Ein DOS für die Lüfte

Das US-Start-up Airware hat eine Software-Plattform für zivile Drohnen entwickelt. Basierend auf Linux, soll sie das Standard-Betriebssystem für die unbemannten Luftfahrzeuge werden.

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Von
  • Jessica Leber

Das US-Start-up Airware hat eine Software-Plattform für zivile Drohnen entwickelt. Basierend auf Linux, soll sie das Standard-Betriebssystem für die unbemannten Luftfahrzeuge werden.

Für viele Menschen sind sie das Symbol für den Roboterkrieg der Zukunft: Drohnen. US-Präsident Barack Obama ist heftig kritisiert worden für den Drohnenkrieg der Amerikaner in Afghanistan und Pakistan, in einer Rede zeigte er sich kürzlich immerhin nachdenklich. Doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die unbemannten Luftfahrzeuge nach der militärischen auch die zivile Luftfahrt erobern.

Jonathan Downey möchte diese Entwicklung noch beschleunigen. Nachdem der Ingenieur bei Boeing am A160 Hummingbird, einem unbemannten Militär-Helikopter, mitgearbeitet hatte, gründete er die Firma Airware, um eine Steuersoftware für zivile Drohnen zu entwickeln. Downeys Ehrgeiz ist, die Software zu einem Standard-Betriebssystem für die Flugroboter zu machen – einem „DOS“ für die Lüfte.

10,7 Millionen Dollar Kapital hat Downey für sein Start-up im kalifornischen Newport Beach bereits eingesammelt. Unter den Investoren sind die Wagniskapitalgeber Andreessen Horowitz und Google Ventures.

„Die Leute hätten doch keine Lust darauf, dass irgendwann 100 verschiedene Drohnen mit 100 verschiedenen Hardware-Plattformen und 100 verschiedenen Steuerprogrammen herumfliegen“, sagt Downey, der selbst eine Pilotenlizenz hat. „Eine gewisse Standardisierung ist doch in jedermanns Interesse.“

Die Software von Militär-Drohnen taugt als Basis fürs zivile Geschäft nicht. Denn die Rüstungsfirmen entwickeln ihre Geräte für das Pentagon als teure „Black Box“-Systeme, die nicht dazu gedacht sind, von anderen adaptiert zu werden. Die zivilen Industrielösungen wiederum sind bislang alle proprietär.

Downeys Drohnen-Autopilot hingegen basiert auf dem offenen Betriebssystem Linux. Eine Installation kostet zurzeit zwischen 4000 und 7000 Dollar. Ähnlich wie beim Linux-basierten Android-Betriebssystem für Smartphones will Downey es für Ingenieure und Tüftler so leicht wie möglich machen, eigene Apps zu entwickeln oder Sensoren in eine Drohne zu integrieren.

Ein System wie Airware sei dringend nötig, sagt auch Mary Cummings, Direktorin des Humans and Automation Lab am MIT, die Downey noch aus seiner Zeit als MIT-Student kennt. Schon damals hatte er sich an Drohnenbau-Wettbewerben beteiligt. Sollte es Airware gelingen, sich als verbreitete Plattform zu etablieren, könnte das der zivilen Drohnentechnik einen gehörigen Aufschwung geben, so Cummings. Zwar arbeiteten auch Luftfahrt-Konzerne wie Lockheed Martin nach eigenem Bekunden an allgemeinen Software-Plattformen, doch viel vorzuweisen hätten sie noch nicht.

Noch ist die Airware-Plattform in einem frühen Stadium. Die ersten Kunden zeigen aber schon, dass sich zivile Drohnen auch sehr sinnvoll nutzen lassen. Die Fluggeräte des französischen Herstellers Delta Drone etwa werden von Bergwachten genutzt, um nach verletzten oder verschütteten Skifahrern zu suchen. Eine Bergbau-Firma lässt die Drohnen über ihren Tagebaustätten kreisen.

Eine Nonprofit-Organisation in Kenia hat gemeinsam mit Airware RFID-Leseeinheiten in Drohnen eingebaut, um mit RFID-Tags versehene Nashörner überwachen und so besser vor Wilderern schützen zu können. Und die Bill And Melinda Gates Foundation entwickelt mit Hilfe der Airware-Software unbemannte Flugtransporter, die Impfstoffe in entlegene Gegenden bringen sollen, die mit herkömmlichen Verkehrsmitteln kaum zu erreichen sind.

Obwohl die Technik besonders in den USA nach vorne gebracht worden ist, sind zivile Drohnen im amerikanischen Luftraum noch nicht zugelassen. Sondergenehmigungen haben bislang nur ein paar Behörden und Forschungsinstitute bekommen. Der US-Kongress hat allerdings die Flugaufsichtsbehörde FAA angewiesen, bis 2015 Regelungen für den Drohnenbetrieb in den USA einzusetzen.

Einigen Firmen dauert das zu lange, und mit Lobby-Arbeit in Washington versuchen sie, das Go zu beschleunigen. Wie immer lockt dabei das Geld: Laut der Prognose der amerikanischen Industriegruppe AUVSI könnten Drohnen-Dienste in den folgenden zehn Jahren zur industriellen Wertschöpfung mit 82 Milliarden Dollar beitragen. In Frankreich und Großbritannien dürfen die Flugroboter bereits am Himmel kreuzen.

Dank rapide sinkender Preise für Drohnen-Hardware und Sensoren könnten bald sogar die Bürger selbst den Autopilot anwerfen. „Wir sind schon in diesem Computer-Club-Stadium, in dem mit einem Mal militärische Technologie zu Spielzeugpreisen zu haben ist“, sagt Chris Anderson, ehemaliger Chefredakteur von Wired und Gründer der Firma 3D-Robotics, die Drohnen für jedermann entwickelt. Die einfachen Fluggeräte kosten fertig zusammengebaut nur 599 Dollar, der Selbstbausatz ist noch günstiger.

Auch andere Start-ups hoffen auf das zivile Drohnengeschäft. Drone Deploy etwa entwickelt eine Software, um ganze Drohnenflotten zu koordinieren – ähnlich wie Paketdienste heute ihre Fracht verfolgen.

Ob zivile Drohnen zum guten Geschäft werden, hängt jedoch von der weiteren Debatte über die Technologie ab. Viele Menschen sind zunehmend beunruhigt über die Möglichkeiten, die Überwachung zu intensivieren. Privacy-Gruppen in den USA beobachten mit Sorge, dass immer mehr Polizeidienststellen Genehmigungen für den Drohneneinsatz beantragen, weil sie sich davon eine wirksamere Verbrechensbekämpfung erhoffen. Entscheidend für einen kommerziellen Erfolg werde nicht die Drohnen-Hardware sein, sondern die Anwendung, sagt Jono Millin, Mitgründer von Drone Deploy. „Wir konzentrieren uns darauf, dass man mit Drohnen zügig seine Sachen erledigen kann.“

(nbo)