Der Mars-Hubschrauber ist nur der Anfang: Das sind weitere Flugprojekte der NASA

Der erste Einsatz eines Helikopters auf dem roten Planeten soll nicht der einzige bleiben. Auch andere ungewöhnliche Fluggeräte sollen fremde Welten erobern.

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(Bild: NASA)

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Am Montag ist der US-Weltraumbehörde ein besonders Experiment geglückt: Zum allerersten Mal ist ein eigens dafür entwickeltes Fluggerät auf einem anderen Planeten geflogen – und es handelte sich nicht um ein Raumschiff. Ingenuity ("Einfallsreichtum"), ein 1,8 Kilogramm schwerer Drohnenhubschrauber, der mit der Perseverance-Mission auf den roten Planeten gelangte, hob von der Mars-Oberfläche ab, flog etwa drei Meter hoch, schwenkte und schwebte dann für 40 Sekunden.

Der historische Moment wurde per Livestream auf YouTube übertragen, das Aufmacherbild dieses Beitrags wurde mit einer der beiden Kameras an Bord von Ingenuity aufgenommen. "Wir können jetzt sagen, dass Menschen einen Drehflügler auf einem anderen Planeten geflogen sind", freut sich MiMi Aung, die Projektleiterin am Jet Propulsion Laboratory der NASA, auf der Pressekonferenz. "Gemeinsam sind wir auf dem Mars geflogen und wir haben jetzt auch gemeinsam unseren Wright-Brüder-Moment", fügte sie hinzu und erinnerte dabei an den ersten Motorflug auf der Erde im Jahr 1903.

In der Tat trägt Ingenuity eine Hommage an diesen berühmten Flug bei sich: ein briefmarkengroßes Stück Material aus dem Flugzeug der Gebrüder Wright, das unter dem Solarpanel des Drehflüglers versteckt ist. Neu ist diese Idee nicht: Schon die Apollo-Besatzung nahm auf ihrer Mond-Mission 1969 einen Holzsplitter des "Wright Flyer" mit zum Erdtrabanten. Nur das diesmal eben kein Mensch mit dabei war, als das Mars-Abenteuer stattfand.

Der Flug war kein leichtes Unterfangen. Auf dem Mars kann es extrem kalt werden – in den Nächsten bis zu minus 90 Grad Celsius. Hinzu kommt die unglaublich dünne Atmosphäre, die nur etwas mehr als ein Prozent der Dichte der Erdatmosphäre aufweist. Ingenuity musste also leicht genug sein und Rotorblätter haben, die größer waren und schneller liefen, als es für einen Start auf der Erde nötig gewesen wäre. Und das, obwohl die Schwerkraft auf dem Mars nur etwa ein Drittel der irdischen beträgt. Das System speicherte seine Position 500 Mal pro Sekunde.

Ingenuity, gefilmt von Perseverance.

(Bild: NASA)

Der Flug sollte ursprünglich bereits am 11. April stattfinden, wurde aber durch Softwareprobleme aber verzögert. Ingenuity saß sicher auf der Unterseite des Mars-Rovers Perseverance, um bei der Landung nicht zerstört zu werden und sich leicht zur Vorbereitung des ersten Fluges absetzen zu lassen.

Der Ausflug des Mars-Schraubers war nicht nur eine technische Meisterleistung. Er könnte den NASA-Forschern künftig auch den Weg ebnen, neue Methoden zur Erforschung des roten Planeten und anderer Himmelskörper zu erdenken. Ein Rover ist ein eher langsames und bedächtiges Gefährt. Eine Helikopter-Drohne könnte größere Bereiche des Landegebietes sondieren und neue Gegenden erschließen, die sich zu erkunden lohnen. Zukünftige Drohnenhubschrauber könnten auch Astronauten helfen, indem sie Orte auskundschaften, unzugängliche Gebiete erforschen und Bilder einfangen.

In den nächsten Wochen wird Ingenuity nun erst einmal vier weitere Flüge durchführen, die jeweils bis zu 90 Sekunden dauern sollen. Jeder dieser Flüge soll die Grenzen von Ingenuitys Fähigkeiten weiter austesten. Der Mars-Hubschrauber ist allerdings nur für eine Lebensdauer von 30 Marstagen ausgelegt – im Gegensatz zu den viel langlebigeren Rovern.

