Dehnungsübungen für effizientere Chips

Noch immer gilt das Moore'sche Gesetz von der stetig steigenden Leistung von Computer-Chips.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Eric S. Brown
Inhaltsverzeichnis

Ohne exotische Neuerungen wie Quantenrechner oder biologische Computer dürfte das Moore'sche Gesetz der Halbleitertechnologie noch 15 Jahre Gültigkeit behalten. Bis dahin werden allerdings die Transistoren so klein auf so engem Raum untergebracht sein, dass sie immense Mengen an Energie verbrauchen. Sie werden außerdem eine aufwendige Kühlung brauchen und sich deshalb schlechter für PCs und diverse mobile Geräte eignen.

Vor allem das Problem des Stromverbrauchs, das vor allem auf Leckströme zurückzuführen ist, könnte der Leistungsfähigkeit von Laptops, Smart Phones und anderen akkubetriebenen Kleingeräten bald Grenzen setzen. Ein im Dezember erstmals vorgestelltes Verfahren namens Dual Stress Liner (DSL) soll Abhilfe schaffen - mit der Technik wollen AMD und IBM dazu beitragen, die weitere Gültigkeit des Moore'schen Gesetzes nicht bloß für Supercomputer-Chips sicherzustellen.

Werden die Transistoren und die mit Silizium ausgefüllten Zwischenräume immer weiter verkleinert, gehen beim Einschalten zwar weniger Elektronen unterwegs verloren. Weil aber in den neuen Prozessoren viel mehr Transistoren stecken, bleibt dieser Vorteil wegen der vermehrten Möglichkeiten des Schwundes praktisch auf der Strecke. Darüber hinaus nehmen die so genannten statischen Verluste ("static leakage") zu -- Energieverluste, die anfallen, wenn die Transistoren untätig sind.

Das DSL-Verfahren beseitigt diese Schwierigkeit nicht. Aber es kann sie umgehen, indem es für höhere Geschwindigkeiten eine andere Methode einführt als das traditionelle Verkleinern der Strukturen: Wie bei anderen Techniken auf der Basis von gestrecktem Silizium ("strained silicon") werden bei DSL verschiedene Teile des Siliziums gedehnt oder komprimiert, um den Stromfluss zu verbessern.

Bei der Perfomance macht sich das zuerst bezahlt: Beide Unternehmen sprechen von 24 Prozent höheren Transistor-Geschwindigkeiten, während Intel mit seinem aktuellen Strained-Silicon-Verfahren einen Zugewinn von 15 bis 20 Prozent verbuchte. Und sowohl AMD als auch IBM behaupten, diese Ergebnisse ohne einen Mehrverbrauch an Energie oder höhere Produktionskosten zu erreichen.

Wie bei jedem Prozessor werden die Leistungsgewinne im Live-Betrieb hinter den Steigerungen der reinen Transistor-Geschwindigkeit erheblich zurückbleiben. Dennoch erwartet AMD für Anwendungen, bei denen Geschwindigkeit wichtiger ist als Energieeinsparung, in Computern mit den für diesen Sommer angekündigten DSL-basierten AMD64-Prozessoren Zugewinne von bis zu 16 Prozent. IBM dürfte Power-Architektur-Prozessoren mit ähnlichen Werten etwa zur gleichen Zeit herausbringen. Sony und Toshiba, die an der Entwicklung der Technologie beteiligt waren, könnten sie im neuen CELL-Prozessor einsetzen, der für Konsumelektronik vorgesehen ist.

Wie Intels 2003 eingeführtes gestrecktes Silizium beschäftigt sich auch DSL mit den Schwierigkeiten, die sich aus der Doppelnatur von Computerprozessoren mit ihrer Mischung von p- und n-Kanal-Transistoren ergeben.

Transistoren mit n-Kanal funktionieren besser mit gestrecktem Silizium. Die Dehnung der Siliziumorbitale bügelt nämlich Energiedifferenzen aus, die die Bewegung der Elektronen behindern. Dagegen profitieren p-Kanal-Transistoren eher von komprimiertem Silizium. Bis vor kurzem war es schwierig, beide Verfahren zu kombinieren, ohne einen Transistorentyp zu bevorzugen.

"Es ist ganz schön knifflig, eine gedehnte Schicht über die eine Sorte Transistor zu legen und zugleich eine gestauchte Schicht über die andere", sagt Nick Kepler, Vizedirektor für Schaltkreis-Entwicklung bei AMD. "Wir haben eine Möglichkeit gefunden, gestrecktes Silizium bei n- und p-Kanal-Transistoren zugleich einzusetzen. Dabei haben wir herkömmliche Materialien benutzt."

Statt des exotischen Silizium-Germaniums (SiGe), wie es beispielsweise Intel einsetzt, ist es AMD und IBM gelungen, mit dem verbreiteteren Siliziumnitrid auszukommen. Das Festhalten an einem bewährten Verfahren, so Kepler, ermöglicht eine höhere Ausbeute bei geringeren Kosten.