Eisenbahn: Wie kommt das Wild auf die andere Seite?

In Kenia sollen spezielle Passagen und Unterführungen dabei helfen, Tierschutz mit Verkehrsausbau in Einklang zu bringen.

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Von
  • Roman Goergen

1896 errichtete die damalige Kolonialmacht Großbritannien eine 1000 Kilometer lange Bahnstrecke quer durch Kenia. Nach mehr als 100 Jahren war die Schmalspurtrasse mit der Spurweite von nur einem Meter jedoch sanierungsbedürftig. Um aber auch an das Schienennetz der Nachbarn Anschluss zu finden, entschieden sich die Kenianer für einen Neubau mit normaler Spurweite. Damit werden sie Teil eines Streckennetzes von rund 11000 Kilometern Länge, das Uganda, Ruanda, den Süd-Sudan, Burundi und Äthiopien miteinander verbinden soll.

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Wie so oft bei afrikanischen Eisenbahnprojekten hat China den ehrgeizigen Plan ermöglicht. Im vorigen Jahr wurde der erste, 3,2 Milliarden US-Dollar teure Abschnitt zwischen Mombasa und Nairobi fertiggestellt. Der neue Madaraka Express erreicht auf der 472 Kilometer langen Strecke im Personenverkehr eine Geschwindigkeit von bis zu 120 Kilometern pro Stunde.

Seit Januar 2018 kommen nun auch die für Kenias Wirtschaft so wichtigen Frachttransporte hinzu. Jetzt stehen die nächsten Bauabschnitte der Strecke an. Aber nicht alle teilen die Freude. Denn die neue Route führt wie die frühere zum Teil durch Nationalparks. Doch im Unterschied zu den alten, flach auf dem Boden liegenden Schienen hebt sich die neue Trasse der "Standard Gauge Railway" (SGR) an manchen Stellen bis zu zehn Meter vom Bodenlevel ab und ist zudem eingezäunt: für Wildtiere ein großes Hindernis.

"Der Erhalt von Tierschutzgebieten scheint zunehmend im Widerspruch zu Kenias Entwicklungsprioritäten zu stehen", klagt Paula Kahumbu von der Tierschutzgruppe WildlifeDirect. "Ein Viertel des ersten Abschnitts verläuft durch das Tsavo-Schutzgebiet, in dem Kenias größte Elefanten-Population mit rund 12000 Tieren lebt", sagt Ben Okita-Ouma von der "Conservation Alliance of Kenya". Auch der nächste Streckenabschnitt berührt das Terrain eines Nationalparks. Der Nairobi National Park ist das Rückzugsgebiet für das hochgradig gefährdete Spitzmaulnashorn. Inzwischen haben die Tierschützer zwar Klagen gegen den Streckenverlauf eingereicht, doch auf den Baustellen herrscht bereits Betrieb.

TR 03/2018

Das Tempo, mit dem die mit dem Bau betrauten chinesischen Firmen die Arbeiten vorantreiben, ist hoch. Für die Tierschützer liegt genau darin das Problem. Sie fordern keinen Verzicht auf die Projekte, denn auch sie wissen, wie wichtig die Anbindung für Kenias Wirtschaft ist. Aber sie verlangen mehr Zeit für Umweltstudien, um die Strecke tierfreundlicher zu gestalten. Sogar die staatliche Naturparkverwaltung war bisher von der Planung ausgeschlossen.

Im Tsavo-Gebiet wurden zwar neben weiteren Passagen sechs rund 70 Meter breite Unterführungen für die Tiere gebaut. Über die Akzeptanz weiß man allerdings kaum etwas. Daten von einigen mit GPS-Sendern ausgestatteten Elefanten zeigen jedoch, dass einige Tiere Schwierigkeiten hatten, einen Übergang zu finden. Andere durchbrachen die Zäune und bestiegen den Bahndamm. Demnächst soll die neben der Trasse verlaufende Straße zu einer sechsspurigen Autobahn ausgebaut werden. Deshalb fordern die Tierschützer Überführungen, die bepflanzt werden und den Tieren den Eindruck einer natürlichen Umgebung vermitteln. Ob sie gehört werden, ist ungewiss.

(bsc)