Akkutechnik: „Der Aufwand ist gerechtfertigt“

Solid-State-Batterien sind prinzipiell hervorragende Energiespeicher, machen in der Praxis jedoch große Probleme. Ein führender US-Forscher erklärt, warum sie wohl trotzdem auf den Markt kommen werden – aber erst spät.

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Akkutechnik: „Der Aufwand ist gerechtfertigt“

Lithium-Ionen-Akkupack für ein Auto.

(Bild: "Plug-In" / Kevin Krejci / cc-by-2.0)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • James Temple

Das US-Energieministerium startet ein umfangreiches Forschungsprojekt für die Entwicklung einer neuen Generation von Lithium-Ionen-Akkus, die weitgehend ohne Kobalt auskommen sollten. Denn das Material ist selten und teuer und wird über eine zunehmend fragwürdige Lieferkette beschafft.

Das dreijährige Programm ist Teil von umfangreicheren Bemühungen im Bereich von Fahrzeug-Technologien. Auf Dauer könnte es zu billigeren und langlebigeren Konsumelektronik-Geräten, Elektroautos und Netz-Speichern führen.

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Der Materialwissenschaftler Gerd Ceder leitet am Lawrence Berkeley National Lab eines der Teil-Projekte, das zum Ziel hat, „ungeordnete Steinsalze“ als Alternative zu Akku-Kathoden, also die positive Kathode in wiederaufladbaren Zellen, zu entwickeln. Üblicherweise wird Kobalt benötigt, um in der Elektrode eine Schichten-Struktur zu erzeugen und zu bewahren, die für Lithium-Ionen gut passierbar ist. Vor einigen Jahren aber haben Ceder und seine Kollegen festgestellt, dass ihre neue Materialklasse mehr Lithium speichern könnte. Dadurch lässt sich möglicherweise die Energiedichte erhöhen und ganz auf Kobalt verzichten.

In einem Interview mit der US-Ausgabe von Technology Review spricht Ceder über die Schwierigkeiten bei dem Versuch, neue Materialien als „Ersatz“ in die Batterie-Produktion einzuführen, und über die Gründe dafür, dass Lithium-Ionen-Technologie den Speicher-Markt noch lange beherrschen wird. Und er verrät, warum es immer so lange dauert, bis Fortschritte bei Batterien wirklich auf den Markt kommen.

Was sind die nächsten Schritte bei der Entwicklung Ihrer neuen Klasse von Verbindungen?

Seit der ursprünglichen Entdeckung sind inzwischen etwa vier Jahre vergangen, und es gibt mehr als ein Dutzend Verbindungen in dieser Kategorie, die viel versprechende Eigenschaften zeigen. Das war die Entdeckungsphase, in der jeder losgeht und alle möglichen unterschiedlichen Zusammensetzungen ausprobiert.

Im nächsten Schritt werden wir einige dieser viel versprechenden Materialien nehmen und prüfen, ob wir all die kleinen Probleme lösen können, die gelöst werden müssen, um ein kommerzielles Produkt herzustellen. Die Lade- und Entlade-Rate muss gut sein, und die Zahl der Zyklen, die über die Lebensdauer einer Batterie bestimmt, muss verbessert werden.

Als Nächstes lernen die Leute alle möglichen Tricks bei der Verarbeitung und Oberflächen-Behandlung. Auf diese Weise werden Batterien immer besser. Ich würde sagen, einige dieser Materialien werden es in die nächste Phase schaffen. Wahrscheinlich zählen sie derzeit sie zu den besten Kandidaten für Kathoden-Materialien mit höherer Energiedichte.

Warum dauert es bei Energie-Speichern immer so lange, bis im Labor erzielte Fortschritte den Markt erreichen?

Eine Entdeckung kann schnell kommen, aber es dauert einfach sehr lange, Materialien zu optimieren und zu testen, auch auf die Akzeptanz beim Kunden und so weiter. Selbst wenn ich etwas hätte, das heute im Labor perfekt funktioniert, würde es bis zur Vermarktbarkeit wahrscheinlich noch sechs bis zehn Jahre mit harter Arbeit dauern.

