Der Flug des Libellenroboters
Forscher orientieren sich an der Natur, um ein besonders wendiges Fluggerät im Miniformat zu schaffen.
- Kristina Grifantini
Eines Tages will das US-Militär klitzekleine fliegende Roboter einsetzen, die mit Kameras und Sensoren ausgestattet ins feindliche Kampfgebiet fliegen können. Damit die Technik funktioniert, muss sie die Navigation um Hindernisse beherrschen, kleinere Lasten tragen können und eine ausreichende Reichweitenleistung besitzen. Eine Gruppe von Forschern glaubt nun, dass die Natur die geeignete Inspiration für die Technologie sei: Genauer gesagt ein Insekt.
Libellen gehören zu den wenigen Kreaturen unseres Planeten, die vier unabhängig voneinander kontrollierte Flügel verwenden, um sich durch die Luft zu bewegen. Dadurch können sie schweben, enorm schnell beschleunigen, gleiten, rückwärts fliegen und ihre Richtung mit hoher Geschwindigkeit ändern.
Wissenschaftler am englischen Royal Veterinary College und der Universität Ulm haben nun eine Roboterlibelle entwickelt, an der die Luftströme ober- und unterhalb der Flügel gemessen werden können – jeweils angepasst an verschiedene Flügelstellungen. Während sich die meisten Libellen-Schwebearten im Versuch als nicht sehr effizient erwiesen, ergab sich doch eine, die eine Energieersparnis von 22 Prozent im Vergleich zu einzelnen Flügelpaaren ergab. Das trat immer dann auf, wenn die unteren Flügel etwas schneller schlugen als die oberen.
"Der Hauptvorteil bei vier Flügeln ist die Manövrierfähigkeit, dass man so schweben und schnell beschleunigen kann", meint MIT-Professor Jonathan How, der selbst an fliegenden Robotern arbeitet. "Es wäre fantastisch, wenn es uns gelingen würde, etwas zu bauen, dass nur annähernd an die Leistungsfähigkeit dieser Tiere herankommt." Es sei bereits hilfreich, wenn man mit weniger Leistung den gewünschten Auftrieb erzielt.
Trotz der vielen möglichen Vorteile gelang es der Forschung bislang noch nicht, Roboter zu bauen, die die Agilität von Libellen imitieren. Einer der Gründe ist die Komplexität der Aerodynamik um die vier Flügel herum; ein anderer, dass der Bau derart kleiner Flugmaschinen enorm schwierig ist. Untersuchungen der Flügelbewegungen und Luftkräfte, die zeigen, wie Libellen ihre Wendigkeit erreichen, könnten nun aber helfen, sie nachzuahmen.
Um die Luftströmung zu messen, setzten die Ulmer Forscher ihre Roboterlibelle in einen mit Mineralöl gefüllten Tank, in dem es viele Luftblasen gab. Zwei grüne Laser wurden kombiniert und von den Luftblasen reflektiert. Eine Hochgeschwindigkeitskamera nahm dann Bilder auf, die 10 bis 20 Millisekunden auseinander lagen. Durch den Vergleich dieser Bilder konnten die Forscher dann die Strömungsrichtung für die einzelnen Bereiche des Tanks berechnen.
Die Vor- und Nachteile zwischen Zweiflüglern und Vierflüglern im Bereich kleiner Flugmaschinen schienen sich dabei die Wage zu halten: Während bei einem Vierflügler zusätzliche Kontrollsysteme und mehr Leistung notwendig sind, funktionieren Zweiflügler nur, wenn Systeme ergänzt werden, die Flugkomponenten wie Auftrieb und Richtung bestimmen.
Dennoch haben Libellensysteme ein entscheidendes Plus. "Bei vier Flügeln kann man mit der Umstellung eines Flugsystems gegenüber den anderen den Auftrieb verändern", meint der Ulmer Forscher Fritz-Olaf Lehmann. Dies könne beim Bau von Mikro-Fluggeräten hilfreich sein.
Bei der Herstellung solcher Vehikel zähle "jedes bisschen Effizienz", meint der Harvard-Professor Robert Wood, der einen der kleinsten fliegenden Roboter entwickelt hat. "Man könnte argumentieren, dass man mit einem Vierflügler mehr Kontrolle erhält, um das Fluggerät zu stabilisieren."
Caltech-Professor Michael Dickinson, der untersucht, wie sich Fliegen in der Luft bewegen, glaubt, dass das Interesse an der Libellen-Technik derzeit stark wächst. Die Arbeit der Ulmer sei keineswegs die einzige Studie zum Thema, "es gibt derzeit eine ganze Flut". Bevor die Technologie wirklich anwendbar sei, müsse die Wissenschaft aber noch ein ganz anderes Problem lösen: Man brauche Batterien, die klein genug und trotzdem leistungsstark sind, solche Flugroboter überhaupt anzutreiben. (bsc)