Digitale Zeiterfassung "gehört zu einem modernen Handwerksbetrieb einfach dazu"

In einem Gesetzesentwurf forderte das Arbeitsministerium anfangs die elektronische Aufzeichnung der Arbeitszeiten. Das bringt allerdings auch Vorteile mit sich.

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(Bild: Alexey Stiop / Shutterstock,com)

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Im Referentenentwurf für ein Gesetz zu "Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung" steckte anfangs ebenfalls die Forderung zur täglichen Dokumentation der Arbeitszeit – digital und manipulationssicher. Eine geplante Neufassung des Mindestlohngesetzes bezog sich allerdings nicht nur auf geringfügig Beschäftigte. Demnach sollte auch etwa das Baugewerbe betroffen sein.

Die neuen Anforderungen, die sich auch auf das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz der zugehörigen Wirtschaftsbereiche bezogen, würden dem Bürokratieabbau durch Digitalisierung dienen, lautete die Begründung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Eine Rechnung über Investitionen und Einsparungen lieferte das Ministerium gleich mit – demnach sei von "einem einmaligen Betrag von im Durchschnitt 300 Euro pro Betrieb für die Einführung" auszugehen.

Das Baugewerbe lief gegen die Initiative Sturm und der Vorsitzende der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Marcus Nachbauer, betonte, dass die Regelung für mobil eingesetzte Arbeiter auf Baustellen oder in privaten Haushalten in großen Teilen nicht praktikabel, mit steigenden Bürokratiekosten verbunden und "nicht hinnehmbar" sei.

"Die ursprünglich im Entwurf eines ''Zweiten Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung' enthaltenen Maßnahmen zur Einführung einer Pflicht zur elektronischen und manipulationssicheren Arbeitszeiterfassung sind in dem am 23. Februar 2022 im Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf eines 'Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung' nicht mehr enthalten", teilte das BMAS auf Anfrage mit.

"Vereinbart wurde in der Koalition jedoch, dass das BMAS und das Bundesministerium der Finanzen (BMF) prüfen werden, wie durch elektronische und manipulationssichere Arbeitszeitaufzeichnungen die Durchsetzung des Mindestlohns weiter verbessert werden kann, ohne dass insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen durch die Anschaffung von elektronischen Zeiterfassungssystemen beziehungsweise digitalen Zeiterfassungsanwendungen übermäßig belastet werden."

"Hierzu soll die Entwicklung einer digitalen Zeiterfassungsanwendung geprüft werden, die den Arbeitgebern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden kann", so ein Sprecher des BMAS weiter.

"Auch im Bereich der Bauwirtschaft werden zum Teil schon entsprechende Systeme genutzt. So erprobt beispielsweise die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (SOKA Berlin) aktuell in Zusammenarbeit mit der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) im Rahmen eines Pilotprojekts die Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung", erklärt das BAMS gegenüber heise online.

"Entsprechend der bisherigen Regelung in § 6 Absatz 1 GSA Fleisch bezieht sich das Kriterium der Manipulationssicherheit auf den Schutz vor inhaltlich falschen oder nachträglich geänderten Eingaben durch den Arbeitgeber oder dessen Personal selbst. Nicht gefordert wird, dass das vom Arbeitgeber verwendete Zeiterfassungssystem beziehungsweise die vom Arbeitgeber verwendete digitale Anwendung manipulative Eingriffe von außen durch Dritte, beispielsweise durch einen Hackerangriff, sicher ausschließt", erklärt ein Sprecher des BMAS auf Nachfrage.

Es müsse "lediglich ausgeschlossen sein, dass die Aufzeichnung aus der Sphäre des Arbeitgebers in einer Weise verändert wird, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist." Folglich müsse stets ersichtlich sein, ob ursprünglich erfasste Daten zu einem späteren Zeitpunkt verändert worden seien. "Durch die elektronische Aufzeichnung muss daher lediglich sichergestellt sein, dass diese nicht ohne Kenntlichmachung überschrieben, gelöscht oder geändert werden kann." Das Kriterium der Manipulationssicherheit stehe weder einem Nachtrag oder einer Korrektur von Arbeitszeiten entgegen.