Jemand muss die Hochskalierung übernehmen. Das muss getestet werden. Anschließend wird ein Batterie- oder Zell-Hersteller gebraucht, der zwei Jahre mit Tests verbringt. Wenn das befriedigend verläuft, wird er ein kleines Produkt daraus machen – etwas für einen Nischenmarkt, weil man mit neuen Produkten keine Marktrisiken eingehen möchte.

Vor einigen Jahren haben Sie Solid-State-Batterien als „beinahe perfekt“ bezeichnet. Wie denken Sie heute darüber?

Ich bin immer noch optimistisch, dass sie das Spiel grundlegend verändern werden. Meiner Meinung nach könnte das Produkt letztlich so gut werden, dass die Bemühungen darum gerechtfertigt sind. Es könnte tatsächlich irgendwann aussehen wie die ideale Batterie.

Allerdings haben wir und andere Forscher in den vergangenen Jahren all die Probleme identifiziert, die dafür gelöst werden müssten. Also denke ich, dass diese Technologie immer noch zu den viel versprechendsten im Bereich Energie-Speicherung zählt. Aber es müssen noch ziemlich viele Probleme gelöst werden.

Solid-State-Elektrolyten sind oft nicht stabil. Und bislang hat noch niemand eine wirklich gute Methode für die Produktion solcher Batterien vorgeschlagen. Man kann sie im Labor herstellen, und manche Unternehmen produzieren sogar Prototypen, aber das beweist nur, dass es grundsätzlich funktioniert, nicht die Wirtschaftlichkeit.

Zu großen Teilen geht es hier um technische Herausforderungen, und meine Philosophie ist, dass sich technische Herausforderungen mit Geld lösen lassen. Wissenschaftliche Probleme liegen in einer ganz anderen Kategorie – Erfindungen kann man schlecht zeitlich planen. Aber ich bin zuversichtlich, dass Solid-State kommen wird.

Erheblich investiert wird derzeit auch in Netz-Speicher. Welche Ansätze halten Sie in diesem Bereich für aussichtsreich?

Netz-Speicher sind meiner Meinung nach die große Unbekannte. Kurzfristig wird hier alles mit Lithium-Ionen laufen. Die Technologie ist zuverlässig und man kann sie heute von zuverlässigen Anbietern kaufen.

Man kann philosophische Diskussionen darüber führen, ob das die beste Art der Speicherung für Stromnetze ist oder nicht. Aber wenn Sie ein Versorger wie PG&E sind, bei wem sollten Sie kaufen? Beim Start-up XYZ, das es in drei Jahren vielleicht gar nicht mehr gibt, oder doch lieber bei LG Chem, CATL oder Samsung?

Ich will also nicht ausschließen, dass andere Technologien das Netz erreichen, aber man sollte die Konkurrenz durch etablierte Anbieter nicht unterschätzen, denn die haben einiges zu bieten.

Als Gegenargument hört man häufig, es gebe Grenzen dafür, wie billig Lithium-Ionen-Technologie werden kann – und sie soll nicht gut geeignet sein für die Speicherung über Tage, Wochen oder sogar Monate, die für das Stromnetz vielleicht gebraucht wird.

Lithium-Ionen-Technologie ist schon heute ziemlich billig. All die anderen Technologien mögen auf dem Papier niedrige Kosten-Strukturen haben, aber das müssen sie erst noch beweisen. Start-ups brauchen Märkte mit hohem Wert, und beim Stromnetz ist das nicht unbedingt der Fall.

Nehmen wir ein extremes Beispiel – saisonale Speicherung. Wie viel würden Sie bezahlen, um eine Kilowattstunde von Juni bis Dezember aufzuheben? Der Speicher muss unglaublich billig sein. Für mich ist nicht offensichtlich, dass die Lösungen für diese Probleme im Bereich der klassischen elektrochemischen Speicherung gefunden werden. Nicht jedes Problem wird sich mit Batterien lösen lassen.

(sma)