Die ersten 25 Jahre in der Geschichte der Mikroprozessoren

Seit nahezu 50 Jahren gibt es sie, die Mikroprozessoren. Gern stellt sich Intel als Erfinder dieses Meilensteins dar. Doch die Ehre gebührt nicht allein Intel.

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Lesezeit: 36 Min.
Von
  • Andreas Stiller
Inhaltsverzeichnis

Die Ehre zu Erfindung des Mikroprozessoren kommt neben Intel zumindest patentrechtlich gesehen Texas Instruments zu. Und dann gibts auch noch IBM, Motorola, HP, DEC, Sun, Mips, Cyrix, Via, AMD, ARM und wie sie alle heißen. Wie fing das alles an und was ist draus geworden?

Als Intels Entwicklungschef Federico Faggin im Juni 1971 in die "Electronics News" schaute, staunte er nicht schlecht. In einer mehrseitigen Anzeige wurde eine CPU-on-a-Chip beworben, die Texas Instruments (TI) für die Computer Terminal Corporation (CTC) entwickelt hatte. Einen offiziellen Namen für den Chip gabs da noch nicht, später hieß er TMX 1795, ein MOS-Chip mit 3078 Transistoren.

Faggin war geschockt, eigentlich war Intel als Erstlieferant für CTC vorgesehen, TI sollte lediglich eine Zweitquelle sein: Das CPU-Konzept, das sich stark an dem vorhandenen diskreten Prozessor von CTC orientierte, stammte schließlich von Intel. Doch die Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber CTC klappte nicht wie geplant, zumal das Projekt für den 8-Bit-Chip 1201 eine Zeit lang vor sich hin dümpelte, insbesondere weil Intels Entwickler Feeney für andere, dringendere Aufgaben abgezogen wurde. Im Januar 1971 nahm sich dann aber Faggin des Projektes an. Bis dahin hatte er mit Kollegen an einem anderen Auftrag gewerkelt, an einer Familie von vier Chips rund um den 4/8-Bit-Prozessor 4004 (8-Bit-Register, 4 Bit ALU und 4-Bit-Datenbus).

Die hatte die japanische Firma Busicom geordert und dazu auch ihren besten Ingenieur Masatoshi Shima nach Santa Clara geschickt. Der hatte schon einige Zeit am Konzept der 4000-Familie gefeilt. Er kam Ende 1969 in die USA und unterbreitete es zum einen der jungen Firma Mostek, zum anderen den beiden Intel-Ingenieuren Stan Mazor und Ted Hoff. Die hatten aber von Logic-Design nur wenig Ahnung, Mazor kam aus der Software und Hoff war mehr Speicherexperte. Erst als im April 1970 Federico Faggin von Fairchild zu Intel kam und die Projektleitung übernahm, bekam das Ganze den nötigen Schwung. Es dauerte nur etwas mehr als ein halbes Jahr, dann liefen die ersten Prototypen.

Die 4000-Familie war dann im Juni ’71 zwar fertig, aber Busicom war wegen einer Rezession in Finanznot und nicht mehr so interessiert. Intel konnte sie aber überreden, erst einmal weiterzumachen und gegen eine Finanzspritze von "weniger als 60.000 Dollar" die Rechte an Intel abzutreten. So konnte die Intel Corporation dann im November 1971 "ihren" 4004-Prozessor offiziell in der "Electronics News" vorstellen.

Der andere Auftraggeber CTC hatte sich ein paar Monate zuvor weder für Intels 1201-Chips noch für die von TI erwärmen können und setzte für seine Terminals doch lieber weiterhin auf diskrete TTL-Gräber. Im Sommer 1971 stieg CTC dann ganz aus. TI guckte in die Röhre, Intel jedoch fand für den weitgehend fertig entwickelten Chip neue Abnehmer wie Seiko und benannte ihn in 8008 um. Nur wenige Monate nach der 4004-Vorstellung im April 1972 kam somit der weitaus leistungsfähigere 8008 heraus. Er hatte 50 Prozent mehr Transistoren (3500 gegenüber 2250) und fast den achtfachen Takt (800 gegenüber 108 kHz).

Nach ein paar Jahren Rechtsstreitigkeiten mit Intel sprach schließlich das US-Patentamt den beiden TI-Ingenieuren Gary Boone und Michael Cochran die Erfinderehre zu. Unberücksichtigt blieben natürlich dabei die Entwicklungen, die unter militärischer Geheimhaltung standen, etwa der Chipsatz MP944 der Luft- und Raumfahrtfirma Garrett AiResearch aus dem Jahre 1970. Der arbeitete bereits mit 20 Bit und hatte spezielle Hardware zum Multiplizieren und Dividieren.

Daneben machte auch noch ein gewisser Ingenieur namens Gilbert Hyatt von sich reden. Der hatte nachweisbar schon einige Zeit zuvor das Konzept eines Mikroprozessors vorgestellt. Auch ein Patent (4,942,516) hatte er erhalten, das aber erst 1977 erteilt und in den 90er-Jahren nach langem juristischen Streit mit TI im Juni 1996 für nichtig erklärt wurde. Der Erfinder des Mikroprozessors ist rechtlich gesehen also TI, real irgendwelche Rüstungsfirmen und in der Praxis Intel. Und daselbst erhob sich dann die große Not, wem denn wohl von den vier Hauptbeteiligten primär die Ehre zukommt, Stan Mazor, Ted Hoff, Federico Faggin – oder dem ehemaligen Busicom-Ingenieur Shima?