"Gothic in 2D": Warum die Entwicklung von "Drova" im Livestream gezeigt wurde
"Drova" versprüht den Reiz klassischer RPGs wie "Gothic". Ein Interview über Questmarker, Bugfixing-Livestreams und Spieler, die ernst genommen werden wollen.
"Gothic in 2D" kommt zwar nicht von Piranha Bytes, aber immerhin wieder aus Deutschland: Das von Informatik-Studenten gegründete Indie-Studio Just2D aus Magdeburg hat mit "Drova: Forsaken Kin" ein bemerkenswertes Erstlingswerk auf die Beine gestellt, das die Tugenden heißgeliebter RPG-Klassiker neu aufleben lässt. Was die "Gothic"-Faszination ausmacht und warum die Entwicklung von "Drova" im Livestream gezeigt wurde, hat heise online mit dem Entwickler Christian Sandkämper besprochen.
In "Drova: Forsaken Kin" strandet man in einer Spielwelt, die durch eine Art Barriere von der Außenwelt abgeschottet ist. Fans von "Gothic" wird diese Ausgangslage sehr bekannt vorkommen. Ihr legt die Karten also direkt auf den Tisch?
Wir haben noch nie ein Geheimnis darum gemacht, wovon wir inspiriert sind und welche Rollenspiele wir gemocht haben. Wir haben die klassischen Rollenspiele wie "Gothic" vermisst. Also haben wir einfach das getan, worauf wir selbst Bock hatten und ein Spiel entworfen, das in diese Richtung geht. Dass "Drova" jetzt mit "Gothic" verglichen wird, ist uns eine Ehre.
"Gothic" wurde vor fast 25 Jahren mitten im Ruhrpott entwickelt, begeistert Rollenspiel-Fans aber bis heute. Warum eigentlich?
Die Spieleentwicklung hat sich in eine Richtung entwickelt, die wir persönlich kritisieren. Heutzutage läuft man in Rollenspielen einfach den Questmarkern von A nach B hinterher. Aber dabei vergisst man die Welt an sich. Man nimmt nicht den Weg wahr, sondern nur das Ziel. Die Erkundung bleibt auf der Strecke. Dabei geht es doch eigentlich darum, was man auf dem Weg erlebt und dass man als Spieler ernst genommen wird. Was uns bei "Gothic" damals so fasziniert hat und was bei der Entwicklung von "Drova" eine wichtige Säule war, ist die aufmerksame Erkundung der Spielwelt.
Questmarker gibt es deswegen in "Drova" gar nicht.
Spieler sollen selbst rausfinden, was es in der Welt zu entdecken gibt und welche Geschichten man erleben kann. Überall gibt es etwas, das eine Bedeutung hat.
Wir möchten natürlich vermeiden, dass Spieler sich komplett verirren. Deswegen gibt es ein Tagebuch, in dem man Dialoge nachlesen kann und einige Anhaltspunkte bekommt. Wir haben auch etwas Kritik bekommen, dass es bei manchen Quests ein bisschen wenig Informationen gibt. Ich denke aber, insgesamt haben wir es ganz gut hinbekommen, das richtige Maß zu finden.
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Trotzdem verlangt "Drova" dem Spieler mehr ab als viele moderne Rollenspiele. Sperrt man damit nicht potenzielle Käufer aus?
Bestimmt. Aber wir haben versucht, die Spieler anders abzuholen. Ja, die Welt ist gefährlich. Wenn dir ein NPC sagt, dass du dich lieber an die Straße halten solltest, dann meint er das auch ernst. In jeder Zone lauern auch stärkere Gegner. Aber wir haben es dem Spieler ja vorher gesagt.
Überall in der Welt gibt es solche Tipps. Und wenn ich mir meine erste Waffe gekauft habe, dann habe ich gleich viel bessere Chancen und kann Gegner umklatschen, gegen die ich vorher keine Chance hatte. Man braucht also nicht unbedingt Skill, um weiterzukommen. Man muss nur die richtigen Entscheidungen treffen.
Ihr habt euch dazu entschieden, die Wochen vor dem Launch in Entwicklungs-Livestreams auf Twitch zu begleiten. Wie kam es dazu?
Wir sind vielleicht ein wenig naiv und haben uns gesagt: "Wir tun das, was wir uns auch von anderen wünschen würden." Man kennt ja die Geschichten davon, wie die Wochen vor dem Launch eines Videospiels für Entwickler ablaufen. Wir dachten, es wäre cool, wenn die Leute das mal live sehen können. Also waren wir in den zwei Wochen vor der Veröffentlichung konstant auf Twitch online und haben alle Emotionen gezeigt: Weinen, Lachen, Verzweiflung oder auch einfach Bugfixing.