Eine Blockchain-Lösung sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, aber zur Sicherstellung der Manipulationssicherheit im oben beschriebenen Sinne nicht erforderlich. "Gewährleistet sein müsste bei Blockchain-Lösungen aber insbesondere, dass die Ausgestaltung in Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts erfolgt", so der Sprecher weiter.

Bei mobil eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern käme eine zentrale Erfassung der Arbeitszeit insbesondere durch die Nutzung einer digitalen Zeiterfassungsanwendung in Betracht. Der Arbeitgeber könne beispielsweise einen QR-Code an beliebig vielen Arbeitsorten außerhalb des Betriebs anbringen, der etwa mit einem Smartphone gescannt wird, um die Arbeitszeiterfassung zu starten beziehungsweise zu beenden, erklärt der Sprecher des BMAS.

Dachdeckermeister und vereidigte Sachverständige im Dachdeckerhandwerk Thomas Struck.

Die technischen Voraussetzungen bestehen bereits und entsprechende Zeiterfassungs-Software wird von unterschiedlichen Herstellern kostenpflichtig angeboten. heise online hat mit einem Meisterbetrieb des Dachdeckerhandwerks mit 24 Mitarbeitern gesprochen, der ein mobiles Zeiterfassungssystem bereits seit etwa 10 Jahren im Einsatz hat.

Der Dachdeckermeister und vereidigte Sachverständige im Dachdeckerhandwerk, Thomas Struck aus Höxter, nutzt die Software des Herstellers M•SOFT Organisationsberatung GmbH in seinem Dachdeckerbetrieb zur digitalen Zeiterfassung, Auftragsbearbeitung und Lohnbuchhaltung.

Die digitale Zeiterfassung kann auch bei geringer Mitarbeiterzahl einen echten Mehrwert ergeben, erklärt Theo König von M•SOFT gegenüber heise online. So würde sich etwa eine deutliche Reduzierung der manuellen (Nach-)Arbeiten oder Berechnung der Arbeitszeit bemerkbar machen. Die digital erfasste Arbeitszeit inklusive Überstunden landet – entsprechende Schnittstellen und Software-Lizenzen vorausgesetzt – direkt in der Lohnauswertung und ermöglicht die Lohnabrechnung auf Knopfdruck. Zusätzlich sind Urlaubsanträge, Abwesenheitsverwaltung und Planungsübersicht papierlos und jederzeit überall abrufbar.

Den Kosten für die nötigen Lizenzen, Hardware (Smartphone oder Tablet) und Mobilfunkverträge gegenüber stehe die Einsparung von Papier und Zeit bei der Lohnbuchhaltung und eine zeitnahe Fakturierung der abgeschlossenen Aufträge oder Zwischenrechnungen – und folglich auch ein früherer Zahlungseingang. Alternativ können Mitarbeiter ihre privaten Geräte nutzen und die erforderliche App installieren.

Das Eintippen unleserlicher oder verschmutzter Stundenzettel in Excel-Tabellen und Vorbereitungen für die Überträge in die Lohnbuchhaltung entfällt. Die kleinste erhältliche Lizenz M•SOFTs mobiler Zeiterfassungssoftware TIME4 kostet monatlich aktuell 17,50 Euro und beinhaltet die Erfassung der Arbeitszeit fünf unterschiedlicher Mitarbeiter. Mit steigender Mitarbeiterzahl sinken die pro Mitarbeiter-Kosten, so Koenig.

Der Arbeitsbeginn wird auf dem Smartphone oder Tablet in der App bestätigt. Dabei kann, sofern vom Mitarbeiter per unterzeichneter Betriebsvereinbarung zugestimmt, auch der Standort erfasst werden – ebenso beim Arbeitsende. Die Daten aus der App landen SSL-verschlüsselt ausschließlich in der Cloud und können von dort für monatliche Kosten von derzeit 9,80 Euro in das Lohnsystem übernommen werden, erklärt König weiter. Bei den Lizenz-Gebühren für die Übernahme in die Lohnbuchhaltung spiele die Anzahl der Mitarbeiter keine Rolle.

