Einbeziehung von Usability-Experten in Open-Source-Community-Projekte: Erfahrungen aus dem OpenUsability-Projekt

Seite 4: Fazit: Integration in die Community

Inhaltsverzeichnis

Entscheidet sich eine Community, nicht (nur) für sich selbst, sondern für Nutzer mit anderen Bedürfnissen zu entwickeln, kann der Grundsatz just for fun nur noch bedingt gelten. Wie in der proprietären Softwareentwicklung ist Usability in Open-Source-Projekten kein Ziel, das man von heute auf morgen umsetzen kann. Die Einführung von Usability-Engineering bedeutet eine klare Definition von Zielstellungen, auf welche die Software hin maßgeschneidert wird, sowie strukturelle Änderungen, bei denen Usability-Spezialisten zu gleichberechtigten Mitgliedern im Projekt werden.

Insbesondere der letzte Punkt, also die kontinuierliche Integration von Usability in den Open-Source-Entwicklungsprozess, stellt sich immer wieder als problematisch heraus. Wird Usability nicht ausreichend von einflussreichen Entwicklern propagiert und aktiv gefördert, bleiben Verbesserungsvorschläge aus usability reports häufig unbeachtet. Werden diese Reports von Usability-Spezialisten erstellt, die im Projekt bisher unbekannt sind, finden die Reports leider noch weniger Aufmerksamkeit – als Konsequenz wenden sich diese Usability-Spezialisten dann anderen Aufgaben zu.

Doch selbst, wenn einflussreiche Entwickler Usability befürworten, ist ihre Umsetzung in der Software noch nicht garantiert. Vor allem in Projekten, in denen klare Entscheidungswege und Entwicklungs-Richtlinien fehlen, muss dann bei jedem einzelnen Entwickler ein Bewusstsein für die Anforderungen der Usability vorhanden sein. Eine Verankerung von Usability-Zielstellungen, etwa mittels einer Vision oder durch Festschreibung von Richtlinien, sowie Aufklärungsarbeit in Blogs, Artikeln oder Workshops zeigte gute Erfolge und ist somit ein weiterer Schritt hin zu dem Grundsatz der Anwenderorientierung.


  1. Usability (Gebrauchstauglichkeit) ist eine Forschungsrichtung, die Produkte bezüglich ihrer Benutzbarkeit für bestimmte Nutzergruppen und Aufgaben optimiert.
  2. Die Plattform OpenUsability wurde 2004 gegründet, um Usability und Open-Source-Entwicklung zusammenzubringen: http://www.openusability.org.
  3. Geek ist ein Anglizismus, der sich aus dem Wort Geck herleiten könnte. Im Zusammenhang mit Computern ist er auch positiv besetzt und bezeichnet hier den engagierten Spezialisten.
  4. Usability-Experte ist in Deutschland und den meisten Teilen Europas bisher kein Ausbildungsberuf. Die meisten sind Quereinsteiger, die vorher als Informatiker, Ingenieure, Soziologen, Psychologen oder Designer gearbeitet und sich entsprechend weitergebildet haben (Reitmayr et al. 2004). In vielen Studienfächern gibt es heute auch entsprechende Vertiefungen. Für eine Liste an Studienmöglichkeiten siehe Stößel (2005).
  5. Für einen Überblick über die Usabilitymethoden im Entwicklungsprozess siehe beispielsweise http://www.usabilitynet.org/tools/methods.htm.
  6. Unter einer Persona versteht man daher ein imaginäres Modell einer Person mit allerdings sehr konkreten (Charakter-)Eigenschaften oder etwa Nutzungsverhalten.
  7. Microsoft User Interface Design and Development: http://msdn.microsoft.com/ui/
  8. SAP Design Guild: http://www.sapdesignguild.org
  9. IBM Ease of Use: http://www-03.ibm.com/easy/.
  10. http://www.openusability.org
  11. Ein anschauliches Beispiel bietet eine Diskussion über die Usability von Suchdialogen in der Mailingliste kde-core-devel unter http://lists.kde.org/?t=114767296400002&r=1&w=2. In insgesamt 41 E-Mails diskutierten die Entwickler über mögliche Verbesserungen des Suchdialogs. Eine Streitfrage bildete die Suche nach regulären Ausdrücken, die von einigen Entwicklern selbst benötigt und damit stark verteidigt wurde. Andere argumentierten mit dem average user oder der grandma, und eine Stimme behauptete sogar, dass KDE gar nicht für Entwickler gemacht werden solle. Die Diskussionen drehten sich im Kreis, da die Beteiligten meist auf ihren Standpunkt beharrten. Welche Implementierung schlieÿlich umgesetzt wurde, bleibt im Thread offen.
  12. GIMP steht für das GNU Image Manipulation Program.
  13. Ein leader ist im Sinne von Healy und Schussman (2003) ein Kern-Entwickler, dessen Ansichten respektiert werden und dessen Vorgaben der Rest des Projektes folgt.
  14. Eine optimierte Darstellung der Zoom-Funktion auf dem Toolbar wurde beispielsweise in einem Office-Programm, dem PDF-Viewer und einem weiteren Programm jeweils einzeln implementiert. Sinnvoller wäre eine Manifestierung der Optimierung in den Bibliotheken, doch fand sich hierfür bisher kein Programmierer.
  15. Die Änderungen wurden in der jährlichen Vereinssitzung des KDE e. V. mehrheitlich beschlossen (siehe http://ev.kde.org/meetings/2005.php).
  16. Siehe http://dot.kde.org/1137180087/ und http://dot.kde.org/1139614608/
  17. Siehe http://wiki.openusability.org/guidelines

