Der Speicher für die Hosentasche: 20 Jahre USB-Sticks

Seite 2: Speicherplatz

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M-Systems brachte seine fertige DiskOnKey in den USA und Europa nicht selbst auf den Markt, sondern über den Vertriebspartner IBM, der 2000 nach Compaq, Dell und HP immerhin noch die viertgrößte PC-Marke war. Im Herbst 2000 stellte IBM die erste DiskOnKey mit 8 bis 32 MByte Kapazität vor.

In c’t 16/2000 veröffentlichte der heutige c’t-Chefredakteur Jürgen Rink einen kurzen Test eines "Trek ThumbDrive" der taiwanischen Firma Armas. Versionen mit 16 bis 128 MByte sollten 189 bis 959 D-Mark kosten, umgerechnet rund 90 bis 480 Euro. Zum Lieferumfang gehörte eine Diskette mit Windows-98-Treiber. Daten ließen sich mit rund 0,7 MByte/s lesen und mit 0,4 MByte/s schreiben – deutlich schneller als bei Floppys und beim Lesen ähnlich schnell wie bei einem CD-Laufwerk mit 6-fach-Speed.

Die Kapazitäten der USB-Sticks wuchsen dann relativ rasch und die Preise sanken. In c’t 12/2003 findet sich die Ankündigung der DiskOnKey mit 1 GByte, die 550 Euro kosten sollte. Der bisher "größte" USB-Stick Kingston Data Traveller Ultimate GT fasst mit 2 TByte das 2000-Fache, kostet aber auch 790 Euro. Eine externe SSD mit dieser Kapazität bekommt man heute zu einem Drittel des Preises ab 250 Euro. USB-Sticks mit 64 bis 256 GByte bieten zurzeit am meisten Speicherplatz pro Euro: Bei einem 128-GByte-Medium für 11 Euro zahlt man unter 10 Cent pro Gigabyte.

Wohl nicht zufällig liegt der durchschnittliche Preis, zu dem deutsche Privatkunden USB-Sticks kaufen, seit Jahren im Bereich zwischen 11 und 13 Euro, zumindest laut dem Marktindex "Hemix" für Heimelektronik. Der Höhenflug der Verkaufszahlen ist bei USB-Sticks aber wohl vorbei: 2019 kauften deutsche Privatleute noch rund 14 Millionen Stück, in der Spitze waren es 2012 und 2016 über 16 Millionen. Zum Vergleich: 2019 wurden hierzulande 22 Millionen Smartphones sowie 14,5 Millionen Speicherkarten an Privatleute (Consumer) abgesetzt. Sie kauften sogar mehr als doppelt so viele DVD- und Blu-ray-Rohlinge (38,6 Millionen), deren Absatz seit Jahren stark schrumpft.

USB-Sticks bestehen nur aus wenigen Bauelementen, von denen die Flash-Chips die teuersten sind. Sonst ist noch der Controller-Chip wichtig, bei denen M-Systems zu den Pionieren gehört. Früh kam die taiwanische Firma Phison hinzu, die heute etwa auch SSD-Controller entwickelt.

Auch HP/Compaq verkaufte die DiskOnKey von M-Systems, wir beschafften uns bei eBay die 64-MByte-Version von 2002/2003.

Die enormen Kapazitätssteigerungen der USB-Sticks hängen mit den rasanten Fortschritten und dem Preisverfall bei den NAND-Flash-Speicherchips zusammen. Heute fasst schon ein einziger Siliziumchip mit wenig mehr als 1 Quadratzentimeter Fläche bis zu 128 GByte und mehrere davon lassen sich in ein einziges Gehäuse packen. Mehr als ein Drittel der gesamten produzierten NAND-Flash-Kapazität verschwindet in Smartphones, weitere knapp 30 Prozent in SSDs und rund 15 Prozent in (SD-)Speicherkarten.

In der c’t-Redaktion fand sich keine originale DiskOnKey mehr, aber bei eBay wurden wir fündig. Für rund 150 Euro konnten wir eine Zehnerpackung des 2002/2003 von HP verkauften HP/Compaq DiskOnKey DC191A mit je 64 MByte ergattern. Darin stecken jeweils ein Flash-Chip von Toshiba, ein M-Systems-Controller und der für USB-Geräte typischen 12-MHz-Schwingquarz.

Abgesehen von der kümmerlichen Kapazität schlagen sich diese Sticks gar nicht schlecht: Die Lese- und Schreibgeschwindigkeit liegt bei rund 1 MByte/s, zufällig verteilte 4-KByte-Blöcke lassen sich mit 230 IOPS lesen. Noch heute kann man Ramschware kaufen, die sich mit weniger als 5 MByte/s beschreiben lässt, obwohl gute 20-Euro-Sticks schon über 100 MByte/s schaffen.

Wegen ihres einfachen Aufbaus lassen sich USB-Sticks leicht fälschen, indem man etwa die Firmware des Controllers manipuliert. Schon in c’t 16/2002 stand ein Bericht über gefälschte "PenDrives" auf dem deutschen Markt. Weil es immer mehr Nepp-Fabrikate gab, schrieb Ex-Kollege Harald Bögeholz 2008 das bis heute oft heruntergeladene Programm H2testw. Nach wie vor erfreuen sich gefälschte USB-Sticks mit vermeintlichen "2TB" Speicherplatz zu Spottpreisen großer Beliebtheit bei unbedarften Käufern.

Der Erfolg lockt Betrüger an: Noch immer sind haufenweise gefälschte USB-Sticks auf dem Markt, besonders bei asiatischen Online-Handelsplattformen wie Wish.com.

Die für viele Aufgaben äußerst praktischen USB-Sticks werden uns sicherlich noch jahrelang begleiten, aber die Stückzahlen dürften weiter sinken. Immer mehr Menschen nutzen Cloud-Speicher für ihre persönlichen Daten, eigene Musik- und Videoarchive verlieren in Zeiten von Spotify und Netflix ihren Reiz. Nur wenige USB-Stick-Käufer sind bereit, für besonders hohe Kapazität oder Geschwindigkeit deutlich mehr zu bezahlen – da greift man dann lieber zur portablen SSD, die viel mehr Performance bringt, dabei aber auch mehr Strom schluckt. Und die klassische USB-Festplatte als billigstes tragbares Datengrab gibt es ja auch noch.

Die IT-Hersteller scheinen jedenfalls keine große Energie mehr in die Entwicklung besserer USB-Sticks zu stecken – eher kommen knallbunte, auffällig geformte Speicher auf den Markt oder welche mit USB-C und Apple Lightning statt nur USB-A. Für Dov Moran zahlte sich sein Erfindungsreichtum jedenfalls aus: SanDisk kaufte M-Systems 2006 für rund 1,6 Milliarden US-Dollar.

(ciw)