Neues Verfahren bringt ein Alzheimer-Medikament durch die Blut-Hirn-Schranke

Seite 2: Antikörper für Antikörper

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Die Proof-of-Concept-Studie war zu klein, um die Wirksamkeit zu untersuchen, aber Rezai und sein Team planen eine Fortsetzung ihrer Arbeit. Der nächste Schritt ist die Wiederholung der Studie an fünf Personen mit einem der neueren Anti-Amyloid-Antikörper, Lecanemab. Dieses Medikament beseitigt nicht nur Plaque, sondern hat in einer Studie gezeigt, dass es das Fortschreiten der Krankheit bei Patienten mit frühen Alzheimer-Symptomen nach 18 Monaten Behandlung um etwa 30 Prozent verlangsamt. Das ist ein bescheidener Betrag, aber ein großer Erfolg in einem Bereich, der mit wiederholten Misserfolgen zu kämpfen hatte.

Eichmann, die auch an der Durchbrechung der Blut-Hirn-Schranke arbeitet, hält die neuen Ergebnisse mit fokussiertem Ultraschall für sehr interessant. Sie fragt sich jedoch, welche langfristigen Auswirkungen die Technik haben wird. "Es bleibt abzuwarten, ob die Blut-Hirn-Schranke im Laufe der Zeit, bei wiederholter Anwendung, Schaden nimmt", sagt sie.

Andere Strategien zur Öffnung der Blut-Hirn-Schranke sehen ebenfalls vielversprechend aus. Anstatt die Schranke mechanisch auseinanderzudrücken, hat das Pharmaunternehmen Roche eine Technologie namens "Brainshuttle" entwickelt, die Medikamente durch die Schranke transportiert, indem sie sie an Rezeptoren auf den Zellen bindet, die die Gefäßwände auskleiden.

Das Unternehmen hat Brainshuttle mit seinem eigenen Anti-Amyloid-Antikörper, Gantenerumab, verknüpft und es an 44 Alzheimer-Patienten getestet. Auf einer Konferenz im Oktober stellten die Forscher erste Ergebnisse vor. Die höchste Dosis führte bei drei von vier Teilnehmern zu einer vollständigen Beseitigung der Plaques. Das Biotech-Unternehmen Denali Therapeutics arbeitet an einer ähnlichen Strategie zur Bekämpfung von Parkinson und anderen neurodegenerativen Erkrankungen.

Eichmann verfolgt eine andere Antikörper-Methode. Dabei bindet der Antikörper an einen Rezeptor, der für die Aufrechterhaltung der Integrität der Blut-Hirn-Schranke wichtig ist. Durch die Blockade dieses Rezeptors lassen sich die Verbindungen zwischen den Zellen zumindest bei Labormäusen vorübergehend lockern.

Andere Gruppen haben weitere Rezeptoren im Visier, erforschen verschiedene virale Vektoren oder entwickeln Nanopartikel, die in das Gehirn eingeschleust werden können.

Alle diese Strategien werden unterschiedliche Vor- und Nachteile haben, und es ist noch nicht klar, welche davon am sichersten und wirksamsten ist. Eichmann hält es jedoch für wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren irgendeine Strategie zugelassen wird: "Wir stehen tatsächlich kurz davor."

Techniken zur Öffnung der Blut-Hirn-Schranke könnten bei einer ganzen Reihe von Krankheiten nützlich sein – bei Alzheimer, aber auch bei der Parkinson-Krankheit, Amyotropher Lateralsklerose und Hirntumoren. "Das eröffnet eine ganze Reihe potenzieller Möglichkeiten", sagt Rezai. "Es ist eine aufregende Zeit."

(jle)