Ein künstliches Herz, das niemals schlägt

Wissenschaftler arbeiten an einem neuen Kunstherz, das die Probleme bisheriger Technologieansätze beheben soll. Das Neue daran: Es schlägt erst gar nicht.

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Von
  • Emily Singer

Im September wurde das erste vollständig implantierbare Herz von den US-Gesundheitsbehörden genehmigt. Es gibt denjenigen Patienten Hoffnung, die an Herzversagen sterben könnten, ohne Kandidat für ein Transplantat zu sein. Allerdings hat das neue Kunstherz mehrere große Nachteile: Es ist sehr groß und besitzt nur eine relativ geringe Lebensdauer. Ein weiteres Kunstherz-Konzept könnte diese Nachteile beheben. Allerdings bringt die innovative Idee eigene Probleme mit sich: Unter anderem, weil sie keinen Puls kennt.

Künstliche Herzen pumpen Blut, dessen Sauerstoff verbraucht ist, vom Körper zur Lunge. Von dort wird es anschließend zurück in den Körper geleitet. Das in den USA nun zugelassene Kunstherz namens "AbioCor" von der amerikanischen Firma Abiomed nutzt ein implantierbares hydraulisches Pumpensystem, um den natürlichen Herzschlag zu simulieren.

O. H. "Bud" Frazier, ein bekannter Herzchirurg und Pionier im Bereich von Herzmaschinen am Texas Heart Institute in Houston, hat sich nun aber einen neuen Ansatz einfallen lassen: bei seine Alternative wird das Blut laufend durch den Körper gepumpt – und nicht mit einem periodischen Schlag wie beim Herzen.

Pumpen, die mit diesem Prinzip arbeiten, werden bereits in Kliniken als Teil von ventrikulären Geräten verwendet. Diese werden Patienten eingesetzt, deren Herz zum Teil noch funktioniert, um dem Organ bei der Blutzirkulation zu helfen. (Kunstherzen ersetzen das natürliche Herz hingegen vollständig.)

"Solche Pumpen sind wie kleine Turbomaschinen", meint Tim Baldwin, Direktor für den Bereich neue Technologien beim National Heart, Lung and Blood Institute (NHLBI) in Bethesda. "Sie halten länger durch und erlauben es, kleinere Implantate herzustellen."

Bei Fraziers Ansatz wird ein schwer beschädigtes Herz entfernt und durch zwei rotorbasierten Pumpen ersetzt, die das Blut ständig durch den Körper zirkulieren lassen. Die Herzfunktion wird dabei vollständig übernommen.

In ersten Experimenten, die in den letzten zwei Jahren durchgeführt wurden, ersetzten Frazier und sein Team die Herzen von Kälbern mit Teilen aus kommerziell erhältlichen ventrikulären Apparaten. Die Geräte pumpten das Blut tatsächlich so, wie die Tiere es je nach Aktivität brauchten. "Implantiert man diese Geräte bei Kühen, stehen sie auf, muhen und fressen ganz normal und wundern sich, warum die Menschen sie so merkwürdig ansehen", meint William Cohn, der am Texas Heart Institute mit Frazier zusammenarbeitet. "Man sieht, wie die Kuh ihren Körper ganz normal bewegt und sagt sich, wow, das hier ist die Zukunft de künstlichen Herzens."

Der größte Vorteil von Rotor- oder Axial-Pumpen ist ihre geringe Größe und Simplizität. Das AbioCor-Herz ist beispielsweise so voluminös, dass es sich nur für Menschen mit großem Brustkorbumfang eignet – somit fallen die meisten weiblichen Patienten aus. "Axial- Pumpen sind hingegen so groß wie der Daumen eines Erwachsenen und können mehr Blut pumpen als das normale Herz", sagt Frazier.

Pumpen mit konstanter Flussrate sind außerdem aufgrund ihrer Einfachheit haltbarer: Allein der Rotor bewegt sich. "Andere Pumpen arbeiten auch gut, aber sie haben so viele bewegliche Teile, dass sie sich mechanisch abnutzen", sagt Cohn. Das AbioCor-Herz hielt so in klinischen Tests nur maximal 18 Monate durch, während der Frazier-Ansatz eine Lebensdauer von zehn oder mehr Jahren haben könnte.

Der Forscher glaubt auch, dass seine Pumpen sich besser auf die jeweiligen Anforderungen des Körpers einstellen könnten. "Wenn sie funktionieren, wird mehr Blut ins Herz zurückgepumpt und das Herz wird automatisch stärker arbeiten." Steigt der Druck auf der einen Seite der Pumpe, erhöht sich auch die Flussrate des Gerätes automatisch. Dies entspricht dem Verhalten eines natürlichen Herzens, meint Frazier.

Doch welche Langzeitauswirkungen hätte ein solches Leben ohne Puls? Die Frage wird unter Kunstherzexperten heiß debattiert. Akif Undar, Herzforscher an der Penn State University, meint, dass der Pulsschlag wichtig sei, um das Blut in alle kleinen Kapillargefäße zu bringen, die die Organe versorgten: "Ich denke, dass es im Tierversuch zu Organschäden kommen müsste." Andere Forscher wie Yukihiko Nose vom Baylor College of Medicine kommen zu einem anderen Ergebnis: Im Tierversuch ergäbe sich eben kein Unterschied zwischen Kunstherz mit Puls und Pumpe ohne.

Frazier und sein Team wollen die Frage nun mit Langzeitexperimenten am Tiermodell klären, sobald die Finanzierung steht – bis dato wurden nur Kurzzeitversuche mit gerade einmal 20 Tagen erprobt. Der Forscher arbeitet außerdem an Spezialpumpen für die Verwendung im Kunstherzen, bei dem der Rotor effizienter auf Veränderungen der Flussgeschwindigkeit reagiert. "Das wird noch viel Arbeit machen, bevor man überhaupt an klinische Versuche denken kann", meint Baldwin vom NHLBI.

Bislang ist außerdem noch unklar, welche Patienten die besten Kandidaten für ein pulsloses Herz wären, sollte sich der Ansatz als sicher erweisen. Derzeit ist die Kunstherztechnologie noch derart risikoreich, dass die US-Gesundheitsbehörden sie nur bei Patienten mit Herzversagen zulässt, die kein Transplantat bekommen können und daher innerhalb von einem Monat sterben würden. Frazier-Mitstreiter Cohn hofft nun, dass die Technologie bald sicherer und einfacher wird, um die Empfängergruppe zu vergrößern: "Es würde mich nicht überraschen, wenn es bei der Olympiade 2050 zwei Teilnehmerkategorien gibt – die für Menschen mit Kunstherz und die für Menschen ohne."

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)