys aus Flugzeugen aufzuheben. Auch das Bundesverkehrsministerium arbeitet an einer Neufassung der Luftfahrzeug-Elektronik-Betriebsverordnung (LuftEBV). Zumindest Geräte mit einer Sendeleistung von weniger als 100 Milliwatt, wie Bluetooth-Kopfhörer oder WLAN-Notebooks, sollen künftig an Bord erlaubt sein. Zum Vergleich: Handys senden mit bis zu zwei Watt. "Der uneingeschränkte Betrieb von Mobiltelefonen bleibt weiterhin grundsätzlich verboten", teilt das Luftfahrtbundesamt deshalb mit.

Wie gefährlich Handys an Bord tatsächlich sind, darüber sind sich Experten uneins. "Das Thema elektromagnetische Störungen ist vom Tisch", behauptet Michael Lamberty, Pressesprecher der Deutschen Lufthansa. Bill Strauss, Ingenieur an der Carnegie Mellon Universität hält dagegen: "Die dauernde Benutzung von Mobiltelefonen an Bord wird eines Tages aller Wahrscheinlichkeit nach einen Unfall verursachen." Einer Studie der NASA zufolge ist ein einzelnes Handy zwar tatsächlich harmlos, doch die Vermengung von Frequenzen unterschiedlicher Netze kann Störfrequenzen im Bereich des Satellitennavigationssystems GPS erzeugen.

Strauss schätzt, dass jährlich in den USA rund 20 sicherheitsrelevante Vorfälle auf das Konto von Mobiltelefonen gehen. Er errechnete daraus, dass es etwa alle zwölf Jahre zu einem von Mobiltelefonen verursachten Flugunfall kommen werde – bei der derzeitigen Handy-Nutzung trotz Verbots, wohlgemerkt. Dies sei allerdings, wie der Forscher zugibt, eine sehr grobe Schätzung. Strauss selbst will seine Studie nicht dramatisieren: "Es ist keine Oh-mein-Gott-Situation, aber auch keine, die man zu leicht nehmen sollte." Eine Lösung des Problems bieten so genannte Pico-Zellen. Dabei sammelt eine Basisstation an Bord alle Telefonsignale ein und leitet sie an den Boden weiter. Handys brauchen innerhalb einer solchen Pico-Zelle nur noch mit einer unbedenklich niedrigen Leistung zu senden. Zusätzlich wird die direkte Verbindung eines Handys mit der Bodenstation durch ein Störsignal unterbunden. Angenehmer Nebeneffekt für die Fluggesellschaften: Sie können eigene Gebühren für die Gespräche nehmen.

Die ersten Maschinen mit Pico-Zellen-Technik der niederländischen Firma OnAir werden Ende 2006 bei TAP Portugal und British Midland Airways an den Start gehen. 2007 folgt Air France. Läuft das auf Dauergequassel in der Luft hinaus? Nicht unbedingt: Zunächst wollen die Fluggesellschaften mit einem sechsmonatigen Praxis-Testlauf "eine Balance zwischen dem Ruhe- und dem Kommunikationsbedürfnis ihrer Kunden finden", sagt OnAir-Sprecherin Barbara McCall – beispielsweise, indem das Kabinenpersonal das System während der Nacht abschaltet. Auch die Gebühren dürften für Zurückhaltung sorgen: Sie werden sich nach Angabe von McCall im Bereich von 2,50 Dollar pro Minute bewegen. Die Lufthansa hat laut Sprecher Lamberty noch keine konkreten Pläne, ihre Maschinen mit Pico-Zellen auszurüsten. Eine andere Möglichkeit, schon jetzt legal an Bord zu telefonieren, bietet Voice over IP (VoIP). 60 der 80 Lufthansa-Langstreckenjets sind bereits mit drahtlosem Internetzugang ausgerüstet und ermöglichen somit Internet-Telefonie zu Preisen zwischen neun Dollar pro Stunde und 26 Dollar pro Tag, plus ein paar Cent für den VoIP-Provider. (wst)