Wir wollten, dass die Leute verstehen, was so ein Launch überhaupt bedeutet. Ich habe oft das Gefühl, dass wir Gamer davon einfach keine gute Vorstellung haben. Und wir selbst wussten es vorher ja auch nicht so genau, "Drova" war unser erster Launch. Wir hatten keine Ahnung, was passiert.
Eine Art Selbstexperiment also, das ihr sogar nach dem Launch noch fortgesetzt habt.
Das Feedback war wahnsinnig positiv, wenn man bedenkt, dass da im Stream einfach ein paar Leute vor Bildschirmen sitzen. Wir haben sehr viele liebe Worte und Spenden bekommen. Als wir den Launch-Button für Steam zusammengeklickt haben, sind Tränen geflossen, und ich glaube das war auch für unseren Chat ein Riesen-Event. Wir hatten 100, 200, 300 Zuschauer. Das ging total durch die Decke.
Wir haben uns dann entschieden, auch den Post-Release zu streamen. Man hört ja immer, dass es da eigentlich erst richtig losgeht. Außerdem sind wir jetzt praktisch ein Live-Tech-Support, wenn wir im Stream Bugs beheben.
Screenshots aus "Drova" (23 Bilder)
Just2D
)Euer Twitch-Kanal heißt "Entwickler-WG". Wie viel Wahrheit steckt in dem Namen?
Wir haben in der WG angefangen, "Drova" zu entwickeln. Mittlerweile haben wir ein Büro, das trotzdem ein wenig aussieht wie eine WG. Deswegen haben wir das beibehalten. Am Anfang waren wir vier Informatikstudenten aus Magdeburg, die noch nie ein Spiel entwickelt hatten. Aber wir hatten eben diesen Traum, eine Firma zu gründen, die frei von Zwängen Videospiele entwickelt. Wir können arbeiten, wann wir wollen, wir können tun, was wir wollen, wir können die Spiele machen, die wir wollen. Dafür brennen wir sehr stark.
Wir haben dann noch ein paar Leute angeheuert. Zwischendurch haben acht Personen an "Drova" gearbeitet, heute sind wir sechs. Wir wollen aber bei einem kleinen, eingeschworenen Team bleiben, egal, wie viel Geld wir einnehmen. Wenn man wächst, kommen andere Lasten auf einen zu. Wir bleiben lieber im Indie-Bereich.
"Drova" wurde auch mit der Spieleförderung finanziert, die zuletzt einiges an Kritik abbekommen hat. Wie war eure Erfahrung damit?
Die war wirklich top. Die Leute, die da arbeiten, sind sehr kompetent. Wir müssen auch ganz ehrlich sagen: Ohne die Förderung hätten wir das auf keinen Fall machen können. So ein Projekt wie "Drova" kostet 800.000 Euro. Das kannst du nicht mit Eigenkapital stemmen, wenn du gerade aus der Uni rauskommst.
Wir haben deswegen damals eine kleine Demo rausgebracht, mit der wir Wunschlisten generiert und uns bei einem Publisher beworben haben. Letztlich haben wir die Entwicklung dann mit der Games-Förderung, Geld vom Publisher Deck13 und Eigenkapital gestemmt. Ohne alle drei Quellen hätten wir es nicht geschafft. Denn uns war immer klar: Entweder wir arbeiten Vollzeit oder wir machen's gar nicht. So ein Spiel wie "Drova" macht man nicht einfach nebenbei.
"Drova" kommt bei den Steam-Nutzern ausgesprochen gut an, sagenhafte 97 Prozent empfehlen das Spiel weiter. Aber der Fall von Mimimi Games hat auch gezeigt, dass gute Kritiken nicht immer wirtschaftlichen Erfolg garantieren.
Wir haben wirklich überhaupt nicht damit gerechnet, dass "Drova" so gut ankommt. Prinzipiell war für uns das Wichtigste, dass wir eine gewisse Qualität erreichen. Das erste Projekt im Indie-Bereich wird eigentlich vorrangig darüber getragen. Auch unser Publisher Deck13 hat gesagt: "Hey, Verkaufszahlen sind natürlich wichtig. Aber viel wichtiger ist erstmal, dass ihr ein geiles Projekt macht, auf das ihr stolz seid und das einigermaßen gut in seiner Nische ankommt." Und das war auch für uns entscheidend.
Für uns ist es immer ein großer Kritikpunkt, dass man auf dem Spielemarkt immer unfertige Sachen bekommt. Wir haben gezeigt, dass es auch anders geht. Dass man mit sechs Leuten eine verdammte Open World machen kann, die im Rahmen der Möglichkeiten schon zum Launch gut funktioniert. Uns schreiben die Leute an und erzählen, dass sie das Spiel gar nicht weglegen können und bis fünf Uhr nachts gespielt haben, obwohl sie am nächsten Tag arbeiten mussten. Das tut mir natürlich leid! Aber das ist auch eine große Auszeichnung.
(dahe)