"Innovatoren unter 35" 2018: Die Morgen-Macher

Seite 2: 3D-Druck und Elektroschrott

Inhaltsverzeichnis

Frederik Kotz

Die Linsen von Handykameras bestehen aus Kunststoff. Dabei wäre Glas deutlich besser: Es ist hoch transparent, formstabil bei Temperaturschwankungen und knallhart. Leider ist Quarzglas gleichzeitig ein widerspenstiger Werkstoff, der erst bei 2000 Grad Celsius flüssig genug wird, um ihn zu bearbeiten — zu heiß, um günstig große Mengen winziger Glaserzeugnisse herzustellen.

Frederik Kotz vom Karlsruher Institute of Technology hat ein Material entwickelt, das beides vereint: Es lässt sich fast wie Kunststoff verarbeiten und besitzt trotzdem die idealen Eigenschaften von Glas. Glassomer hat Kotz es getauft. „Das ist ein Kunststoff, in dem ein hoher Anteil an Glas-Nanopartikeln eingelagert ist“, sagt Kotz. „Bestrahlt man das Material mit Licht, verbinden sich die Kunststoffmoleküle und werden fest.“

Die Flüssigkeit kann in handelsüblichen 3D-Stereolithografie-Druckern verwendet werden. Ein Bauteil muss dann nur noch in einen Hochtemperaturofen, wo der Kunststoff bei rund 600 Grad verdampft. Anschließend werden die Glas-Nanopartikel bei 1300 Grad versintert. Dabei schrumpft das Bauteil zwar. Weil die Partikel aber homogen geformt und verteilt sind, bleibt die Form erhalten. Um die Technologie auf den Markt zu bringen, hat Kotz das Start-up Glassomer gegründet.

Peter Hense

Peter Hense ist Gruppenleiter in der Abteilung Kreislaufwirtschaft des Fraunhofer-Instituts UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg. Eine Entdeckung aus seiner Promotion könnte das Recycling von Elektroschrott lukrativ machen.

TR: Was passiert heute mit Elektroschrott?

Peter Hense: Recyclingunternehmen zerschreddern ihn in 20 bis 70 Millimeter große Stücke, vor allem IT-Geräte und Haushaltskleingeräte wie Staubsauger oder Föhne. Aus dem Granulat werden Eisen, Kupfer und Aluminium abgeschieden, ebenso eine begrenzte Zahl von Kunststoffen. Bei dieser Aufarbeitung bleiben aber rund 20 bis 25 Prozent über.

Wo landen diese Rückstände?

Zum großen Teil wandern sie in Müllverbrennungsanlagen. Einige Materialien gehen unter Tage, weil sie so stark mit Schadstoffen belastet sind. In Teilen Süd- und Osteuropas kommt eine Menge davon leider nach wie vor auf Deponien.

Sie haben einen Weg gefunden, da noch was rauszuholen.

Genau. Mit unserem iCycle genannten Verfahren gewinnen wir aus den Schredderrückständen ein Metallkonzentrat, das zum Beispiel Gold, Platingruppenmetalle, Silber und Kupfer enthält. Auch die Rückgewinnung versorgungskritischer Hightech-Metalle wie Tantal oder Indium ist möglich. Beispielsweise lässt sich Tantal aus Leiterplatten zurückgewinnen. Im Fall von Indium haben wir den Prozess etwas umgebaut und nutzen nun stark chlorhaltige Abfälle, um das sehr seltene Metall aus Flachbildschirmen oder Monitoren zu recyceln.

Und der Kunststoffanteil?

Er wird zu Kraftstoffen wie Gas oder eine Art Diesel. Das Gas verbrennen wir vor Ort, um den Prozess mit Energie zu versorgen. Unser Öl können wir in Motoren zur Gewinnung elektrischer Energie und weiterer Wärme nutzen. Mit Ihrem alten Föhn könnte ich also im Prinzip mein Auto betanken.

Wie funktioniert der Prozess?

Das Kernelement ist ein Wärmetauscher in Schneckenform. Dieser arbeitet mit einem metallischen Wärmefluid, das die Schredderrückstände in mehreren Stufen unter Sauerstoffabschluss auf ungefähr 650 Grad Celsius erhitzt. So wird der Kunststoff in kürzere Kohlenstoffketten zerlegt. Es entstehen also Gas und ein Öl. Dabei werden auch die Metalle so vom Kunststoff getrennt, dass sie nicht oxidieren.

Und was passiert mit den Schadstoffen?

Da geht es vor allem um bromierte und chlorierte Dioxine und Furane. Auf ihnen lag der Hauptfokus meiner Forschungsarbeit, aus der dann auch das Verfahren hervorgegangen ist. Infolge einer neuen Temperaturführung sind wir in der Lage, die Konzentrationen unter die gesetzlichen Grenzwerte zu bringen, teilweise sogar unter die Nachweisgrenze.

Lohnt sich das Verfahren auch wirtschaftlich?

Tatsächlich kann man damit Geld verdienen. Die Schredderrückstände verbrennen zu lassen, kostet aktuell rund 140 bis 180 Euro pro Tonne. Mit unserem Verfahren kann der Recycler ein Metallkonzentrat gewinnen, das er für 800 bis 2600 Euro pro Tonne an Kupferhütten verkaufen kann.

Aleksander Ciszek

Theoretisch ist es leicht, Bauteile per 3D-Druck herzustellen. Praktisch leider nicht ganz so. „Heute stehen im 3D-Druck rund 20 verschiedene Technologien und mindestens 800 verschiedene Materialien zur Verfügung“, sagt Aleksander Ciszek, Mitgründer des Berliner Start-ups 3YOURMIND. Standards für die Produktion von Bauteilen, wie sie in den meis-ten Herstellungsprozessen üblich sind, haben sich im 3D-Druck aber noch nicht durchgesetzt. Vor allem, weil das Feld jung ist und die Technologie sich rasch weiterentwickelt. So stehen Ingenieure oft vor einem Problem: Sie wollen die Vorteile des 3D-Drucks nutzen, etwa um ein Bauteil in einem Stück herzustellen statt aus 200 Einzelkomponenten. Aber wie? „Der Ingenieur kann dann googeln oder mit Experten reden — oder unsere Software nutzen“, sagt Ciszek.

Das Programm analysiert, für welche Teile eines Autos, Flugzeugs oder einer Rakete der 3D-Druck technologisch und ökonomisch Sinn ergibt. Anschließend schlägt es Optionen für Material und Druckart vor. Darüber hinaus kann die Software Produktionskapazitäten im eigenen Unternehmen und bei Zulieferern abbilden. So können Ingenieure schnell einen passenden Drucker für ihr Projekt finden. Dass diese Unterstützung gut ankommt, zeigt die Kundenliste von 3YOURMIND. Dax-Konzerne wie Siemens oder Unternehmen wie die Deutsche Bahn zählen dazu. Nun will das Unternehmen auch Ingenieuren in den USA und Asien den Weg durch den 3D-Druck-Dschungel weisen.