Enzyme sollen helfen, den Kunststoff PET wiederzuverwerten
Das französische Start-up Carbios hat eine Demonstrationsanlage eröffnet und hofft, das weltweite Angebot an Recycling-Optionen zu erweitern.
- Casey Crownhart
Plastik ist eine Umweltgeißel und wird zum allergrößten Teil nicht recycelt. Enzyme, die Katalysatoren der Natur, könnten hier Abhilfe schaffen. Ende September eröffnete das französisches Start-up Carbios eine Demonstrationsanlage in Zentralfrankreich, um einem der meistverbreiteten Einwegkunstoffe zu Leibe zu rücken: Polyethylenterephtalat, oder kurz PET, dem Material der meisten Getränkeflaschen.
Während es für einige Kunststoffe wie PET schon seit Jahrzehnten mechanische Recyclingverfahren gibt, könnten chemische und enzymbasierte Verfahren reinere Produkte erzeugen und das Recycling von Gegenständen wie Kleidung ermöglichen, die mit herkömmlichen Verfahren nicht verarbeitet werden können.
Unsere Abhängigkeit von Kunststoffen
Da Einwegkunststoffe größtenteils aus Erdöl gewonnen werden, könnten Kunststoffe bis zum Jahr 2050 rund 20 Prozent des jährlichen Erdölverbrauchs der Welt ausmachen. Die Verringerung unserer Abhängigkeit von Kunststoffen und die Suche nach Wiederverwendungsmöglichkeiten könnten die Emissionen erheblich reduzieren.
Pro Jahr werden weltweit nur etwa 15 Prozent aller Kunststoffe für das Recycling gesammelt. Seit den neunziger Jahren versuchen Forscher, neue Abbauwege zu finden, um mehr davon recyceln zu können. Dabei haben Unternehmen und Forscher auch an enzymatischen Verfahren (Carbios) und chemischer Verfahren (Loop Industries) gearbeitet. Doch erst seit kurzem werden beide kommerziell eingesetzt.
Der neue Reaktor von Carbios ist mit 20 Kubikmetern etwa so groß wie ein Lastwagen. Er fasst zwei Tonnen Kunststoff oder das Äquivalent von etwa 100.000 zerkleinerten Flaschen. Er zerlegt sie binnen zehn bis 16 Stunden in die Bausteine von PET: Ethylenglykol und Terephthalsäure.
GroĂźtechnische Anlage bis 2025 geplant
Das Unternehmen plant, die Erkenntnisse aus der Demonstrationsanlage für den Bau seiner ersten industriellen Anlage zu nutzen, die einen etwa 20-mal größeren Reaktor beherbergen wird als die Demonstrationsanlage. Die großtechnische Anlage soll in der Nähe eines Kunststoffherstellers in Europa oder den USA errichtet und bis 2025 in Betrieb gehen, so Alain Marty, Wissenschaftsvorstand von Carbios.
Das Start-up arbeitet seit seiner Gründung in 2011 am enzymatischen Recycling. Das Verfahren basiert auf Enzymen, die die langen Polymerketten von Kunststoffen zerschneiden. Die dabei entstehenden Monomere können dann gereinigt und zu neuen Kunststoffen zusammengesetzt werden. Die Carbios-Forscher begannen mit einem natürlichen Enzym, mit dem Bakterien Blätter zerlegen, und optimierten es dann, um es für den Abbau von PET effizienter zu machen.
Carbios schätzt, dass sein Verfahren die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu PET-Neuware um etwa 30 Prozent reduziert. Marty erwartet, dass diese Zahl noch weiter steigen wird, wenn die letzten – bildlich gesprochen – Knickstellen des Verfahrens beseitigt sind.
In einem kürzlich erschienenen Bericht schätzten Forscher, dass die PET-Herstellung aus enzymatischem Recycling die Treibhausgasemissionen im Vergleich zur Herstellung von PET-Neuware um 17 bis 43 Prozent reduzieren könnte. Der Bericht bezog sich nicht speziell auf Carbios, aber er ist wahrscheinlich eine gute Schätzung für dessen Verfahren, sagt Gregg Beckham vom US National Renewable Energy Laboratory und Mitverfasser des Berichts.
Mögliche Stellschrauben im Prozesss
Während bisher die Entwicklung neuer Enzyme im Mittelpunkt neuer Forschungs- und kommerzieller Bemühungen stand, werden andere Teile des Prozesses bestimmen, wie effizient und kosteneffektiv die Technologie sein wird, sagt Beckham, der ein Konsortium für neue Kunststoffrecycling- und Produktionsmethoden leitet. "Es sind all die weniger glamourösen Dinge", etwa die Überführung des Kunststoffs in eine Form, die von den Enzymen effizient aufgespalten werden kann, oder das Separieren der von den Enzmen erzeugten Produkte, die viel Energie und Zeit in Anspruch nehmen und Emissionen und Kosten in die Höhe treiben können.
Marty zufolge ist das Produkt von Carbios etwa doppelt so teuer wie PET-Neuware. Im Vergleich dazu ist mechanisch recyceltes PET nur etwa 50 Prozent teurer als Neuware. Allerdings wĂĽrde das PET von Carbios trotzdem nur etwa zwei Cent fĂĽr eine kleine, klare Plastikflasche kosten wĂĽrde, was eine relativ geringe Ausgabe fĂĽr die Hersteller darstelle.
Die Unternehmen sind aber möglicherweise bereit zu zahlen. In einer Pressemitteilung zu Beginn dieses Jahres stellten Carbios und einige Partnermarken wie PepsiCo und Nestlé PET-Demonstrationsflaschen vor. Das Start-up hatte die Grundstoffe aus enzymatisch recyceltem Plastik bereitgestellt und die Unternehmen verwendeten es zur Herstellung neuer Flaschen.
Künftig könnten mit enzymatischem Recycling auch Prozesse möglich werden, die das mechanische Recycling nicht leisten kann, wie das Recycling von Kleidung oder gemischten Kunststoffströmen. Doch im Moment stehen beide Methoden noch vor denselben Problemen, wie der Tatsache, dass in weiten Teilen der Welt nur wenige Einwegkunststoffe für das Recycling gesammelt werden. Zudem wäre das enzymatische Recycling nur eine von mehreren notwendigen Lösungen, um die Emissionen und Umweltauswirkungen von Kunststoffen deutlich zu verringern. "Gibt es ein Verfahren, das alle umfasst?" fragt Beckham und beantwortet selbst: "Wahrscheinlich nicht."
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(jle)