Dunkle Wolken über Anbietern von Satelliteninternet

Nach dem Crash von Richard Bransons Virgin Orbit deutet sich schon der nächste an. Protagonisten sind Eutelsat und OneWeb.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 154 Kommentare lesen
Darstellung eines OneWeb-Satelliten mit ausgefalteten Solarpanelen im Erdorbit

(Bild: OneWeb)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Erich Moechel
Inhaltsverzeichnis

Ernüchterung macht sich breit bei den Investoren in die Branche der Servicefirmen und Datendienste via Satellit. Am Dienstag hat Richard Bransons Virgin Orbit in den USA Zahlungsunfähigkeit angemeldet und wurde unter den Schutz von "Chapter 11" gestellt. Dieser Schirm dient in erster Linie dazu, konkursreifen Unternehmen zu ermöglichen, ein Sanierungskonzept vorzulegen, oder vorhandene Assets gewinnbringend abzuwickeln.

Eine Analyse von Erich Moechel

(Bild: 

CC Zazie.at

)

Erich Moechel arbeitet in Österreich als investigativer Journalist. Daneben hält er Vorträge und Workshops zu Datenschutz- und Datensicherheit, Verschlüsselung, militärische IT etc.

Das Scheitern des ersten großen kommerziellen Satellitenstarts von Großbritannien aus im Januar war nur Auslöser für den Konkurs; schon vor einem Jahr hat kaum ein Investor mehr an die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells von Virgin Orbit geglaubt. Diese Skepsis weitet sich nun auf die indisch-britische OneWeb aus, obwohl das Unternehmen Ende März mit 618 erdnahen Satelliten (LEO-SATs) gerade die erste Phase seines globalen Netzausbaus abgeschlossen hat.

Seit der Bekanntgabe des Zusammenschlusses von OneWeb mit der französischen Eutelsat, dem weltgrößten Betreiber kommerzieller Dienste über geostationäre Satelliten (GEO-SATs) taumelt die Aktie von Eutelsat von einem Allzeittief ins nächste. Kein einziger Analyst hat bisher eine positive Geschäftsprognose für diesen Merger abgegeben, der im Sommer abgeschlossen werden soll. Der Ausblick aller Analysten ist durchwegs negativ.

Dieser Chart der Eutelsat-Aktie zeigt die Stimmung unter den Investoren im Zeitverlauf eines Jahres. Der geplante Merger wird offensichtlich als toxisch für beide Seiten angesehen. Der Chart im Screenshot stammt von der britischen Investmentfirma Hargreaves Lansdown. Hier ist der minutenaktuelle Kurs von Eutelsat.

(Bild: Hargreaves Lansdown)

Erste Gerüchte haben bereits im Frühjahr 2022 in der Branche kursiert; als dann im Juli die Fusionspläne konkret wurden, ging der Kurs der Eutelsatpapiere an einem einzigen Handelstag um gut 40 Prozent in die Knie. Die Zwischenhochs täuschen, denn da haben viele Spekulanten ausgelotet, ob die Talsohle bereits erreicht ist. Ein zweiter, aber keineswegs bestimmender Faktor war, dass Eutelsat nacheinander die beiden bedeutenden Märkte Russland und Iran aufgeben musste. Vom zweiten Einbruch im November, als bekannt wurde, dass der Merger tatsächlich über die Bühne gehen wird, hat sich die Aktie dann nicht mehr erholt. Das jüngste Allzeittief war erst Anfang der Osterwoche.

Anders als Starlink bietet OneWeb keine Netzzugänge für Endverbraucher an, sondern ist vor allem auf Mobilfunker, Schiffe, Offshore-Plattformen und Airlines fokussiert. In letzterem - sehr kleinen - Geschäftsfeld ist Eutelsat mit seiner geostationären Satellitenflotte bereits seit Jahren tätig. Dadurch konnte Eutelsat seinen Ring aus Bodenstationen in den Deal miteinbringen, denn ohne Ground Control funktioniert auch kein LEO-Netz. Durch die hohen Latenzen der Daten-Roundtrips mit Funkverkehr über 70.000 Kilometer zu GEO-Sats sind alle solchen Angebote seit jeher nur dort konkurrenzfähig, wo es keine anderen Internetzugänge gibt. Von der Papierform her schien also alles fein, aber die finanziellen Parameter passen nicht.

Eutelsat hat bis 2021 jährlich immergleiche Umsätze von knapp zwei Milliarden Euro aufgewiesen und fuhr dabei regelmäßig für die Branche rekordverdächtige Jahresgewinne von rund 500 Millionen Euro ein. Damit ist jetzt Schluss.

