Energiewende: KI soll kritische Metalle schneller finden

Egal ob Kobalt, Nickel oder Lithium: Die E-Mobilität braucht mehr Rohstoffe. KoBold Metals setzt auf maschinelles Lernen und KI, um diese schneller zu finden.

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Arbeit in einer Mine.

(Bild: Dominik Vanyi / Unsplash)

Lesezeit: 12 Min.
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An jedem Tag, an dem es das Wetter zuließ, flog in den letzten Wochen ein Hubschrauber im Auftrag des US-amerikanischen Explorationsunternehmen KoBold Metals über eine abgelegene Region im Norden von Quebec, Kanada. Unter dem Helikopter baumelte eine gut 35 Meter breite Kupferspule. Sie sendet elektromagnetische Wellen in die Erde und induziert so Ströme im Gestein. Treffen die Wellen auf einen guten elektrischen Leiter, fängt eine Empfängerspule charakteristische Signale auf, die darauf hindeuten, dass das Gestein wertvolle Nickel- und Kobaltvorkommen enthalten könnte – Metalle, die für Batterien von Handys, Laptops und Elektroautos gebraucht werden.

Nachdem der Pilot einen Landstrich abgesucht hat – an einem guten Tag legt der Hubschrauber mehr als 160 Kilometer zurück – gelangen die Daten per Satellit an die Wissenschaftler von KoBold, die in Tausenden von Kilometern entfernten Büros arbeiten. Die Wissenschaftler speisen die neuen Vermessungsdaten in Modelle für maschinelles Lernen ein und kombinierten sie mit unzähligen anderen Daten, die das Unternehmen zum Erforschen der Geologie der Region bereits gesammelt hatte. Schließlich landen all diese Informationen in einem KI-System, das KoBold in Zusammenarbeit mit der Stanford University in Kalifornien entwickelt hat. Das System schlägt dann dem Team die besten Orte für die nächsten Untersuchungen vor.

Mithilfe der Hightech-Software kann das von Microsoft-Mitbegründer Bill Gates und Amazon-Gründer Jeff Bezos mitfinanzierte Unternehmen seine Vermessungspläne von Tag zu Tag anpassen, um möglichst schnell vielversprechende Stellen für Bohrungen zu finden. das Unternehmen , das kürzlich bekannt gab, auch in Grönland nach Rohstoffen für die Elektromobilität zu suchen, will neue Vorkommen erheblich schneller finden als bisher möglich.

„Das Problem bei der Suche nach Metallen und Mineralien ist nicht nur, dass die Erfolgsquoten niedrig sind, sondern auch, dass sie sehr langsam ist", sagt Jef Caers von der Standford University, der mit KoBold Metals zusammen arbeitet und die wissenschaftlichen Grundlagen für deren Methode gelegt hat. „Bisher geht man bei den meisten geologischen Untersuchungen im Sommer los, sammelt Gesteine und analysiert sie im Winter, um dann seine geologischen Modelle auf der Grundlage dieser Informationen zu aktualisieren." Maschinelles Lernen ermögliche nun die Modelle in Echtzeit zu aktualisieren.

Um das zu ermöglichen, arbeiten die Modelle von Caers im Wesentlichen mit so genannten Bayes-Netzwerken. Die Methode beruht auf einem nach dem britischen Mathematiker Thomas Bayes benannten Verfahren, mit dem man bedingte Wahrscheinlichkeiten berechnen kann. Die Grundidee ist, dass eine statistisch bekannte Grundwahrscheinlichkeit für ein Ereignis (Kobalt zu finden) durch neue Fakten - beispielsweise den Fund bestimmter Mineralien - aktualisiert werden kann: Aus "die Wahrscheinlichkeit an diesem Ort Kobalt zu finden ist x" wird dann die neue Wahrscheinlichkeit y "unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir hier Mineral z gefunden haben".

"Es gibt aber noch einen zweiten Teil der Methode, der oft mit dem maschinellen Lernen in einem Atemzug genannt wird, aber tatsächlich ganz anders funktioniert: das sind die Entscheidungs-Agenten", sagt Caers. Die planen, welche nächsten Schritte das Unternehmen bei seiner Exploration unternehmen sollte. „Dabei geht nicht nur um eine Entscheidung nach der anderen, sondern um eine Reihe von Entscheidungen. Nehmen wir an, das Modell legt eine Probebohrung nahe. So eine Bohrung dauert lange, ist teuer, und letztendlich ist das immer nur ein kleines Loch in einem großen Stück Land. Was ist, wenn Sie bei der Bohrung nichts finden? Sie müssen immer die Möglichkeit einplanen, weitere Maßnahmen zu ergreifen. " Die Entscheidungs-Agenten von KoBold Metals nutzen eine Monte-Carlo-Tree-Search, um die fünf effizientesten nächsten Aktionen zu planen.

Die Beteiligung von Tech-Größen wie Gates zeigt laut Experten, dass zu wenig in neue Vorkommen investiert werde. Möglicherweise erhielten dadurch Start-ups, die Metalle auf umweltfreundlichere und sozialverträglichere Weise gewinnen wollen, endlich mehr finanzielle Unterstützung.

