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Die Rechnung bitte

Dr. Wolfgang Stieler

Eine internationale Computer-Studie hat gezeigt, dass Klimaschutz wesentlich weniger kostet, als bisher in Modellrechungen angenommen wurde.

In der weltweit ersten Studie ihrer Art haben Informatiker, Ökonomen und Klimaforscher die international führenden Politikberatungsmodelle zur Abschätzung von Klimaschutzkosten einem systematischen Vergleich unterzogen. Die IMCP-Studie (Economic and Technological Dimensions of Stabilising the Atmospheric Greenhouse Gas Concentration) hat gezeigt, dass Klimaschutz wesentlich günstiger ist, als bisher in Modellen zu Abschätzung von Klimaschutzkosten angenommen wurde: Berücksichtigt man die Dynamik des technologischen Fortschritt bei allen Optionen des Klimaschutzes sowie den Einsatz geeigneter Politikinstrumente, kann ein Klimawandel bereits zu Kosten von weniger als einem Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes vermieden werden.

Das Ziel war "zu untersuchen, ob denn technischer Wandel überhaupt in der Lage ist, die Klimaschutzkosten abzusenken", erklärt Studienleiter Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. 20 internationale Modellierteams haben insgesamt zehn verschiedene Modelle durchgerechnet, die "in der Lage sind makroökonomische Projektionen abzubilden": Wachstumsmodelle, Energiesystemmodell, Gleichgewichtsmodelle, "die alle mit den gleichen Daten kalibriert wurden", sagt Edenhofer.

Ausgangspunkt für alle Modellrechnungen sind so genannte Stabilisierungsszenarien: Trotz aller wissenschaftlicher Streitigkeiten gilt mittlerweile als gesichert, dass Gase wie CO2 zur globalen Erwärmung beitragen, indem sie vom Erdboden abgestrahlte Wärmestrahlung wie ein Treibhausdach festhalten und wieder auf die Erde zurückwerfen. 1988 gründeten die Vereinten Nationen das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), ein Expertengremium mit der Aufgabe, wissenschaftlich fundierte Szenarien zum Klimawandel zu entwickeln. In seinem vorerst jüngsten Sachstandsbericht zur globalen Erwärmung geht das IPCC davon aus, dass die mittlere Oberflächentemperatur auf der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts zwischen einem und sechs Grad Celsius ansteigen wird – wenn man nichts unternimmt. Umgekehrt gehen die Experten mittlerweile davon aus, dass man den CO2-Gehalt der Atmosphäre auf 450 ppm stabilisieren muss, damit die Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts nicht über zwei Grad Celsius ansteigt. Die EU-Umweltminister definierten dieses Szenario Ende 2004 als politische Zielvorgabe.

"Das heißt aber auch", erklärt Edenhofer, "dass die Emissionen – das ist in allen Modellen das gleiche – jetzt noch ein bisschen steigen dürfen, um bis 2020 oder 2030 ein Maximum zu erreichen, und dann aber bis zum Ende des Jahrhunderts auf Null heruntergefahren zu werden." Die an der ICMP-Studie beteiligten Wissenschaftler berücksichtigten in ihren Modellen nun die ökonomischen Auswirkungen von rund 1500 verschiedene Technologien in solchen Stabilisierungsszenarien, darunter als wesentliche Faktoren Energieeffiziensteigerungen, der Einsatz von erneuerbaren Energien, der vermehrte Einsatz von Nuklearenergie und Carbon Capturing and Sequestration [1].

Bei dieser Technologie wird das Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Energieträger beispielsweise mit hohem Druck in den Untergrund gepresst – und so dauerhaft gelagert. Auf der ganzen Welt laufen zurzeit umfangreiche Experimente zur "Sequestrierung", wie die neue Form der Schutzhaft für Kohlendioxid im Fachjargon heißt. Allein die US-Regierung investiert inzwischen jährlich knapp 50 Millionen Dollar, um mögliche Speicherkonzepte für CO2 zu erproben – von der Lagerung in unterirdischen Gesteinsschichten bis zum Versenken im Meer. Die EU-Kommission hat Anfang 2005 erst mehr als 30 Millionen Euro für fünf neue Sequestrierprojekte freigegeben. Und auch das Engagement der Industrie ist groß. Nahezu alle namhaften Energieanbieter und Ölkonzerne beteiligen sich an Versuchen zur Kohlendioxidlagerung.

"Es gibt immerhin zwei Modelle, die sogar einen Net Benefit ausrechnen" sagt Edenhofer. "Das eine Modell geht davon aus, dass es durch eine CO2-Steuer zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit kommt. Das andere Modell geht davon aus, dass durch internationale Kooperationen die Kosten technischer Entwicklungen sinken. Das sind aber aus unserer Sicht durchaus Ausreißer. Das typische Modell liegt bei etwa 0,6 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes." Interessant sei jedoch, dass die Nuklearenergie in keinem der Modelle eine dominante Rolle spiele. Denn zum einen lägen die Investitionskosten extrem hoch, zum anderen seien die Uran-Vorräte begrenzt: "Wenn man von der Leichtwasser-Technologie ausgeht, die heute einen Anteil von etwa 17 Prozent an der weltweiten Stromproduktion hat, dann müsste man, bei einer angenommenen Verdopplung des Strombedarfs bis 2030, um den Anteil konstant zu halten, 500 neue Leichtwasserreaktoren weltweit bauen. Selbst die glühendesten Verfechter der Atomenergie glauben das nicht."

Den Einwand, dass die meisten Staaten auf leere Kassen verweisen, will Edenhofer nicht gelten lassen: "Nach allem, was wir im Moment wissen, liegen die Kosten für Klimaschäden in einem Business as Usual Szenario – also wenn man nichts macht – einen Faktor zehn höher als die Kosten für den Klimaschutz", argumentiert der Wissenschaftler. "Das Entscheidende aus meiner Sicht ist die Frage, wann kommt ein Klimaschutzregime, bei dem die USA und China mit dabei sein werden. Je später das ist, umso teuerer wird das." (wst [2])


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[1] https://www.heise.de/hintergrund/Ab-in-den-Untergrund-281233.html
[2] mailto:wst@technology-review.de