Energieeffizienzproblem: EU bremst OLEDs, 8K- und Mikro-LED-Display aus
Mit der Ă–kodesign-Richtlinie will die EU den Energieverbrauch in der IT senken. Bei Displays behindert sie damit allerdings den technischen Fortschritt.
Vor einem Jahr hat die Europäische Union die Grenzwerte für das Energieeffizienzlabel neu festgelegt, nun folgt der nächste Schritt: Im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie werden die Grenzen für den maximalen Energieverbrauch von digitalen Geräten neu definiert.
Hintergrund ist die Direktive 2009/125/EC: Mit ihr wurde die EU-Kommission bevollmächtigt, ökologische Anforderungen an bestimmte Produktgruppen festzulegen. Ziel war die umweltgerechte Gestaltung diverser digitaler Geräte, darunter Server und Datenspeicher, Elektromotoren, Lichtquellen, elektronische Anzeigen, aber auch Geschirrspüler, Waschmaschinen und so weiter. Die jeweiligen Eigenheiten der Produktgruppen wurden in eigenen Unterverordnungen spezifiziert. Für die Anforderungen an elektronische Anzeigen, also Displays, ist dies die EU-Verordnung 2019/2021. In ihr wurden 2012 grundlegende Ökodesign-Vorgaben festgeschrieben, die mehrfach ergänzt und überarbeitet wurden. Die aktuell gültige Fassung der EU-Verordnung 2019/2021 stammt aus Mai 2021.
Keine Ausnahmen mehr
Der Knackpunkt der aktuellen Verordnung liegt in den Ausnahmen beziehungsweise in den demnächst nicht mehr geltenden Ausnahmen. Bisher sind Mikro-LED-Displays ebenso wie 8K-Displays von den Vorgaben der Richtlinie befreit. Für OLED-Displays hatte die Kommission zudem einen Korrekturfaktor in die Berechnungen der maximal erlaubten Leistungsaufnahme eingearbeitet; sie darf dadurch etwas höher sein. Ab März 2023 entfällt sowohl dieser Korrekturfaktor als auch die Ausnahmen für Displays mit 8K-Auflösung (7680 x 4320 Pixeln) und für Mikro-LED-Displays, in denen pro Bildpunkt eine winzige LED leuchtet.
Die maximal erlaubte Leistungsaufnahme berechnet sich anhand des Energieeffizienz-Index
wobei Pmeasured die gemessene Leistungsaufnahme und A die Displayfläche ist und corr besagter Korrekturfaktor für OLED-Displays.
Seit März 2021 muss der so berechnete EEI für HD-Displays unter dem Wert von 0,9 bleiben und für 4K-TVs unter 1,1. Displays mit noch mehr Pixeln und solche mit Micro-LEDs als Bildpunkt sind von den Vorschriften bisher ausgenommen. Das soll sich mit Stufe 2 ab März 2023 ändern, dann sollen alle Displays unter dem EEI-Grenzwert von 0,9 bleiben.
EEI-Höchstwerte für den Ein-Zustand | |||
EEImax für elektronische Displays mit einer Auflösung bis zu HD | EEImax für elektronische Displays mit einer Auflösung über HD bis zu UHD-4K | EEImax für elektronische Displays mit einer Auflösung über UHD-4K und für Mikro-LED-Displays | |
1. März 2021 | 0,9 | 1,1 | entfällt |
1. März 2023 | 0,75 | 0,9 | 0,9 |
Weil die Einführung neuer Techniken durch solche EU-Regelungen nicht behindert werden soll, und da gerade große OLEDs in den Anfängen leistungshungriger waren als vergleichbare LCDs, trug die EU-Kommission dem mit dem Korrekturfaktor und den genannten Ausnahmen Rechnung. Der Ansporn, auch neue Technik fortlaufend zu verbessern, sollte indes bleiben, weshalb anfangs gemachte Zugeständnisse üblicherweise im Laufe der Jahre entfallen – so auch besagter Korrekturfaktor.