Zur Zeiterfassung schaffte Thomas Struck in seinem Dachdeckerbetrieb ursprünglich drei Tablets an und plante die digitale Zeiterfassung durch die Baustellenleiter seines Unternehmens. Das führte allerdings immer wieder zu Problemen, so dass zeitnah die Umstellung auf die Nutzung der privaten Smartphones der Mitarbeiter erfolgte, die sich die benötigte App installierten. Die Ortung per GPS nutzt Struck nicht: "Eine totale Kontrolle meiner Angestellten halte ich für unnötig und das will ich ihnen auch nicht zumuten, so viel Vertrauen sollte man in seine Mitarbeiter haben."

TIME4 ist so programmiert, dass eine Ortung der letzten Buchung nur während der Arbeitszeit möglich ist, versichert König, solange der Mitarbeiter nicht "anstempelt", werden vom Smartphone oder Tablet keine Standortdaten übermittelt. Zusätzlich kann in der App jederzeit der übermittelte Standort mit Zeitangaben eingesehen werden. Diese Funktionen könne der Chef auch nicht manipulieren. Eine Ortung in den Pausen oder der Freizeit ist demnach ausgeschlossen.

Digitale Stechuhr
Wecker, Zeit

Zeiterfassungs-Software protokolliert automatisch die Arbeitszeiten und Überstunden der Mitarbeiter. Arbeits-, Pausen- und Fehlzeiten werden exakt erfasst und verarbeitet. Mit einer projektbezogenen Zeiterfassung lässt sich der Zeitaufwand in mehreren Projekten dokumentieren und in Rechnung stellen.

"Bei GPS-Daten eines Gerätes handelt es sich nämlich regelmäßig um personenbezogene Daten – und die sind gesetzlich geschützt. Sobald das Gerät oder das Fahrzeug, in dem das Gerät verbaut ist, einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, sind diese Daten ein schützenswertes Gut", heißt es in einem Beitrag des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz. Die Erhebung personenbezogener Daten sei im Beschäftigtenverhältnis in der Regel nur zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zulässig.

Weiter heißt es dort: "Können Standortdaten etwa mittels Funk oder Telefon problemlos beim Mitarbeiter selbst abgefragt werden (Grundsatz der Direkterhebung beim Betroffenen), gestattet allein eine Zeitersparnis oder "Verwaltungsvereinfachung" nicht den Einsatz von Ortungstechnik. Auch zu Zwecken der Zeiterfassung oder Stundenabrechnung darf Ortungstechnik nicht der Direkterhebung von Arbeitszeiten durch den Beschäftigten selbst (z.B. Stechuhr oder Stundenzettel) vorgezogen werden."

Auf Nachfrage erklärt König weiter, dass bisher keine Vorfälle bezüglich des Datenschutzes bekannt seien. Die digitale Erfassung der Arbeitszeit ist zwar schon seit einiger Zeit verfügbar, die Nutzung laufe allerdings langsam an. Etwa 25 Prozent seiner Kunden würden derzeit die digitale Lösung nutzen – Tendenz steigend. Gerade bei einem Generationenwechsel im Unternehmen würden diese Schritte schnell vollzogen.

Die Zusatzfunktionen von TIME4 beinhalten auch Dokumentationen durch Mitarbeiter per Bilder und Texten vor Ort, die bei sorgfältiger Planung automatisch den zugehörigen Bauvorhaben zugewiesen werden, erklärt König. Auf die Nutzungen der Dokumentationsmöglichkeit per Foto drängt Struck seine Angestellten regelmäßig: "Das hilft auch bei der Auftragsbearbeitung, Rechnungserstellung und vor allem bei Folgeaufträgen – wenn es beispielsweise um die Farbe der Dachziegel geht." Die integrierte Text-Funktion zur Baustellendokumentation nutze lediglich ein Mitarbeiter.

