Europas Halbleiterziel: Von unrealistisch zu fast unmöglich

Die EU will bis 2030 pro Jahr ein Fünftel aller Chips weltweit produzieren. Das Erreichen dieses Ziels würde an ein Wunder grenzen.

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Negativaufnahme einer Chipfertigungsanlage

(Bild: Macro photo/Shutterstock.com)

Lesezeit: 2 Min.

Im Jahr 2023 hatte die EU einen Anteil von etwa 10 Prozent an der weltweiten Produktion von Halbleitern. Mit dem EU Chips Act erklärte die EU-Kommission eine Verdoppelung auf 20 Prozent zum Ziel, und zwar bis zum Jahr 2030. Das Problem: Weil weltweit viele neue Halbleiterwerke entstehen, müsste die EU konservativen Schätzungen zufolge ihre Chipproduktionen vervierfachen, um die 20 Prozent Marktanteil zu erreichen, und das innerhalb der kommenden fünf bis sechs Jahre.

Selbst, wenn Intel seine zwei Halbleiterwerke – sogenannte Fabs – in Magdeburg pünktlich fertiggestellt hätte, würde die EU kaum die 20 Prozent erreichen können. Mit der Verzögerung um zwei Jahre ist das jetzt nahezu ausgeschlossen. Die Serienproduktion dürfte frühestens im Jahr 2030 anlaufen und dann erst in den Folgejahren die volle Kapazität erreichen.

Eine Analyse von Mark Mantel

Mark Mantel ist seit 2019 Redakteur bei heise online und c't. Er kümmert sich hauptsächlich um die Online-Berichterstattung rund um PC-Hardware, Prozessoren und Halbleiter-Technik.

Zu den weiteren Projekten in der EU zählen:

  • Intels Ausbau der irischen Fab für 11 Milliarden US-Dollar
  • TSMCs Dresdener Fab (ESMC) für 10 Milliarden Euro
  • kleinere Neubauten beziehungsweise Erweiterungen bestehender Fabs, etwa bei Infineon für 5 Milliarden Euro

Dem stehen mindestens gegenüber:

  • vier neue Intel-Fabs in den USA und massiver Ausbau des Oregon-Standorts für insgesamt 96 Milliarden Dollar
  • drei neue TSMC-Fabs in den USA für 65 Milliarden Dollar
  • zwei neue TSMC-Fabs in Japan für 20 Milliarden Dollar
  • massiver Ausbau von TSMCs Kapazität in Taiwan für 120 Milliarden Dollar
  • massiver Ausbau von Samsung und SK Hynix in Südkorea, 427 Milliarden Dollar bis 2047
  • der stark subventionierte Ausbau der nationalen Halbleiterfertigung in China
  • Kapazitätserweiterungen mehrerer Chip-Fabs in Malaysia
  • der Aufbau einiger Fabs in Indien

Es war insbesondere der ehemalige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Thierry Breton, der Europas Chipfertigung aufpäppeln wollte. Er argumentierte: Die EU müsse die eigene Position im weltweiten Halbleitermarkt stärken, um auch bei Verhandlungen besser dazustehen – zusätzlich zu sicheren Lieferketten in Krisenzeiten.

Breton gehört allerdings nicht mehr zur neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen. Selbst, wenn die Nachfolgekommission die Ziele weiterverfolgt, werden die 20 Prozent äußerst schwierig. Der Bau diverser neuer Halbleiterwerke müsste zeitnah beginnen, damit sie bis 2030 signifikante Mengen an Chips produzieren könnten. Wir glauben nicht daran.

(mma)