Die Open Source Development Labs (OSDL)

Die Arbeit der OSDL spiegelt die Entwicklung von Linux und Open Source wider. Mit zunehmender Reife treten technische Lösungen hinter juristischen Fragen und der Vermittlung zwischen Unternehmen, Open-Source-Community und Anwendern zurück.

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Inhaltsverzeichnis

Derzeit richten Die Open Source Development Labs (OSDL) ihren Schwerpunkt neu aus. Das ursprüngliche Ziel der im Sommer 2000 von Hewlett-Packard, IBM und Intel gegründeten Initiatve war es, Open-Source-Projekte in Hinblick auf den Unternehmenseinsatz voranzubringen, wobei man zunächst vor allem die technische Weiterentwicklung von Linux-Kernel und systemnahen Linux-Tools im Blick hatte.

Zu den Mitstreitern der ersten Stunde gehörten die Linux-Distributoren Caldera (mittlerweile in SCO aufgegangen), Red Hat, Suse (inzwischen Novell) und Turbolinux, außerdem Dell, der Linux-Supportanbieter Linuxcare, Embedded-Spezialist LynuxWorks, SGI und VA Linux (heute VA Software). Weitere Unternehmen – von Google über Siemens bis Xandros – schlossen sich der Initiative an; mittlerweile umfasst die Mitgliederliste gut 70 Unternehmen. Die OSDL-Mitglieder sorgen für das nötige Geld, um unter anderem einen umfangreichen Hardware-Zoo für Tests von Open-Source-Software vorzuhalten.

Zudem bezahlen die OSDL eine Reihe prominenter Open-Source-Entwickler. So sind seit 2003 Linux-Erfinder Linus Torvalds und der Maintainer des aktuellen Linux-Kernels 2.6, Andrew Morton, bei den OSDL beschäftigt. Anfang 2005 kam der Samba-Schöpfer Andrew Tridgell hinzu, der von hier aus die Arbeit an der kommenden Version 4 von Samba koordiniert.

Ende 2006 sehen die OSDL ihre ursprüngliche Mission – als Katalysator die technische Linux-Entwicklung voranzubringen – in weiten Teilen erfüllt: Open-Source-Software (OSS) ist in der IT-Welt angekommen. Linux hat seine Unternehmenstauglichkeit längst bewiesen, bei der Netzwerkinfrastruktur ist Open Source Standard. Im Bereich Datenbanken, Application Server und Middleware hat sich Open Source bereits als ernsthafte Alternative etabliert; mittlerweile versuchen Unternehmensanwendungen auf Open-Source-Basis von der Groupware über das ERP-System bis zur Business-Intelligence-Suite, ihren Platz in den Rechenzentren zu finden.

Entsprechend verschiebt sich der Schwerpunkt der Open Source Development Labs: Nicht mehr die technischen Möglichkeiten von OSS steht im Mittelpunkt der Arbeit; stattdessen will man andere drängende Fragen anpacken. Dazu gehören juristische Probleme rund um Lizenz- und Patentfragen, wie sie das Projekt [OpenSourceasPriorArt Open Source as Prior Art] addressiert (mehr dazu später), regionale Aktivitäten wie die Unterstützung lokaler Linux-Symposien und die Förderung einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Open-Source-Community, OSDL-Mitgliedern und Anwendern. Und natürlich möchte man weiterhin ein sicherer Hafen für zentrale Entwickler wie Torvalds und Morton sein.

Aber in anderen Bereichen allerdings müssen Entwickler gehen: Neun von derzeit 28 Angestellten verlassen die OSDL; darunter auch der im Frühjahr 2003 eingestellte CEO Stuart Cohen, der in Zukunft Open-Source-Investitionen bei OVP Venture Partners betreuen wird, einem Venture Capitalist, der sich auf Technologiefirmen spezialisiert hat. Schon 2005 hatten die OSDL einige Entwickler entlassen; seitdem ist die Zahl der Angestellten kontinuierlich geschrumpft.

In den großen Initiativen der OSDL spiegelt sich ein Stück weit der Weg von Linux in die Unternehmens-IT wider. Erstes Großprojekt der OSDL war im Januar 2002 die Arbeitsgruppe Carrier Grade Linux (CGL), die Standards und Spezifikationen für den Einsatz von Linux in der Infrastruktur von Telekom- und Daten-Carriern entwickelte. Hier arbeiten mittlerweile fast vierzig Firmen mit. Die im Februar 2006 veröffentlichte Version 3.2 der Carrier Grade Linux Requirements Definition behandelt Themen wie Hochverfügbarkeit, Cluster, Performance, Wartung, Standards, Hardware und Sicherheit.