"Wer an Elektrofahrzeuge denkt, vergisst leicht, aus welchen Rohstoffen das glänzende Modell im Ausstellungsraum hergestellt ist", sagt Kwasi Ampofo, der bei dem Analyseunternehmen BloombergNEF den Bergbausektor untersucht.

Die Nachfrage nach Metallen und Mineralien wie Lithium, Kobalt, Graphit und Nickel, die in Batterien für Elektrofahrzeuge und im Stromnetz verwendet werden, dürfte in den kommenden Jahren stark steigen. Einem Bericht der Internationalen Energieagentur vom Mai zufolge wird sich die Nachfrage nach Mineralien zum Zweck der Energiespeicherung bis 2040 mehr als verdreißigfachen – zumindest dann, wenn die Energiewende so schnell vonstattengeht, wie erforderlich wäre, um das Zwei-Grad-Ziel der internationalen Klimapolitik zu erreichen.

Doch der Bergbau hält damit nicht Schritt. Es dauert manchmal mehr als ein Jahrzehnt, bis ein Unternehmen neue Minen in Betrieb nehmen kann, nachdem es sich die Schürfrechte gesichert hat. Den am besten geeigneten Schürfort zu finden, kann sogar noch länger dauern. Da fast alle hochwertigen Erze, die leicht zu fördern waren, bereits abgebaut sind und heute weniger in Explorationen investiert wird, sind neue Mineralvorkommen immer schwerer zu entdecken. Eine allgemein gültige Faustregel besagt, dass sich nur einer von 100 untersuchten Standorten als eine gewinnbringende Lagerstätte erweist. Manche Experten sprechen sogar von nur einem unter 1.000.

Instrumente wie maschinelles Lernen könnten den Entdeckungsprozess erheblich beschleunigen. Bergbauunternehmen setzen sie zunehmend ein, um parallel Datensätze aus den Bereichen Geologie, Geochemie und Geophysik zu analysieren. So hoffen sie, Korrelationen zu erkennen, die für einen menschlichen Betrachter nicht offensichtlich wären.

Durch Kombination dieses Ansatzes mit dem gemeinsam mit Stanford entwickelten KI-Entscheidungstool will KoBold die Entdeckungsraten um den Faktor 20 steigern, sagt Josh Goldman, Leiter der Technologieabteilung des Unternehmens. Laut KoBold würden dadurch auch die Umweltbelastungen durch das Schürfen verringert, weil weniger Löcher in die Erde gebohrt werden müssen.

Im Gegensatz zu mehreren anderen KI-Unternehmen, die sich auf den Bergbau konzentrieren, verkauft KoBold keine Dienstleistung. Stattdessen entwickelt das Unternehmen Softwaretools, um seine eigenen Erschließungen anzuleiten. Das heißt, dass KoBold selbst entscheidet, wo die Schürfungen stattfinden. KoBold sagt, es werde nur in Gebieten arbeiten, in denen der Abbau ethisch vertretbar sei und von der Bevölkerung akzeptiert wird.

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob KoBold seine Versprechungen, die Entdeckungsraten deutlich zu verbessern und den Abbau sauberer zu gestalten, einhalten kann. Doch das Verkaufsargument hat bei den Investoren Anklang gefunden. Das 2018 gegründete Unternehmen, das rund zwei Dutzend Datenwissenschaftler und Geologen beschäftigt, hat mehrere Millionen Dollar des Klima- und Technologiefonds Breakthrough Energy Ventures erhalten. Bill Gates, Jeff Bezos und der britische Geschäftsmagnat Richard Branson zählen zu seinen Investoren und Vorstandsmitgliedern. Ein weiterer Investor ist das Risikokapitalunternehmen Andreessen Horowitz aus dem Silicon Valley. Anfang 2021 beteiligte sich auch der norwegische Öl- und Gasriese Equinor an KoBold und sagte weitere Mittel zu. Die staatliche Gesellschaft unterstützt mittlerweile Unternehmen, die eine kohlenstoffarme Zukunft ermöglichen wollen.

"Wir haben in KoBold Metals investiert, weil wir dazu beitragen wollen, Batterierohstoffe in ausreichend großer Menge zu finden und zu entwickeln, weil sie für die Elektrifizierung des Planeten notwendig sind", sagt Carmichael Roberts, der dem Investitionsausschuss von Breakthrough Energy Ventures angehört. Sowohl bei Kobalt als auch bei Nickel wird innerhalb des nächsten Jahrzehnts mit einer Verknappung gerechnet. Zudem ging der Kobalt- und Nickelabbau oft mit etlichen großen Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen einher, was die großen Technologieunternehmen unter Druck setzt, ethisch unbedenklichere Verfahren und Quellen zu finden.

KoBold verfügt über zwei öffentlich ausgewiesene Bergbaukonzessionen in Kanada: eine in Quebec und eine im nördlichen Saskatchewan, wo es in diesem Sommer Erkundungsarbeiten am Boden und aus der Luft durchführt. Laut Goldman arbeitet es auch auf einem dritten, bislang geheim gehaltenen Grundstück in Kanada und an Standorten in Sambia und Westaustralien.

