Der Futurist: Netzprobleme

Was wäre, wenn wir ­Teleporter hätten, um uns fortzubewegen?

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Der Futurist: Netzprobleme

(Bild: Mario Wagner)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh

„Wegen Netzüberlastung kommt es zu Verzögerungen an allen deutschen Tele-Ports.“

Scheiße. David Demain sah nervös auf seine Uhr. 8.35 Uhr. In 25 Minuten begann die Konferenz. Das Problem: Er war immer noch in Hamburg und die Schlange vor der Tele-Zelle endlos lang.

David sah sich um. Überall das gleiche Bild, ob vor den Zellen nach München, Berlin oder Düsseldorf. An den alten Bahngleisen standen nur wenige. Wer fuhr noch in Zügen oder Autos durchs Land, wenn er sich in Sekunden ans Ziel teleportieren konnte? Das einzig Blöde waren nur die letzten paar Kilometer. Die Tele-Kabel waren riesig. Um Bürgerprotesten vorzubeugen, hatte man sie ausschließlich entlang der Gleise gelegt und an Fernbahnhöfen enden lassen.

Deshalb wĂĽrde er zwar in Sekunden am Stuttgarter Tele-Bahnhof sein, brauchte jedoch von dort noch einmal 17 Minuten mit der S-Bahn nach UntertĂĽrkheim, dem Hauptsitz von Daimler.

Hinter der Absperrung zur 1. Klasse sah er einen Mann auf die Zelle zusteuern, über der „Stuttgart“ stand. In der 1. Klasse gab es natürlich keine Schlangen. Manche sagten, die Zellen seien auch gesünder als in der 2. Klasse. Manche glaubten, Teleportieren sei krebserregend, was David aber für Quatsch hielt.

Er seufzte. Er besaĂź nur die Telecard100 fĂĽr die 2. Klasse.

Er würde zu spät kommen, da konnte er die Zeit nutzen und im Geist noch einmal seine Ideen durchgehen. Die Teleportation hatte viele Automobilkonzerne ruiniert, Daimler baute nur noch Elektroautos mit kurzer Reichweite. Seine Idee war: Für Leute, die gern das Auto in den Urlaub mitnehmen wollten, sollte Daimler eigene Tele-Zellen bauen. Exklusiv natürlich für die eigene Marke.

Jetzt war er endlich an der Reihe. GefĂĽhlt verging keine Zeit, in Wahrheit dauerte der Prozess der molekularen Dekonstruktion, der Digitalisierung und der Rekonstruktion am Zielort mehrere Sekunden. Die bekam man aber nicht mit.

Als David aus der Zelle trat, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Er kannte den Tele-Port Stuttgart 21. Jeden Morgen kam er hier an und reiste abends wieder ab, wie Tausende andere Port-Pendler auch. Aber diese Halle sah anders aus.

TR 3/2020

„Verdammte Stümper!“ Wütende Stimmen ertönten vor ihm, Menschen belagerten einen Infoschalter.

„Wo sind wir hier?“, fragte David einen Mann.

„Frankfurt.“

„Frankfurt? Ich wollte doch nach Stuttgart!“

„Und ich nach München“, sagte der Mann. „Es gab eine Netzstörung. Leute wurden fehlgeroutet.“

Ein anderer rief: „Es ist einfach zum Kotzen! Wann baut die Regierung endlich das Tele-Netz aus?“

„Wir werden Sie so schnell wie möglich an Ihr Ziel transportieren“, sagte die Schalter-Bedienstete. „Sie erhalten kostenlose Zugtickets.“

Der Futurist

(Bild: 

Mario Wagner

)

"Was wäre, wenn ...": TR-Autor Jens Lubbadeh und die Redaktion lassen in der Science Fiction-Rubrik der Kreativität ihren freien Lauf und denken technologische Entwicklungen in kurzen Storys weiter.

Empörte Stimmen wurden laut: „Das dauert doch Stunden!“

Ein Mann tippte David von hinten an. „Sie wollen nach Stuttgart?“, fragte er.

David nickte.

„Ich fahre Sie. Keine Ladestopps, ich habe einen Verbrenner. In 90 Minuten sind Sie da. 1000 Euro.“

Als er endlich in der Daimler-Zentrale ankam, war die Konferenz in vollem Gange. „Ah, Herr Demain“, sagte der Vorstandsvorsitzende. „Da sind Sie ja. Und, was haben Sie sich überlegt? Wie soll Daimler sich im Teleportations-Zeitalter neu aufstellen?“

David setzte sich. Er war mĂĽde und genervt, aber auf der Fahrt war ihm eine neue Idee gekommen.

„Verbrennungsautos. Das Tele-Netz ist voll, aber die Autobahnen sind frei.“

(bsc)