Die digitale Quantenbatterie

Zwei Physiker haben ein theoretisches Konzept für einen Energiespeicher aus Milliarden Nanokondensatoren entwickelt, dessen Energiedichte bis zu zehnmal größer sein soll als in den besten Lithium-Ionen-Akkus.

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Von
  • David Talbot

Zwei Physiker haben ein theoretisches Konzept für einen Energiespeicher aus Milliarden Nanokondensatoren entwickelt, dessen Energiedichte bis zu zehnmal größer sein soll als in den besten Lithium-Ionen-Akkus.

Von der konsequenten Ausnutzung der Quantenmechanik verspricht man sich für die Informationstechnik bekanntlich viel. Physiker der Universität von Illinois wollen sie nun auch für die Energiespeicherung fruchtbar machen: mit einer „digitalen Quantenbatterie“. Sollte ihr theoretisches Konzept realisierbar sein, könnten damit ganz neue, äußerst leistungsfähige Energiespeicher möglich werden.

Herkömmliche Kondensatoren bestehen aus makroskopischen Leiterplatten oder Elektroden, die durch einen Isolator voneinder getrennt sind. Legt man an beide eine Spannung an, wird in dem dielektrischen Zwischenmaterial ein elektrisches Feld aufgebaut, das Energie speichert, indem es Elektronen an der Kathodenoberfläche sammelt. Das Problem: Überschreitet die Spannung einen bestimmten Wert, schlägt der Kondensator durch – es kommt zu einer Bogenentladung, Elektronen springen von der Kathode zur Anode. Deshalb ist die Menge der zu speichernden Energie begrenzt.

Alfred Hübler und Onyeama Osuagwu visieren stattdessen ein Gerät an, dass aus Milliarden von Nanokondensatoren besteht. In denen wären die Elektroden 10 Nanometer oder 100 Atomlagen voneinander entfernt, so dass Quanteneffekte wirksam werden, die eine Bogenentladung verhindern. "Der Haupteffekt bei der digitalen Quantenbatterie ist der photoelektrische Effekt bei Raumtemperatur im Dunkeln", erläutert Hübler. Weil die Ladung der Elektronen quantisiert sei, fließe kein Strom durchs Vakuum zwischen zwei Kondensatorplatten, solange die Spannung unter einem kritschen Wert liege. Der hänge wiederum von Tunnel- und Interferenzeffekten an den Elektrodenoberflächen ab.

Dass sich in nanoskaligen Kondensatoren ungewöhnlich starke elektrische Felder aufbauen lassen, ist bereits vor einiger Zeit beobachtet worden. „Es ist aber niemand auf die Idee gekommen, dass eine starkes elektrisches Feld auch eine hohe Energiedichte bedeutet“, sagt Hübler, der das Konzept mit einigen Kollegen im Journal Complexity veröffentlicht hat. Damit wären Energiespeicher möglich, die alle bekannten Technologien „weit übertreffen“, glaubt Hübler. Die Leistungsdichte sei um mehrere Zehnerpotenzen größer, die Energiedichte zwei bis zehnmal so groß wie in den derzeit besten Lithium-Ionen-Akkus.

Ein weiterer Vorteil sei, dass digitale Quantenbatterien mit herkömmlichen photolithographischen Verfahren wie in der Chipfertigung hergestellt werden könnten. Dabei könnten billige und nicht-toxische Materialien wie Wolfram und Eisen auf einem Silizium-Substrat verwendet werden. Beim Ladungstransfer würde in dieser Anordnung nur wenig Energie verschwendet, betont Hübler. Ein erster Prototyp könnte schon in einem Jahr gebaut werden.

Bislang existiert die digitale Quantenbatterie nur als Konzept. Hübler hat aber bereits bei der Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums DARPA eine Förderung beantragt. Andere Experten sehen jedoch einige Schwierigkeiten: So sei nicht klar, ob die Nanokondensatoren eine Beladung mechanisch überstehen würden, wendet Joel Schindall, Elektrotechniker am MIT, ein.

Als abwegig will Schindall das Konzept dennoch nicht abtun. „Ich beobachte das schon mit einer gewissen Faszination, denn Hübler hat ein paar gute Argumente dafür, dass bei diesen Dimensionen die Kapazität deutlich und in vorhersehbarer Weise steigt“, sagt er. Man müsse nun schauen, ob Hüblers Grundannahmen stimmten oder ob es andere Quantenphänomene geben, die bisher übersehen wurden und die praktische Umsetzung erschweren könnten.

Hübler verweist aber darauf, dass sein Ansatz eher eine Variatoion von bestehenden mikroelektronischen Konstruktionen ist. „Von der Digitalelektronik aus betrachtet, ist es eine Art Flash-Speicher. Elektrotechnisch könnte man es für eine miniaturisierte Elektronenröhre wie in Plasma-Fernsehern halten. Und ein Physiker würde es als ein Netzwerk von Kondensatoren bezeichnen.“ Der digitale Charakter des Konzepts besteht darin, dass jede Nanoelektronenröhre einzeln ansteuerbar wäre. Deshalb könnte man das Gerät womöglich auch als Datenspeicher verwenden.

Die Kapazität von Kondensatoren lässt sich aber auch mit anderen Mitteln steigern. In Superkondensatoren erhöht man sie, indem man die Oberfläche der Elektroden größer macht und Elektrolyten statt Isolatoren verwendet. So hat etwa Joel Schindalls Gruppe am MIT die Elektroden aus Kohlenstoff-Nanoröhren hergestellt, was die Gesamtoberfläche drastisch vergrößert und damit die Lade- und Entladegeschwindigkeit erhöht. Allerdings ist die Energiedichte dieses Prototypen immer noch etwas geringer als die von Lithium-Ionen-Akkus.

„Wir müssen definitiv neue Wege finden, um elektrische Energie zu speichern“, bekräftigt Schindall. „Auch wenn Hüblers Konzept in Konkurrenz zu meiner Arbeit steht, wünsche ich ihm größtmöglichen Erfolg. Ich hoffe, dass es funktioniert." (nbo)