Das Unternehmen hat seine anfänglichen Bemühungen vor allem deshalb auf Kanada konzentriert, weil das Land über große Mengen an öffentlich zugänglichen Vermessungsdaten verfügt, einschließlich überlieferter Feldberichte, alter geologischer Karten, geochemischer Daten von Bohrlochproben, aus der Luft erhobener magnetischer und elektromagnetischer Vermessungsdaten sowie Lidar-Messungen und Satellitenbildern, die viele Jahrzehnte der Exploration umfassen.

"Wir haben ein System, mit dem wir all diese Daten aufnehmen und in Standardformaten speichern, die Qualität aller Daten prüfen und dann durchsuchen und programmatisch darauf zugreifen können", sagt Goldman.

KoBold hat seine Machine-Learning-Modelle genutzt, um seine kanadischen Bergbau-Claims zu erwerben und seine Feldsoftware zu entwickeln. Die seit Februar bestehende Partnerschaft mit dem Stanford Center for Earth Resources Forecasting fügt dem Mix eine zusätzliche analytische Ebene hinzu in Form des "KI-Entscheidungsagenten", der einen gesamten Explorationsplan entwerfen kann.

Laut Caers quantifiziert dieser digitale Entscheider die Ungenauigkeiten in den Modellergebnissen von KoBold und entwirft dann eine Strategie, wie die Daten nach und nach immer präziser erfasst werden können. Wie ein Schachspieler, der versucht, eine Partie in möglichst wenigen Zügen zu gewinnen, soll die KI KoBold dabei helfen, mit möglichst wenig Aufwand entscheiden zu können, ob an einer bestimmten Stelle gebohrt werden soll oder nicht. „Anders als beim Schach geht es bei der Exploration aber darum, zu wissen, wann man aufhören muss und an einer anderen Stelle weiter suchen, statt zu lange an etwas fest zu halten, was nicht erfolgreich ist."

Der Explorationsgeologe Guy Desharnais, der über Anwendungen maschinellen Lernens im Bergbau geschrieben und gelehrt hat, sagt, dass der Einsatz dieser Art von Tools für die gleichzeitige Zusammenstellung und Analyse vieler Datensätze "von großem Wert" sei. Er warnt jedoch auch davor, dass es "viele Vorbehalte" gibt, ob maschinelles Lernen wirklich intelligente Entscheidungen treffen kann.

Geologische Daten sind häufig sehr lückenhaft – sowohl räumlich als auch zeitlich. Zusammen mit einem Mix aus Daten unterschiedlichster Qualität kann das dazu führen, dass Modelle Signale nicht richtig erkennen oder falsche Schlüsse ziehen. Da hochwertige Erze sehr selten sind, haben Geologen zudem meist nicht ausreichend Beispiele für das, wonach sie suchen. So können sie einen Algorithmus schlecht darauf trainieren, ähnliche Vorkommen zu erkennen.

"Letzten Endes wird die eigentliche Arbeit bei der Suche nach einer Lagerstätte von einem menschlichen Geologen geleistet, der dann diese Werkzeuge einsetzt, um ihre Fähigkeiten zu verbessern", sagt Desharnais.

Ob maschinelles Lernen oder andere KI-Tools Menschen dabei helfen, Dinge zu entdecken, die sie allein nicht finden würden, sei schwer zu beurteilen, sagt Holly Bridgwater, eine Explorationsgeologin bei Unearthed. Die australische Organisation veranstaltet unter anderem Hackathons, um Innovationen im Rohstoffsektor zu fördern. Bridgwater erklärt, dass nur einige wenige potenzielle Abbauregionen jemals überprüft werden, weil das Verfahren so teuer ist. "Es ist sehr schwierig, über positives Feedback herauszufinden, was tatsächlich funktioniert", sagt sie.

Ob KoBold mit Hilfe seiner Werkzeuge die Entdeckungsrate von Mineralien tatsächlich um das Zwanzigfache steigert, wird das Unternehmen nur schwer beweisen können, vermutet Bridgwater. Trotzdem hält sie das Ziel des Unternehmens für vernünftig. "Ich halte es für durchaus plausibel", sagt sie, "weil unsere derzeitige Trefferquote so schlecht ist". Die Symbolkraft, dass ein kapitalkräftiges Tech-Start-up in den Bergbausektor einsteigt, sei möglicherweise bedeutender als die von KoBold tatsächlich entdeckten Batteriemetalle, sagt Ampofo von BloombergNEF.

Explorationsgeologe Desharnais stimmt dem zu: "Meiner Ansicht nach beeinflussen Unternehmen wie KoBold den Markt am meisten dadurch, dass sie die Aufmerksamkeit auf den Mangel an Investitionen lenken", sagt er. "Sie werden Geldquellen auftun, aus denen andere Leute kein Geld erhalten haben, dadurch neue Daten sammeln oder alte Daten aktualisieren und so tatsächlich Neues finden." (bsc)