Dekra rät von Gebrauchtwagenkauf ab
Der Markt für Gebrauchtwagen ist derzeit vollkommen überhitzt. Die Dekra rät daher zum Abwarten, bis sich die Lage beruhigt hat.
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Die Preise für Neu- und Gebrauchtwagen haben binnen Jahresfrist enorm zugelegt. Ein vergleichbar alter Diesel kostet aktuell im Schnitt knapp 32 Prozent mehr als vor einem Jahr.
(Bild: VW)
- Haiko Prengel
Bis zu 30 Prozent mehr für einen Benziner oder Diesel: Die Preise für Gebrauchtwagen sind in den vergangenen Monaten enorm in die Höhe geschossen. Manche Fahrzeuge kosten sogar mehr als Neuwagen, weil diese nicht zu haben sind. Die Dekra rät daher aktuell vom Autokauf ab. "Ich persönlich würde meinen Gebrauchten jetzt erst einmal behalten, bis sich der Markt wieder abgekühlt hat“, sagt Michael Tziatzios, Leiter des Gebrauchtwagenmanagements Dekra in Stuttgart. Nach einer Auswertung des Marktbeobachters DAT sind dreijährige Gebrauchtwagen binnen eines Jahres um fast ein Drittel teurer geworden. Für einen Benziner wurden im Durchschnitt 27.900 Euro (plus 30,1 Prozent) fällig. Diesel verteuerten sich sogar um 31,8 Prozent auf im Schnitt 28.960 Euro.
Autos werden länger genutzt
Treiber des Preisanstiegs ist vor allem ein niedriges Angebot an Neufahrzeugen infolge von Corona, Chipkrise sowie Rohstoff- und Teilemangel. Er könne deshalb verstehen, warum viele Autohalter an ihren älteren Pkw festhielten, meint Tziatzios. Die meisten Deutschen fahren derzeit ihren alten Verbrenner weiter – und zwar länger als zuvor. 2021 erhöhte sich das Durchschnittsalter der Gebrauchtwagen auf 9,8 Jahre.
Sechs- und Achtzylinder nahezu ausverkauft
Auf der Suche nach soliden und bezahlbaren Gebrauchtwagen lassen sich die Menschen offenbar auch von den hohen Spritpreisen nicht abschrecken. So sind laut Dekra ausgerechnet großvolumige Sechs- und Achtzylinder auf dem Markt so gut wie ausverkauft: "Auf diese Autos gab es zuletzt einen regelrechten Run“, sagt Tziatzios. Ein Grund sei, dass die meisten Hersteller aufgehört hätten, Fahrzeuge mit solch großen Motoren zu bauen. Selbst Mercedes-Benz und BMW setzten inzwischen hauptsächlich auf Vierzylinder. Derzeit versuchen offenbar Liebhaber, sich noch die letzten gut erhaltenen klassischen Reihensechszylinder oder V8-Boliden zu sichern – mit entsprechendem Preisauftrieb.
(Bild: Mercedes)
Von Halbjahres- oder Jahreswagen rät Michael Tziatzios wegen der hohen Preise explizit ab. "Dann würde ich lieber ein neues Fahrzeug nehmen.“ Zwar hätten manche Unternehmen Lieferschwierigkeiten. Einige deutsche Hersteller beispielsweise steckten ihre Chips wegen der höheren Gewinnmargen lieber in hochpreisige Fahrzeuge – Kleinwagen könnten so teils nicht mehr produziert werden oder die Lieferzeiten seien enorm lang. Asiatische Marken, gerade aus Korea, seien aber durchaus lieferfähig.
Alternativen zum Kauf
Eine überlegenswerte Alternative sei, die aktuelle hitzige Phase zu umschiffen: durch Car-Sharing oder mit einem Auto im Abo. "Dann hat man für die nächsten 12 oder 18 Monate ein neues Fahrzeug, überbrückt so die turbulente Zeit. Wenn sich der Markt wieder normalisiert hat, kauft man sich das, was man jetzt nicht oder nur zu übertriebenen Preisen bekommt."
Wenn die Deutschen ihre alten Verbrenner länger fahren, könnte dies allerdings mit den Zielen der Bundesregierung kollidieren: Nach ihrem Willen sollen bis 2030 immerhin 15 Millionen Elektroautos über die Straßen rollen. Doch Experten zweifeln ohnehin daran, dass dieses Ziel noch zu erreichen ist. Ein Hemmnis auf dem Weg ist der zu langsame Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Keine Entspannung bei den Preisen in Sicht
Mit einer kurzfristigen Entspannung auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist indes nicht zu rechnen. Neuwagen werden noch geraume Zeit knapp bleiben. Eine Studie der Unternehmensberatung Alix Partners kam zu dem Schluss, dass der Mangel an Chips noch bis mindestens 2024 andauern wird. Kommt es tatsächlich so, wird dahin wird der Bedarf über dem Angebot liegen, mit entsprechenden Folgen für die Preise.
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(mfz)