Voraussichtlich wird der Drehflügler also bereits um den 4. Mai herum seine Mission beendet haben, sollte er sich nicht als zäher erweisen. Letzte "Ruhestätte" wird laut aktuellen Planungen im Jezero-Krater sein. Die NASA wird sich dann auf das Hauptaugenmerk der Mission konzentriert: den Perseverance-Rover über den Mars zu schicken, um den roten Planten auf Anzeichen von Leben zu untersuchen.

Das Projekt Ingenuity liefert der NASA direkte Informationen, wie zukünftige Missionen mit Drohnen auf fremden Planeten ausgelegt sein könnten. Die nächste ist bereits in Planung: Im Jahr 2027 will die NASA Dragonfly ("Libelle") auf den Saturnmond Titan schicken, ein Roboterhubschrauber, der deutlich größer ausfällt als der kleine Mars-Schrauber. Bis zu zwölf Jahre wird das kleinwagengroße unbemannte Gefährt, das ein Landegewicht von einer halben Tonne hat, auf Titan verbringen, wobei die aktuelle Forschungsphase auf unter drei Jahre ausgelegt ist.

Dragonfly ist schon etwas größer.

(Bild: NASA)

Die Riesendrohne ist Teil des "New Frontiers"-Programms der NASA ("Neue Grenzen") und die insgesamt vierte Mission. Projekt drei ist das noch laufende OSIRIS-REx, ein Raumfahrzeug, das Asteroidenproben nehmen und zur Erde zurückbringen soll. Zuvor gab es das Jupiter-Raumschiff Juno (Ankunft 2016) und die Pluto-Mission New Horizons (Start 2006).

Dragonfly soll mit seinem eigenen Antrieb freie Atmosphärenflüge durchführen können, inklusive vertikalen Starts und Landungen. Das System soll sich universal auch auf anderen Monden einsetzen lassen und sammelt auf Titan Daten zur chemischen Zusammensetzung und forscht nach Lebensmöglichkeiten auf dem unwirtlichen Himmelskörper.

Die NASA plant weiterhin andere Flugversuche auf fremden Welten. Eine Möglichkeit bestünde darin, Heißluftballons auf der Venus steigen zu lassen. Entsprechende Ideen existieren schon seit Jahren. "Ballons sind eine tolle Möglichkeit, die Venus zu untersuchen, weil die Atmosphäre so dicht und die Oberfläche so harsch ist", kommentierte Siddharth Krishnamoorthy, Ingenieur am Jet Propulsion Lab der Weltraumbehörde, bereits 2019. Die Technik sei ein "Sweet Spot", weil so die mitgeführten Sensoren länger durchhielten als wenn eine Landung stattfinden würde.

Ballons über der Venus.

(Bild: Adrian Mann)

Die Idee hatten bereits die Sowjets in den Achtzigerjahren teilweise umgesetzt – auch in Zusammenarbeit mit weiteren Ländern des Ostblocks und des Westens inklusive der BRD. Damals erreichten die Sonden Vega 1 und Vega 2 die Venus und schifften zwei sogenannte Aerobots in über 50 km Höhe aus. Die Helium-gefüllten Balloon trugen Sonden und verschiedene Messinstrumente, konnten allerdings nur geringe Datenmengen übertragen. Es gab neue Informationen über die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre und die herrschenden Windgeschwindigkeiten.

Die Forscher Andreas Hein und Manasvi Lingam schlagen nun vor, eine ähnliche Mission zu wiederholen, wie sie letzten Herbst in den "Astrophysical Journal Letters" schrieben. Hein, Juniorprofessor für Luft- und Raumfahrt an der Universität Paris-Saclay will die Venus-Atmosphäre ebenfalls in einer Höhe von 50 bis 60 km sondieren – mit allen modernen Sensoren, die es gibt, samt adäquater Datenrate. Es ließen sich auch frei schwebende Staubpartikel, Aerosole und sogar Mikroorganismen – sollte es die tatsächlich geben – einfangen. Hein glaubt, das ein solches Projekt in zwei bis drei Jahren starten könnte und ein moderates Budget von unter 17 Millionen Euro benötigen würde.

Mitarbeit: Charlotte Jee

(bsc)