  • Healy, K. und Schussman, A. (2003), The Ecology of Open-Source Software Development, Working Paper, Department of Sociology, University of Arizona.
  • Joost, R. und Quinet, R. (2006), "The GIMP Developers Conference 2006 GIMP vision", http://developer.gimp.org/gimpcon/2006/index.html#vision [17. Dez 2006].
  • Jung, P. (2006), Frauen-freie Zone Open Source?, in B. Lutterbeck, M. Bärwolff und R. A. Gehring (Hrsg.), "Open Source Jahrbuch 2006 – Zwischen Softwareentwicklung und Gesellschaftsmodell", Lehmanns Media, Berlin, S. 235 - 250. http://www.opensourcejahrbuch.de/download/jb2006/chapter_05/osjb2006-05-03-jung [17. Dez 2006].
  • Mühlig, J. (2005), Open Source und Usability, in B. Lutterbeck, R. A. Gehring und M. Bärwolff (Hrsg.), "Open Source Jahrbuch 2005 – Zwischen Softwareentwicklung und Gesellschaftsmodell", Lehmanns Media, Berlin, S. 87 - 94. http://www.opensourcejahrbuch.de/download/jb2005/chapter_02/ osjb2005-02-02-muehlig [17. Dez 2006].
  • Raymond, E. S. (2004), "The Luxury of Ignorance: An Open-Source Horror Story". http://www.catb.org/~esr/writings/cups-horror.html [17. Dez 2006].
  • Reitmayr, E., Vogt, P., Beu, A., Mauch, D. und Röse, K. (2004), Branchenreport und Honorarspiegel 2003, Bericht, German Chapter der Usability Professionals' Association e.V., Stuttgart. http://www.gc-upa.de/files/upa_report_fn.pdf [17. Dez 2006].
  • Stößel, C. (2005), "World Usability Day 2005: Informationsbroschüre Studienmöglichkeiten", German Chapter der Usability Professionals' Association e.V. http://www.gc-upa.de/ les/UsabilityStudiengaenge.pdf [17. Dez 2006].
  • Trillitzsch, T. (2006), KDE Target Users: The Various Comments about the Intended KDE Audience. Unpublished Analysis of the "People behind KDE" Interview Series.
  • Yeats, D. (2006), Open-Source Software Development and User-Centered Design: A Study of Open-Source Practices and Participants, PhD thesis, Texas Tech University, Lubbock, TX. http://etd.lib.ttu.edu/theses/available/etd-07232006-221754/unrestricted/Yeats_Dave_Diss.pdf [17. Dez 2006].
  • von Hippel, E. (2005), Anwender-Innovationsnetzwerke : Hersteller entbehrlich, in B. Lutterbeck, R. A. Gehring und M. Bärwolff (Hrsg.), "Open Source Jahrbuch 2005 – Zwischen Softwareentwicklung und Gesellschaftsmodell", Lehmanns Media, Berlin, S. 449 - 462. http://www.opensourcejahrbuch.de/download/jb2005/chapter_07/ osjb2005-07-04-vonhippel [17. Dez 2006].