Ein halbes Jahr später nahm die Data Center Linux (DCL) Working Group ihre Arbeit auf mit dem Ziel, Linux rechenzentrumstauglich zu machen – zu einer Zeit, als der Abstand von Linux zu kommerziellen Unix-Varianten wie AIX und HP/UX noch uneinholbar schien. Unter Federführung von Bull und IBM widmet man sich ähnlichen Themen wie CGL, allerdings mit einem Fokus auf dem allgemeinen Servereinsatz. Hier kommen Aspekte wie Skalierbarkeit sowie einfache Administration und Benutzbarkeit hinzu.

Aktuell ist die Version 1.2 der DCL Goals und Capabilities, die auf knapp 250 Seiten die technischen Fähigkeiten von Linux für unterschiedliche Einsatzszenarien vom Infrastruktur-Server über Application Server bis zum Datenbank-Server beschreibt und neue Entwicklungen wie Virtualisierung aufgreift. Dazu kommen Anforderungen an das Ökosystem rund um Linux.

weiter: Desktop, Mobilgeräte, Patente

Im Jahr 2003 entdeckten die OSDL das Thema Linux auf dem Desktop. Die Arbeitsgruppe Desktop Linux (DTL) will seit Anfang 2004 Hindernisse ausräumen, die ISVs von der Softwareentwicklung für den Linux-Desktop abhalten. Außerdem möchte man Anforderungen an Linux für unterschiedliche Einsatzbereiche von der simplen Verwendung für eine einzige Aufgabe (etwa als Point of Sales) über grundlegende Office-Funktionen bis zum SOHO und privaten Anwender spezifizieren und an der Usability arbeiten.

Zu den konkreten Maßnahmen gehört beispielsweise das von der OSDL angestoßene Portland-Projekt der Freedesktop-Initiative. Portland soll die Schnittstellen der verschiedenen Desktop-Umgebungen für Anwendungen vereinheitlichen (siehe Artikel Linux-Desktop aus einem Guss – Bringt Portland die große Desktop-Vereinheitlichung?). Weitere unterstützte Projekte beschäftigen sich mit der Treiberverfügbarkeit, Standards wie Linux Standard Base (LSB) und OpenDocument Format (ODF) sowie Multimediaunterstützung.

2005 gerieten auch die Mobilgeräte in den Blick der OSDL. Die im Oktober 2005 angekündigte Mobile Linux Initiative (MLI) soll den Einsatz von Linux auf Handys und Smartphones befördern. Die MLI will zwischen den technischen und sonstigen Anforderungen der Mobilindustrie und der Open-Source-Community vermitteln, rechtliche und regulatorische Fragen angehen und für Linux auf Mobilgeräten werben. Auf der technischen Seite stehen Themen wie Speichersysteme, Powermanagement, Speicherverwaltung und Multimedia auf dem Programm.

Zwar betreiben die OSDL auch einige eigene Projekte in den eigenen Laboren in USA und Japan – die dürften bei den anstehenden Entlassungen vor allem Federn lassen müssen. Vor allem aber fördern die OSDL bestehende Open-Source-Projekte, indem sie ihnen Zugriff auf eine umfangreiche Sammlung von Unternehmens-Hardware sowie Infrastruktur gewähren. Zu den so unterstützten Projekten gehörten in der Vergangenheit das Standardisierungsgremium freestandards.org ebenso wie das Global Filesystem GFS oder der Kerneldebugger kdb; derzeit geförderte Projekte sind beispielsweise die Telefonieanwendungen Asterisk und Bayonne, eine Testsuite für Datenbanken oder Linux-Vserver.

Rechtliche Fragen waren für die OSDL schon früh ein Thema. So startete man 2003 eine Kampagne, die den Entwicklungsprozess des Linux-Kernels verdeutlichen sollte – Anlass war der von SCO angestrengte Prozess gegen IBM, in dem das Unternehmen behauptete, der Linux-Kernel enthalte SCO-Code. Ende 2005 lief das Projekt [OpenSourceasPriorArt Open Source as Prior Art] an. Hier möchten die OSDL Ideen sammeln, die bereits in Open-Source-Projekten umgesetzt sind, sodass es aufgrund des in den USA gültigen Grundsatzes der "prior art" nicht mehr möglich ist, Patente darauf zu erhalten. (odi)
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