Den größten Vorteil bringe aber die digitale Erfassung der Arbeitszeiten. Neben der Auftragsverarbeitung sei das – nach anfänglicher Einarbeitungszeit für die Büroangestellten und Handwerker auf der Baustelle – eine enorme Arbeitserleichterung bei der Lohnbuchhaltung.

"Früher hatte ich manchmal erst am siebten Tag des Folgemonats die handgeschriebenen Stundenzettel zusammen, die ich dann noch überprüfen musste", erklärt Struck weiter, "das fällt heute weg." Allerdings funktioniere auch nicht alles reibungslos.

Etwa 30 Minuten müssten die Bürokräfte, die auch für die Lohnbuchhaltung zuständig sind, werktäglich für Korrekturen aufwenden. "Der eine Mitarbeiter vergisst das Anstempeln, der nächste vergisst das Ende der Pause einzutragen und der dritte trägt erst gar keine Pause ein oder hat sein Telefon zu Hause vergessen. Da müssen wir dann hinterhertelefonieren." Nach der halben Stunde täglich sei aber alles vollständig, versichert Struck, und das ist allemal weniger als zu Stundenzettel-Zeiten. Per Knopfdruck können so am letzten Tag eines jeden Monats die Arbeitszeiten an den Steuerberater übermittelt werden.

Die zugehörige Auftragsverarbeitung von M•SOFT ermöglicht zusätzlich, den Angestellten das zugeteilte Bauvorhaben inklusive benötigter Materialien und weiterer wichtiger Informationen in die App zu übermitteln. Dadurch würde Papier entfallen und die Auftragsbearbeitung noch einfacher werden. Allerdings "sieht die Praxis bei uns etwas anders aus", so Struck.

"Selbst, wenn wir in der Vergangenheit die entsprechenden Aufträge zugewiesen haben, wurden diese vor Ort nicht richtig in der App eingebucht." Käme dann noch ein Krankheitsfall oder ein vom Baustellenleiter außerplanmäßiger angeforderter Mitarbeiter zur Verstärkung auf einer anderen als ursprünglich geplanten Baustelle etwa hinzu – und des ergebe sich oft erst morgens – stimme die Planung vom Vortag nicht mehr. "Denn morgens um sieben Uhr ist eben morgens um sieben Uhr", erklärt Struck weiter. Hier gelte es, weiter daran zu arbeiten.

Seinen Marktbegleitern rät Thomas Struck: "Man muss sich für die technischen Möglichkeiten öffnen und sicher am Anfang mehr Zeit investieren als beim Stundenzettel auf Papier. Auch, weil man sich selbst einarbeiten und den Mitarbeitern alles erklären muss – und das mehrfach. Später profitiert man allerdings davon und die Vorteile sind wesentlich größer als die Nachteile – zumal diese ja überwiegend an uns selbst liegen, da auch die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden. Aber im Jahr 2022 gehört das zu einem modernen Handwerksbetrieb auch einfach dazu."

Auch "das BMAS teilt nicht die Ansicht, dass die Einführung digitaler Arbeitszeitaufzeichnungen für die Arbeitgeber auf mittlere Sicht mit finanziellem beziehungsweise bürokratischem Mehraufwand verbunden wäre. Sie wäre auch in den oben beschriebenen Konstellationen praktikabel."

"Überdies werden BMAS und BMF die Entwicklung einer digitalen Zeiterfassungsanwendung prüfen, die den Arbeitgebern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden kann. Auf diesem Wege könnte durch elektronische und manipulationssichere Arbeitszeitaufzeichnungen die Durchsetzung des Mindestlohns weiter verbessert werden, ohne dass insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen Investitionen in die Anschaffung von elektronischen Zeiterfassungssystemen beziehungsweise digitalen Zeiterfassungsanwendungen leisten müssten", so das BMAS.

(bme)