Der jüngste Start hat mit 36 LEO-Sats die erste Phase des Netzausbaus von OneWeb mit insgesamt 618 LEOs komplettiert. Die sind nun in ungefähr 1.200 Km Höhe für Switching und Routing zuständig, was die Latenzen etwas verringern wird

(Bild: ISRO)

Eutelsat muss in den nächsten Jahren laut Merger-Vertrag eine hohe einstellige Milliardensumme an Investitionen auftreiben, während schon jetzt kein Investor mehr investiert. Und obendrein hat es nun mit einem Unternehmen fusioniert, dessen zehnjährige Firmengeschichte| eine Abfolge aus Pleiten, Pech und Pannen ist.

Gründer und bis heute größter Eigentümer von OneWeb ist der indische "Entrepreneur" Bharti Mittal, der in den 2000er Jahren mit Investitionen in Mobilfunknetze reich wurde. Nach der Gründung 2012 investierten Firmen wie Qualcomm, die Virgin Group, Softbank und auch Eutelsat in OneWeb, ohne dass auch nur ein einziger Satellit in eine Umlaufbahn gebracht worden wäre.

Der erste Launch eines Sets von Satelliten in ihre Umlaufbahnen erfolgte erst 2019, nach dem dritten Satellitenstart war OneWeb dann schon insolvent. 2020 wurde OneWeb durch eine Teilverstaatlichung gerettet. Die britischen Regierung zahlte aus nicht näher bekannten Gründen eine milliardenschweren Summe in unbekannter Höhe ein und erhieltdafür eine Goldene Aktie, die angeblich 3,4 Milliarden Dollar wert sein sollte. Weitere Anteilseigner sind aktuell neben Bharti Global, Japans Softbank, das Industriekonglomerat Hanwha aus Ѕüdkorea die britischen Regierung, sowie die Groupe Eutelsat.

Nach der Rettung sparte OneWeb 41.000 Satelliten ein – statt der ursprünglich geplanten 47.844 Satelliten sollten es "nur" noch 6.372 werden. Aber auch das ist den Analysten zu teuer.

Während OneWeb noch Eutelsat überzeugen konnte, hat Virgin Orbit es nicht geschafft, neue Geldgeber zu finden. Diese Skepsis der Investoren bezog sich nicht auf die technischen Funktionalitäten von Bransons Carrier-Plänen. Das Geschäftsmodell Virgin Orbits war schlichtweg nicht durchdacht. Die "LauncherOne" genannte Rakete mit einer Länge von 21 Metern kann eine Payload von weniger als einer Tonne transportieren. Damit lassen sich nur zwei Satelliten des Konkurrenten OneWeb oder einer aus Starlink-Flotte in eine erdnahe Umlaufbahn von maximal 600 Km transportieren. Virgin Orbit setzte als einziges Unternehmen auf einen herkömmlichen Passagier- und Frachtjet als erste Stufe.

Mit diesem kümmerlichen Set-Up wollte Virgin Orbit eine veritable Flotte von LEO-Sats in ihre Umlaufbahnen bringen. Alleine der Aufbau des allerersten LEO Backbones hätte hunderte Launches dieser Einwegraketen erfordert.

(Bild: Virgin Orbit)

Im Vergleich dazu kann die neueste Version von Musks Falcon 9 pro Start bis zu 8 Tonnen in eine erdnahe Umlaufbahnen bringen, und zwar auch in Höhen von mehr als 1200 Kilometern, die für Bransons LauncherOne unerreichbar sind. In diesen Höhen über den LEOs (Low Earth Orbiters), die dann für die Internet-Anbindungen auf Erden sorgen, sind äußerst breitbandige Datenlinks schon auf den herkömmlichen Satellitenbändern wie etwa dem Ku-Band mit recht geringen Latenzen möglich. Für Virgin Orbit blieb daher nur der Launch von Cubesats übrig, und die allein machen noch lange kein Geschäftsmodell.

Cubesats sind Nanosatelliten von 10 x 10 x 10 cm Größe mit maximal 2 kg Masse und werden vor allem von Universitäten und Forschungsinstituten eingesetzt. Das ist schon einmal keine besonders zahlungsfähige Kundschaft, und obendrein reisen diese Cubesats seit Jahren bei kommerziellen Raketenstarts zum Diskontpreis mit.

Wie konnte man als Investor nur auf die Idee kommen, auf einen solchen Businessplan, wie ihn Richard Branson vorgelegt haben muss, zu setzen? Jedenfalls wurden bedeutende Summen in Virgin Orbit investiert und verloren. Und wie kam Eutelsat vor Jahren auf die Idee, dem periodisch wachsenden OneWeb-Gläubigerkonsortium beizutreten und jahrelang dabei zusehen, wie die investierten Gelder immer weniger wert werden, wenn OneWeb ebenso periodisch nicht mehr liquid ist?

All diese Investoren können über ihre Beteiligungen schon längst nicht mehr frei verfügen, es sei denn, sie riskierten alles zu verlieren. Der einzige Beteiligte, der durch OneWeb bis jetzt keine bedeutenden Summen verloren hat, ist nämlich Bharti Mittal.

Metakritiken, zweckdienliche Hinweise an den Autor und interessante Dokumente können über dieses Formular verschlüsselt eingeworfen werden.

(ds)