Wie Display-Hersteller gegenüber c’t beteuerten und wie sich auch in unserem jüngsten TV-Test gezeigt hat, werden viele OLED-TVs die ab März 2023 geltenden Vorgaben meistern. Die Hersteller können den Energiehunger ihrer OLEDs und auch von LCDs also entweder passend bremsen oder die Grenzwerte durch kleine Tricks einhalten. Dazu gehört beispielsweise die "bewegungsgesteuerte Beleuchtung" von Samsung, bei Philips der Bildmodus "optimiert für Energiesparen" und bei LG die "Autom. Helligkeitsregelung" – alle drei reduzieren die Schirmhelligkeit im Vergleich zum Standbild, sobald Videos angezeigt werden.
In die Betrachtung der Energieeffizienz fließt sowohl die Leistungsaufnahme des TVs ein als auch seine Leuchtdichte im Auslieferungszustand; letztere muss mindestens 65 Prozent der maximalen Schirmleuchtdichte (oder 220 cd/m2) betragen. Hierdurch will die Kommission vermeiden, dass die Geräte ausgerechnet während einer Energiemessung deutlich dunkler bleiben, als sie später im Betrieb leuchten.
Dennoch wird der eine oder andere Hersteller versuchen, den Energieeffizienz-Index durch eine reduzierte Schirmhelligkeit im Auslieferungszustand des Displays zu beschönigen. Dadurch sinkt die Leistungsaufnahme eines Geräts nicht wirklich. Sie ist lediglich im Werkspreset gedrosselt und viele Nutzer werden die Helligkeit und damit auch den Energiebedarf des Displays später mit einem anderen Bildpreset anpassen. Der Energiebedarf eines Displays hängt im Wesentlichen von der Leuchtstärke des LCD-Backlights oder der Leuchtstärke der organischen Schicht ab.
8K und Mikro-LEDs
Problematisch bleibt auch die neue Einbeziehung von 8K- und Mikro-LED-Displays. 8K-Displays (mehrheitlich derzeit 8K-TVs) besitzen viermal so viele Pixel und damit die vierfache Pixeldichte gegenüber einem gleich großen 4K-Display. Der Teil der Pixelfläche, durch den im LCD Licht vom Backlight an die Displayoberfläche dringt beziehungsweise der selbstleuchtende Anteil eines OLED-Pixels ist sehr viel kleiner als beim 4K-Display. Das liegt an den lichtschluckenden Zuleitungen zu den Pixeltransistoren: Es müssen im 8K-Display viermal so viele Transistoren pro verfügbarer Fläche angesteuert werden, die intransparenten Zuleitungen und Transistoren verdecken also deutlich mehr Pixelfläche.
Um die gleiche Leuchtdichte vorn am Display zu erzeugen, muss das Backlight beziehungsweise die organische Schicht deshalb viel heller leuchten. Darum benötigen 8K-Displays wesentlich mehr Energie, ein 65-zölliges 8K-TV beispielsweise über 200 Watt statt etwa 110 Watt für ein gleichgroßes 4K-TV. Dieser höhere Energiebedarf lässt sich derzeit auch nicht mit hocheffizienten Backlight-LEDs und besten organischen Leuchtstoffen ausgleichen. Würde die EU-Richtlinie in unveränderter Form in Kraft treten, würde das zunächst das Aus für 8K-TVs bedeuten. So würde beispielsweise das in c't getestete 8K-TV 75QNED999PB von LG, ein LCD-TV mit dimmbaren Mini-LEDs im Backlight, hoffnungslos über dem Grenzwert der EU liegen. Das 75-zöllige Smart-TV benötigte 213 Watt bei Zuspielung von SDR-Videos, erlaubt wären gemäß den ab März 2023 geltenden Vorgaben maximal 156 Watt.
Ähnlich liegt der Fall bei den Mikro-LED-TVs: Sie benötigen bei mindestens 8 Millionen leuchtenden LEDs deutlich mehr Energie als vergleichbare 4K-TVs. Allerdings gibt es die Mikro-LED-TVs aktuell nicht in wohnzimmertauglichen Größen. Samsung hat jüngst auf der IFA ein 76-zölliges Mikro-LED-TV mit knapp 1,95 Metern Diagonale vorgestellt, erhältlich ist das Gerät aber noch nicht und in Deutschland wird es laut Samsung vorerst auch nicht angeboten. Sofern es bei den EU-Vorgaben bleibt, dürfte es auch in den nächsten Jahren nicht dazu kommen.